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Peter Gstettner

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2010-09-20

Dabei sein ist alles

Das olympische Prinzip bei den beliebtesten Kärntner Gesellschaftsspielen: 10. Oktober-Tauziehen und Ortstafel-Pingpong

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Dass die 10. Oktober-Feiern in Kärnten in einem nationalpolitisch aufgeheizten Klima stattfinden, ist die Regel. Dass unter den „Heimattreuen“ Konflikte um die Vorherrschaft bei der Organisation von Massenaufmärschen entstehen, ist auch nichts Neues. Alle Jahre wird um die Definitionsmacht darüber gestritten, wie und von wem der 10. Oktober-Event gestaltet wird. Damit im Zusammenhang stehen Fragen, die von den herrschenden politischen Eliten für die „Identität“ Kärntens für existentiell erachtet werden: Wem gehört die Erinnerung an den „Abwehrkampf“? Wessen Verdienst ist der Sieg bei der Volksabstimmung 1920? Wer sind die legitimen Traditionsträger des Abstimmungssieges? Wer darf in Kärnten definieren, wer zu den „Heimattreuen“ zu zählen ist? Sind die Kärntner Slowenen für die Feier als Bündnispartner zu gewinnen oder muss an ihnen – ganz im Sinne der Sieger von 1920 – das deutschnationale Erziehungswerk erst vollendet werden?

Neben diesen ideologischen Fragen führen gelegentlich auch wirtschaftliche Interessen zu Zerwürfnissen: Wer verdient an den 10. Oktober-Events am meisten? An wen gehen die Subventionen für Vorbereitung und Durchführung der Feiern? Für wen ist der 10. Oktober ein bezahlter „Landesfeiertag“? Ist für den Wirtschaftsstandort Kärnten die Außensicht auf die Feiern zu berücksichtigen oder gilt: „Wir sind wir“? Wie kann durch die Feiern das Image Kärntens verbessert werden? Wem gelingt es am besten, bei der Bundesregierung das Geld für eine „Abstimmungsspende“ locker zu machen und wer darf diese in Kärnten verwenden?

Die Sorge im Kärntner Herbst gilt also nicht dem Desaster der ruinösen Landespolitik sondern dem „Image“, das schon in der Haider-Ära zu einer Belastung für Wirtschaft, Tourismus und alle Auslandesbeziehungen geworden ist. Bereits vor 20 Jahren analysierten wir in einem Buch, dass das Land durch Haiders „Erneuerungspolitik“ an den rechten Rand Europas manövriert werde.[1] Dass sich heute dort auch noch eine Reihe anderer Länder befinden, ist kein Trost, sondern ein Erfolg der rechten Populisten europaweit.

Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, wie diese jährlichen Querelen um den 10.Oktober enden: Die Zauberformel, dass das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen ist, obsiegt. Und das Gemeinsame ist, dass jede Gruppe rund um den 10. Oktober genügend politisches Kleingeld hat wechseln können, und dass unter dem Strich auch die Landespolitik gestärkt aus den Querelen hervorgeht. Wie die Erfahrung zeigt, funktioniert dieser Mechanismus selbst dann, wenn das Land leere Kassen hat, weil es von skrupellosen Politikern, Geschäftemachern und Spekulanten in den Konkurs getrieben wurde. Das postulierte „Gemeinsame“ ist in der Folge der dem Steuerzahler aufgenötigte Sparwille.

Im Krisen- und Jubiläumsjahr 2010 (90 Jahre Volksabstimmung) nahmen die Querelen einen besonders bizarren Zug an, musste sich doch die politische Klasse mit einer Gruppe abgeben, die in sich gespalten war und unterschiedliche Öffentlichkeiten bediente: Der Obmann des Dachverbandes „Kärntner Heimatdienst“ (KHD), Josef Feldner, hatte beim Versuch, aus seiner Bedeutungslosigkeit heraus zu kommen, nach einem Rettungsanker gegriffen; und dies in einer Art Torschlusspanik, denn der Erzfeind, das „kommunistische Slowenien“ und seine heimischen Anhänger waren ihm abhanden gekommen. Für den KHD war es folglich überlebenswichtig, sich ein anderes politisches Etikett umzuhängen und eine rhetorische Wende zu vollziehen. Zunächst galt es unter den Kärntner Slowenen Freunde und Kooperationspartner zu gewinnen, die sich speziell in der offenen Ortstafelfrage „dialogbereit“ und „konsensorientiert“ zeigten. Dies gelang unschwer, nachdem die slowenischen Organisationen unter ähnlichen Symptomen litten wie der KHD:

Wenig Mitglieder, kaum Nachwuchskader, schwache Führungsgarnitur, schwindende politische Präsenz, Reduktion der Subventionen, wachsendes Desinteressierte der Öffentlichkeit, allgemeine Politikmüdigkeit usw.

