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Kerstin Kellermann

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2004-07-20

Zypresse da bist du

So wie Man Ray von New York her, Max Ernst aus Köln, Kurt Schwitters von Hannover aus, Hannah Höch und der in Wien geborene Raoul Hausmann von Berlin aus den Dada erfanden, rührte sich der Dadaismus in Gestalt des Viktor Rogy vom Kärntner Arnoldstein aus. Vorläufer für Österreich waren vor allem ungarische EmigrantInnen, die ab 1920 die Avantgarde-Zeitschrift MA („Heute“) herausgaben. Die Dadaisten kennzeichneten sich durch einen tiefen Ekel aus - angesichts des sinnlosen Gemetzels des 1. Weltkrieges, der durch ebenso sinnlose Werte wie Heldentum, Patriotismus, Männlichkeit gerechtfertigt wurde. „Glück bedeutet für mich niemanden Befehle zu geben und von niemandem Befehle zu erhalten“, schrieb Dadaist Picabia. Unentbehrliches Instrument gegen den Ernst der Dogmatiker war der Humor: „Wenn wir lachen, entleeren wir uns und der Wind geht durch uns durch, bewegt Fenster und Türen, lässt Nacht und Wind in uns ein...“ ( Paul Eluard).

Eine große Demonstration in Klagenfurt im Jahre 2000: Als der Zug der buntangezogenen jungen WienerInnen mit den bunten Haaren und den kleinen ItalienerInnen mit den roten Fahnen durch den Landhaushof zieht gerät er ins Stocken. Die Polizei hat jemand verhaftet, heißt es. Es handelt sich um einen älteren Herrn in grauem Anzug mit Melone auf dem Kopf, der über die Absperrung zum Denkmal des Kärntner Heimatdienstes, das den deutschen Abwehrkampf gegen die Slowenen propagiert, geklettert ist und ruck zuck von zwei ebenfalls nicht mehr ganz jungen oder schlanken Polizisten auf den Boden befördert worden ist. Welche Kunstaktion der elegante Herr mit dem monströsen Denkmal im Sinn hatte, wird man nie erfahren. „Was hat die Kärntner Polizei vom Künstler Viktor Rogy gebraucht, was sie nicht gehabt hat?“ fragt später Gerhard Ruiss von der IG Literatur. Die Bildhauerin Bella Ban-Rogy, in schwarzem Anzug mit Hut und roter Krawatte, steht vor der Polizeistation und zittert um ihren herzkranken Ehemann. Die beiden haben nämlich gerade einen Prozess am Hals, der ihr wunderschönes minimalistisches Cafe OM („Ohne Machtbefugnis“), das Rogy als Hommage an den Architekten Adolf Loos gestaltete, gefährdet. Anlässlich der Regierungsbeteiligung der FPÖ hatte Rogy in der Auslage des Cafe OM eine Kunstinstallation ausgestellt, in der einige neue Regierungsmitglieder mit einem flotten Hitler-Bärtchen und einer kohlrabenschwarzen Hitler-Tolle verziert worden waren. Das Land Kärnten sah sich angegriffen, obwohl über die Straße, genau gegenüber des OM, Adolf Hitler im Hotel Sandwirt auf dem Balkon eine Rede gehalten hatte und die Kunstaktion als warnende Beschwörung und rituelle Abwehr hätte interpretiert werden können.

