2003-05-07
Sachzwang Sparen?
Mehr oder weniger unterschwellig wird AUCH VON VIELEN GEGNERiNNEN der derzeitigen Reformpläne argumentiert, dass bei den Pensionen "etwas geschehen müsse, dass gespart werden müsse, aber eben nicht so wie bei den Regierungsplänen, sondern geschickter, gerechter, sozial ausgeglichener ..." Mit einer solchen Übernahme der Argumentation hat man sich schon in der Falle der neoliberalen Logik verstrickt, der Blick auf eine grundlegende Tatsache ist verstellt: Unsere Gesellschaft ist potentiell so reich, dass wir ganz andere "Probleme" haben: Bei dem Wachstum der Produktivität sind gar nicht alle Menschen in der Erwerbsarbeit unterzubringen. Insofern haben wir nur die Wahl zwischen verschiedenen Formen der gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeitverkürzung: Weniger Arbeiten pro Woche, pro Jahr, pro Lebenszeit (das heisst eben dass man früher in Pension gehen kann) oder aber durch Arbeitslosigkeit - der sozial verheerendsten Form einer Arbeitszeitverkürzung.
In so einer tollen Situation eines potentiell riesigen Wohlstandes (deswegen habe ich oben das Wort "Probleme" unter Anführungszeichen gestellt) geht es nur darum, sich zu überlegen, wie der Reichtum zu den Menschen kommt, wie er genutzt werden kann.
Dass das nicht so gesehen wird, hängt damit zusammen, dass Produktivität, also das, was im Durchschnitt eine Person pro Stunde erzeugt, in der Diskussion nicht vorkommt!!!! - schon gar nicht bei solchen "Sozialexperten" wie einem Herrn Bernd Marin. Gesehen wird bei diesen Menschen immer nur die Kopfzahl zwischen "Alten" und "Arbeitenden". Wie falsch dies ist, bringt der ehemalige Arbeitsminister der CDU-Regierung Norbert Blüm auf den Punkt: "Eigentlich müssten wir nach der Kopfzahltheorie verhungert sein", schrieb der ehemalige Sozialminister Norbert Blüm (CDU), weil 1900 ein Bauer drei Konsumenten ernährt habe, heute aber auf einen Landwirt über achtzig Verbraucher kämen." (nach: Wilfried Herz, in: DIE ZEIT 16.4.2003) Entscheidend ist die Produktivität! (siehe dazu auch die beigefügte Grafik)
Internationale Dimension: Nicht genug beachtet wird in der Pensionsdebatte auch, dass ähnliche Pläne wie von unserer Regierung in vielen vergleichbaren Ländern durchgesetzt werden. Der Grund ist banal: In den letzten Jahrzehnten wurden schrittweise immer mehr Grenzen für das Kapital niedergerissen, sodass wir heute eine verrückte Konkurrenz der Standorte gegeneinander haben. Um diesen Wettlauf nach unten bei Löhnen, Sozial- und Umweltstandards und in der Besteuerung zu durchbrechen, muss unbedingt eine Einschränkungen der Freiheiten des Kapitals erkämpft werden. Mit anderen Worten: Um die Produktivität nutzbar zu machen, muss man auf "DIE" Wirtschaft zugreifen können. Die nationale und internationale Dimension des Problems müssen zusammengedacht werden!!!
Weltweite ökologische Dimension: Auch die meisten KritikerInnen der derzeitigen Pensionsabbaupläne stehen auf dem Standpunkt, dass es ohne ein entsprechendes WIRTSCHAFTSwachstum (und das ist etwas ganz anderes als ein PRODUKTIVITÄTSwachstum) nicht gehe. Auf Wirtschaftswachstums als Ausweg zu setzen ist aber aus einer weltweiten Perspektive gesehen eine Katastrophe. Aber abgesehen von der Dimension "Erde als begrenztes System" stellt sich auch bei einem Blick auf unsere Gesellschaft im Norden ein Problem sicher NICHT: Nämlich dass wir zu wenig Autos, zu wenig Verkehr, zu wenig Handys ... haben! Daher sind die grundsätzlichen Fragen zu stellen: * Kann es unendliches Wachstum geben? * Gibt es nicht ein "Genug"? * Was bedeutet Wirtschaftswachstum bei uns, also in Gesellschaften, die bei 20% der Weltbevölkerung 80% der Ressourcen verbrauchen? * Qualitatives Wachstum als Ausweg? Eine endlose Steigerung der Wellnesskultur, der Informationsflut, ....