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2005-12-05

WTO: Von Doha über Cancun nach Hongkong?

Wird die WTO schrumpfen oder untergehen?

von Vandana Shiva, Indien

Die vom 13.-18. Dezember 05 stattfindende WTO-Ministerkonferenz in Hongkong kann schon jetzt als gescheitert betrachtet werden. Für die Welt der Konzerne ist sie gescheitert, denn die kleineren und ärmeren der Entwicklungsländer haben begonnen, am Ausgang der WTO-Gespräche mitzureden. Gestützt auf die Kraft der Menschen auf der Straße zogen sie sich aus den Ministerkonferenzen in Seattle (1999) und r Cancun (2003) zurück, indem sie die wichtigste Macht in der Demokratie praktizierten: Die Macht, “Nein” zu sagen, die Macht also, die von Gandhi und Martin Luther King praktiziert wurde, die Macht der Nichtkooperation mit ungerechten Regeln.

Nach dem Scheitern von Seattle 1999 war Doha 2001 die erste Ministerkonferenz. Der Slogan der WTO-kritischen sozialen Bewegungen lautete: “No new round: Turn around! Keine neue Runde: Kehrt um!” Bei der Ministerkonferenz in Doha sollte es vielmehr vor allem um Fragen der Implementierung gehen

  • um die vorgeschriebenen Überprüfungen des problematischen TRIPS (Handelsbezogene Rechte auf geistiges Eigentum)
  • und das Agrarabkommen (AoA), die der Welt durch die undemokratischen Verhandlungen der Uruguay-Runde auferlegt wurden.

Wie üblich wollten die mächtigen Länder – getrieben von ihren mächtigen Konzernen – einerseits diese vorgeschriebenen Reformen der Abkommen, die ja Monopole der Konzerne in der Landwirtschaft, der Saatgutproduktion und Medizin herstellten, verhindern. Andererseits wollten diese Länder neue Themen wie den “Zugriff auf Nichtagrarische Märkte (non-agricultural market access NAMA)” und das verkehrte GATS (General Agreement on Trade in Services) weiter verdrehen. Es ging ihnen um die Einführung von neuen Themen, die sie von einer neuen “Doha-Runde” wollten, während es doch tatsächlich um Implementationsfragen der Uruguay-Runde gehen sollte.

Um die Entwicklungsländer zu täuschen war die Rede von der “Doha-Entwicklungs-Runde”. Was als “Entwicklungs-Paket” auch im Entwurf der Hongkong-Deklaration vom 26.11.05 angeboten wird ist “Hilfe für Handel”, mit der Weltbank und Weltwährungsfonds die Länder der 3. Welt durch Kredite für “handelsrelevante Infrastruktur” tiefer in der Schuldenfalle verstricken wollen: mehr Häfen, mehr Superhighways - Dinge, die zu mehr Treibhausgasen und mehr Klimaveränderung führen. Das ist kein “Entwicklungspaket”, sondern ein Rezept für ein Umweltdesaster. Die Weltbank drängt auch auf Privatisierung des Wassers als “handelsbezogene Infrastruktur”. Tatsächlich sind die “Hilfe für Handel”-Pakete Kredite von Weltbank und Weltwährungsfonds, passend zu den WTO-Regeln zur Durchsetzung von Handelsliberalisierungen in den Ländern der 3. Welt.

Nachdem aber die marginalisierten und ausgeschlossenen Parteien gelernt haben, ihre Macht durch Nichtkooperation in der WTO auszuüben, lehnen sie eine Zusammenarbeit zum Zwecke der weiteren Handelsliberalisierung in den Bereichen Landwirtschaft sowie die Einführung von Liberalisierungen bei Dienstleistungen und industrieller Produktion ab. Und sie müssen das “Hilfe-für-Handel”-Paket im Entwurf des Textes der Ministerkonferenz von Hongkong ablehnen.

Der Entwurf der Hongkong-Deklaration: Eine Abkehr vom Mandat von Doha

Der Entwurf der Hongkong-Deklaration ist ein Versuch, Zugeständnisse, die in Doha gemacht wurden, zurück zu nehmen.