Totentanz
„Also, das Video ist ein bissale traurig.“ Der große Galerist in der Villacher Freihaus Galerie forscht prüfend in den Gesichtern der Besucherinnen und lächelt mitleidig unter seinem schwarzen Bart. Dann schaltet er das Videogerät ein und man sieht den letzten Dadaisten Österreichs im Villacher Landekrankenhaus auf der Bettkante sitzen. Abgemagert und nach einer schweren Operation mit Blutsackerl ausgerüstet, aber in bester Laune gibt der Performer Viktor Rogy Anweisungen an den Kameramann. „Du musst mit den Schuhen auf den Boden klopfen, damit ich weiß wo du bist!“ Man hört das regelmäßige Stampfen – es klingt wie Musik – und der dünne 80jährige nackerte Mann (Strichmännchen?) hält sich den Schlauch fest, der aus seiner Nase ragt und bewegt sich konzentriert nach seinen inneren Vorstellungen. Man merkt, dass die Aktion ihn anstrengt, aber auch amüsiert. Verstörend sei die Ausstellung konstatierte die Kärntner Krone: „Auch dass er sogar aus seinem Sterben eine Inszenierung machte“ würde „wohl wieder auf Unverständnis stoßen“. „Man muss durch das Leben gehen, ob rot oder blau, jedenfalls gänzlich nackt, mit der Musik eines schlauen Fischers und bis zu allen Extremen bereit zum Fest“, schrieb Picabia in den 20er Jahren.
Am ersten Mai wird das Begräbnis Rogys in seinem Geburtsort Arnoldstein sein, vom 24. Juni bis 24. Juli eine große Ausstellung in der Galerie Stadtpark in Krems. „Für die letzte Beisetzung habe ich ihm eine Glasplatte mit zwei Aluminiumplatten gemacht, mit seinem Bild ‚Schatten der Erde’ und dem Gedicht von Hölderlin darauf,“ sagt die Bildhauerin Bella Ban-Rogy, die 24 Jahre lang mit dem Künstler das Leben und die Kunst und sämtliche Verbindungen zwischen diesen angeblichen Polaritäten teilte. Dada ist gleich Leben und Leben ist gleich Dada. Bella Ban sitzt in der Galerie Freihaus, schön aber schmal, und hat selbst gerade drei Wochen Krankenhaus hinter sich. „Der Arzt von Viktor hat mich aufgepäppelt,“ lächelt sie. In einem Video hat jemand die Ärzte des Patienten Viktor Rogy interviewt. „Er brachte den Patienten, die nichts von Kunst wussten, noch den Respekt vor der Kunst bei,“ erzählt der Doktor. Das Video ist wirklich ganz schön traurig, gleichzeitig aber ein Geschenk des Sterbenden an die noch Lebendigen – wie es eben der Dadaismus vorsah, der das Lachen der Verzweiflung als Instrument der Skepsis, der Sinnstörung und Aufklärung verwendete. „Den geistigen und sozialen Mechanismen der christlich-bürgerlichen Welt wurde der Kampf angesagt und ein Entgiftungsprozess versucht. Er sollte so die durch den 1. Weltkrieg ausgelöste Verzweiflung bewältigen helfen und den Hass auf die bürgerliche Gesellschaft in groteske Realitäts- und Kulturkritik umsetzen,“ schreibt Hanne Bergius in ihrem Buch über DADA.
Viktor Rogy kämpfte gegen die Kärntner Strukturen an und hatte wirklich viel zu tun. Mehrmals wurde er verhaftet und angezeigt. Immer wieder kämpfte er in Fragen der Stadtplanung mit den Mächtigen, ob es nun um die Heiligengeistplatzhalle in Klagenfurt (Rogy:„statt zerstören vergolden“) oder um den Abbruch des Rondeaus am Villacher Hans-Gasser-Platz geht, das er vergeblich durch das Markieren mit roter Farbe zu retten versucht: „ich sei irr ich: sie sinds er: kommens doch ins irrenhaus und schlich sich wieder“ (Rogy). Nach einem gefälschten Leserbrief in der Krone zerschlägt er einem pensionierten Magistratsbeamten, der ihn immer wieder mit publizierten Bosheiten verfolgt „alles rund um das haus mit schulter schirm sprungkraft erreichbare glas“. Eine Polizeistreife „überantwortet den Kärntner Würdigungsträger für einige Stunden dem Zentrum für Seelische Gesundheit“, schreibt die Kleine Zeitung, die sich auch mokierte, dass in einer gleichzeitig in Villach statt findenden Ausstellung der Schriftzug „ROG“, Bleistift auf Papier, gerahmt, 100.000 Schilling kosten soll. „Das fehlende Y zum Namenszug Rogy würde 200.000 Schilling kosten.“ Etwas seltsam, wenn Kärntner keine Schmähs mehr erkennen.

Lämmergeier
Im Juni 96 schrieb er über seine Jugend: „weg zum volltrottel. ich als kleines vikerl wurde zwar nicht schon als trottel geboren jedoch war ich der dümmste unter meinen geschwistern vater blasmusiker 1934 (vater) strafversetzt von arnoldstein nach leoben 1941 vater endstation KZ“. Rogy selbst wurde 1943 „zwangssoldat“: „1944 erfrierungen kriegsgerichtsdrohungen gelbsucht stanislav lazarett odessa fleckfieber nagyvarad lazarett szovata fürdö kurort wien polen kriegsgerichtsdrohungen stoßtrupp sonderurlaub villach lazarett pörtschach lazarett.“ Einen weiteren Höhepunkt in seinem Leben stellte 1947 sein „erstes und letztes fußballtraining bei der wiener austria“ dar. „kritisiert wurde nur mein schlurf und nur vom trainer mir san jo net in südameriga“. 1960 lebt er in Paris in einem aufgelassenen Fabriksgelände, 93, rue de la glaciere. Viktor Rogy schläft auf einem durch eine Hühnerstiege erreichbaren Verschlag unterm Plafond. Neben Clochards gelegentlich. Der ehemalige Kabarettist Berndt hatte eine Unzahl halboffener Regenschirme im Hof aufgespannt. „Bei aller Exzessivität war der Viktor ein sehr keuscher Mensch, der ebenso wie ich zum Kärntner Exil neigte. Das Exzessive war die Reinheit an oder in ihm“, schreibt der Autor Gösta Maier. Viktor Rogy schrieb in einer krakeligen unleserlichen Schriftvariante Gedichtsätze auf Zahlblocks mit dem roten Emblem des Villacher Bier, später dem gelben von Ottakringer und verband so seine Wirklichkeit mit seiner Kunst: „er hat einen lämmergeier und spricht ich bin ein vogel und wer bist du ich ich bin ein vogel der ist dir wie aus dem gesicht geschnitten mein lämmergeier“

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