2004-01-08
Mein Gehirn und der Rest von mir - I
It’s all my head I know
So they tell me so
Until my head explodes
Into my head it goes
- „I Think I Lost My Headache“, Queens of the Stone Age
Mein Gehirn sitzt in meinem Kopf. Dort übernimmt es Funktionen. Wenn Signale hereinkommen, prüft mein Gehirn die Post, macht Papierkram und schickt wiederum Kommandos aus.
Natürlich ist es nicht ganz so einfach, und der Vergleich mit einem Büro trügt: Eigentlich ähnelt der ganze Vorgang eher einem Computernetzwerk (was denn sonst?), wo diverse Knoten von Neuronen so lange angestrengt teamworken, bis innovative, bahnbrechende Gedanken dabei herauskommen. Oder einfach das präzise Kommando, die Hand zu senken, links einzulenken, eine Greifbewegung zu machen, die Hand wieder zu heben, noch etwas höher, reversieren bis zum Randstein, Mund öffnen, Neigung der Tasse um 45 Grad, Tee trinken, schlucken, absetzen (der Befehl „absetzen“ ruft ein Modul auf, das, mit Ausnahme der 2 letzten Unterbefehle, den Vorgang in präzise umgekehrter Reihenfolge beschreibt).
So läuft es mit meinem Gehirn, und eigentlich könnten alle damit zufrieden sein. Doch des Nachts, wenn mein Gehirn von seiner Funktion als CEO/CPU meines Körpers entbunden ist, schmiedet es unorthodoxe, aufrührerische, geradezu separatistische Pläne. Mein Gehirn möchte frei sein. Eines Tages, so träumt es, wird es zu meinem linken Ohr aus meinem Kopf kriechen; übrig bleibt nur ein Zettel mit Rückkehrbedingungen für die zurückgelassenen Mitarbeiter.
Wichtigste Ausstattung bei diesem Emanzipationsversuch ist ein elektronisch gesteuertes Exoskelett aus Titan (im folgenden „Der Anzug“ genannt), das an entsprechenden stellen, mit Audio- Video- und Taktilperzeptronen ausgestattet ist. Ausgerüstet mit diesem Stück modernster Technik und ein paar Nährstoffampullen wird sich mein Gehirn daran machen, die Welt zu sehen.
Ungestört von Verdauungsorganen (Hunger, Durst), Genitalien (sexuelle Begierden) und allen Empfindungen der Haut (Witterung, Schmerz, undefinierbare Juckreize) wird mein Gehirn die Möglichkeit haben, sich interesselosen Wohlgefallens angesichts der Schönheiten der Welt, etwa einer Platanenallee, einem vereisten Bergsee oder einer erleuchteten Großstadt, zu erfreuen. Die täglichen Probleme der Leiblichkeit werden sich endlich auf ein Minimum reduzieren, und dieses Minimum (Mangel bestimmter Stoffe im Gehirn) wird sich auf einfache Weise, nämlich mittels spezieller Medikamentenpräparate, verwalten lassen.