  • Paragraph 8 der Doha-Deklaration sah die Ausweitung des Schutzes nach geographischen Kriterien über die in Artikel 23 bereitgestellten Schutzbestimmungen für Wein und Spirituosen vor. Diese Produkte sind für die Entwicklungsländer sehr wichtig – darunter fallen Produkte wie der Basmati-Reis (geraubt und patentiert durch die Firma Ricetec aus Texas) und der Darjeeling-Tee. Demgegenüber sieht die Hongkong-Deklaration keine solche Ausweitung der geographischen Indikatoren auf andere Produkte vor.
  • Paragraph 19 von Doha war eine Vorschrift, nach der unter voller Berücksichtigung der Entwicklungsaspekte die Folgen der Umsetzung von Artikel 27.3(b) und Artikels 71.1 des TRIPS einer verpflichtenden Überprüfung unterzogen werden sollten. Dieses sich auf die Überprüfung des TRIPS beziehende Arbeitsprogramm des Paragraph 19 findet im Entwurf für Hongkong keine Erwähnung.
  • Das Auslaufen der Exportsubventionen, auf das man sich in Doha geeinigt hatte, ist im neuen Text verschwunden.
  • Der Text von Doha hat “das Recht der Mitglieder im Rahmen des GATS (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) auf Regulierungen und auf die Einführungen neuer Regelungen in der Lieferungen von Dienstleistungen” erneut bestätigt. Im Entwurf für Hongkong wurde dies zu “gebührenden Respekt auf das Recht zu regulieren” verwässert.

In Bezug auf die Interessen der Menschen und der 3. Welt ist Hongkong ein Rückschritt sogar im Vergleich zu Doha. Im Sinne der Interessen der global agierenden Konzerne und der reichen Länder ist die Hongkong-Deklaration ein Vorstoß in der Ausweitung der WTO-Agenda.

“WTO: Schrumpfe oder geh unter!”

In Seattle war die Losung der unter dem Motto r “Die Welt ist keine Ware” vereinten Sozialbewegung “WTO: Schrumpfe oder gehe unter!”. Seitdem fordern diese eine Einschränkung der Bereiche, die durch die WTO kontrolliert werden. Sie wollen die WTO aus dem Agrarbereich draußen haben, ebenso wie die WTO aus den geistigen Eigentumsrechten draußen bleiben soll. Für die Menschen der Welt und die Länder, die die Kosten der Handelsliberalisierungen tragen, bedeutet der Slogan “WTO: Schrumpfe oder gehe unter!” die Einschränkung der Rechts der Konzerne und die Macht der WTO über unser Leben und unsere Ressourcen.

Die Konzerne und die mächtigen Staaten, die zu deren Gunsten tätig sind, streben hingegen eine Ausweitung der Bereiche unter WTO-Kontrolle und eine Einschränkung der Macht und der Teilhabemöglichkeiten der Mitgliedsstaaten an.

Die reichen Länder versuchen, die Diskussion der Umsetzungsprobleme zu marginalisieren und das vorhandene Recht auf Reformen und Veränderungen der WTO-Regeln und –abkommen, wie sie ins Doha-Mandat eingebaut waren, zu unterlaufen. Die Bevorzugung von plurilateralen Abkommen über Dienstleistungen, das den Entwicklungsländern auferlegt wird, ist ein neuer Weg des Ausschlusses: Damit Umgehen sie die vermehrte Partizipation durch die schwächeren Mitgliedsstaaten in multilateralen Verhandlungen, denn diese beginnt für die reichen Länder zu einem unerwünschten Hemmnis zu werden. Für die Konzerne und die USA und die EU ist der Weg vorwärts eine noch stärker asymmetrische, noch ungerechtere, noch unpartizipativere, undemokratischere WTO. Ihre Version des “Schrumpfens oder Untergehens” läuft auf ein Schrumpfen von Demokratie und Rechte der Menschen hinaus.

Die Mächte, die die WTO geschaffen haben, wollen nicht so ohne weiteres untergehen. Daher ist eine Beschränkung von Demokratie die einzige Möglichkeit, die ihnen bleibt. Und eine Einschränkung von Demokratie bedeutet eine unverhülltere brutalere Übernahme unserer Ökonomien und Sicherheiten durch Konzerne als wir sie je in den letzten 10 Jahren der WTO-Herrschaft beobachten konnten.

Für die sozialen Bewegungen ergibt sich noch eine neue Herausforderung. Auf der einen Seite wollen wir die WTO zum alten GATT zusammenschrumpfen, indem wir sowohl die neuen Themenfelder der Uruguay-Runde – geistiges Eigentum, Landwirtschaft, Dienstleistungen, Investitionen – wieder los werden als auch die neuen Themen der Doha-Runde nicht annehmen wollen. Daneben aber haben wir auch zur Kenntnis zu nehmen, dass selbst der oberflächliche Multilateralismus der WTO durch bilaterale und plurilaterale Abkommen unterwandert wird. Wir aber wollen eine Einschränkung der juristischen Zuständigkeit und des Mandats der WTO und gleichzeitig eine Ausweitung der Partizipation und der Mitspracherechte der Menschen und ihrer Regierungen auf dem Gebiet des internationalen Handels – inklusive welche Themen nicht nur durch die Regelungen des internationalen Handels gelenkt werden können. Solche Themen sind etwa Nahrung und Landwirtschaft, Artenvielfalt und Medizin. Das Landwirtschaftsabkommen hat schon jetzt zur Tötung Tausender Bauern geführt. In Indien wurden in den letzten 10 Jahren durch die Handelsliberalisierungen knapp 40.000 Bauern in den Selbstmord getrieben. In Cancun nahm sich der koreanische Bauer Lee das Leben. Zwei weitere koreanische Bauern begingen neulich während des APEC-Treffens Selbstmord, weil sie damit gegen den Freihandel in der Landwirtschaft protestieren wollten. Aber die WTO tötet nicht nur Bauern, sondern auch die Demokratie. Die Klage der USA gegen die EU in Sachen Gentechnik zeigt, wie WTO-Regeln benutzt werden, um den Bürger/innen ihre Recht auf Wahl der Nahrung zu nehmen. Von Bemerkungen des seinerzeitigen Mr. Supachai bis hin zu den Gegenwärtigen des WTO-Generaldirektors auf einer UNCTAD-Konferenz in Delhi am 28.11.2005 (demnach hätten die Länder, die die Einfuhr gentechnisch veränderte Organismen verbieten wollten, den diesbezüglichen WTO-Streitfall verloren) kann geschlossen werden, dass Monsanto die WTO erfolgreich benutzt hat, um die europäischen Märkte mit gentechnisch veränderten Waren zu überschwemmen – gegen den Willen der europäischen Bürger/innen und gegen die verfassungsmäßigen Recht von 30 Regionen in Europa, die sich selbst gentechnikfrei erklärt haben. Die WTO ist klarerweise eine ungeeignete Institution, um zu entscheiden, was Bauern anbauen und die Menschen essen sollen. Solche Fragen werden am besten örtlichen, regionalen oder staatlichen Demokratien überlassen. Das ist der Inhalt von Nahrungsdemokratie und r Ernährungssouveränität. Deswegen muss die WTO aufhören, unsere Nahrungs- und Landwirtschaftssystem zu verpfuschen.

In gleichem Sinne muss das TRIPS-Abkommen der WTO, das die Länder zwingt, r Saatgut und Lebensformen zu patentieren, das die Biopiraterie traditionellen Wissens fördert und das Monopole bei Saatgut und Medikamenten schafft, geändert werden. Es ist nicht die Aufgabe einer Handelsinstitution, weitreichende Patentregelwerke, die den Menschen den r Zugang zu Medikamenten und Saatgut verweigert, zu erlassen. Diese Fragen müssen ebenfalls wieder demokratischen staatlichen Entscheidungsprozessen überantwortet werden.

Die Macht der Menschen und die Entwicklungsländer haben in Seattle und Cancun gewonnen. Das moralische und politische Scheitern der WTO muss zur Schaffung von Alternativen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene übergeführt werden.

Jenseits von Hongkong gehen wir entweder weiter den Weg in Richtung Demokratie oder den Weg in die Diktatur. Welcher Weg eingeschlagen wird hängt davon ab, wie erfolgreich die Bewegungen im Aufbau kreativer Alternativen zur WTO, basierend auf wirtschaftlicher Demokratie und wirtschaftlicher Gerechtigkeit, sind.

Übersetzung: Walther Schütz

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