Zusammen mit einer rasch gebildeten „Plattform Kärnten“ bot man sich im Ortstafelspiel als runderneuerter Player an. Die Formation gab sich den Namen „Konsensgruppe“. Ursprünglich war diese Konstruktion ein Nebenprodukt der schwarz-blauen Koalition von Schüssel und Haider. Trotz medialer Unterstützung und erheblichem Werbeaufwand blieb die „Konsensgruppe“ politisch erfolglos und auf unverbindliche Diskussionsrunden verwiesen. Außer persönlichen Freundschaften und einer gemeinsamen Versöhnungsrhetorik hatte die „Konsensgruppe“ zusätzlich dafür gesorgt, dass sich die politischen Verhältnisse in Kärnten weiter verfilzten und verschleierten. Inzwischen ist ihr die Aufstellung neuer zweisprachiger Ortstafeln kein vordringliches Anliegen mehr. Sie will nur mehr durch nicht näher definierte „vertrauensbildende Maßnahmen“ das Klima verbessern und ihre inszenierten „Dialoge“ politisch und finanziell abgegolten haben, z. B. in Form Beteiligung an Verhandlungen und - natürlich - in Form der organisatorischen Einbindung bei den 10. Oktober-Feiern. Dass ihr das Letztere 2010 versagt blieb, ist besonders pikant, denn bis zum Herbst 2008, also bis zum Tod Haiders, agierte die Gruppe im Windschatten des damaligen Landeshauptmannes Haider, der sich mit landesfürstlicher Willkür das Recht vorbehielt, Bundesgesetze und Gerichtsurteile anzuerkennen oder sie zu negieren bzw. zu schmähen.

Wie erinnerlich hatte im Dezember 2001 der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bezüglich der zweisprachigen Ortstafeln ein „minderheitenfreundliches“ Urteil gefällt. Diese Rechtssprechung wurde von der Haider-FPÖ in den folgenden Jahren vehement bekämpft. Die Schüssel-ÖVP wollte dieses Terrain nicht ganz der Kärntner FPÖ überlassen, ging es doch auch darum, die internationale Empörung über das Regierungsprojekt, mit den „Freiheitlichen“ von Jörg Haider eine Koalition zu bilden, zu kalmieren. Also dachte man an eine Arbeitsgruppe, die den permanente Unruheherd in Kärnten, nämlich die Nichterfüllung des Artikels 7 des Österreichischen Staatsvertrags, aus der Welt schaffen oder zumindest ruhig stellen sollte.

Die Kärntner Slowenenorganisationen waren zu dieser Zeit bereits schon so paralysiert und kompromittiert, dass sie weder der Schüssel-Politik und noch dem von Haider angekündigten Rechtsbruch hinsichtlich der Nicht-Umsetzung des VfGH-Urteils einen nennbaren Widerstand entgegen setzten konnten oder wollten. Aber auch die ehemals führenden Sozialdemokarten in der SPÖ Kärntens hatten keine anderen Ideen und Wünsche, als am Verhandlungsprozess beteiligt zu werden – ohne Vorbehalte und ohne Forderungen. Von einer raschen Umsetzung des VfGH-Urteils, d. h. von einem zügigen Aufstellen neuer zweisprachiger Ortstafeln, war in der Folge nicht mehr die Rede. Man wollte nur mehr „sich z’samm’ setzen“ und nett zueinander sein.

Diese Defensive hatte auch noch einen anderen Grund. Die Bundesregierung hatte sich seit dem Jahre 1972 nicht mehr in die Minderheitenangelegenheiten Kärntens eingemischt. Die Erinnerung an den Ortstafelsturm von 1972, der die Exekution eines Bundesgesetzes unmöglich machte, war immer noch ein Fanal, das den Großparteien so tief in den Knochen saß, dass sie das VfGH-Urteil von 2001 nicht als Handlungsanweisung für die Durchsetzung demokratischer Rechte in Kärnten verstanden. So konnte man sich in Wien rasch dahingehend einigen, dass der „Ortstafelkonsens“ zunächst in Kärnten gefunden werden müsse. Schüssel schickte als „Moderator“ seinen politischen Berater, den Historiker Stefan Karner, nach Kärnten. Haider, der in Kärnten ein dicht gewobenes Netzwerk von Freunden, Günstlingen und Abhängigen um sich geschart hatte, wusste um seinen „Platzvorteil“ und hatte nichts dagegen, dass Karner mit den Heimatverbänden und den slowenischen Organisationen Gespräche aufnahm. Diese Toleranz Haiders war kein Wunder, denn er kannte ja das Spiel. Er selbst hatte mit dem „Neuen Dialog“ schon lange vor Schüssels Initiative Slowenenfunktionäre über den Tisch gezogen bzw. sich gefügig gemacht.

Da die „Heimatverbände“ ideologisch und auch als Subventionsnehmer dem Kulturreferenten Haider zutiefst verbunden waren, konnte der Landeshauptmann getrost sein strategisches Doppelspiel in Szene setzen: Der „Heimatdienst“, in dessen Vorstand der ehemalige Haider-Berater Andreas Mölzer als außenpolitischer Verbindungsmann zu den europäischen Rechtsextremisten fungiert, durfte den Slowenenorganisationen in der Ortstafelfrage „Kompromissangebote“ machen. Gleichzeitig gab Haider den „Heimattreuen“ die Garantie ab, dass unter seiner Regentschaft keine neuen Ortstafeln aufgestellt würden. Mehr noch: Er versprach, Kärnten einsprachig zu machen!

Die harte Linie Haiders in der Ortstafelfrage übernahm in der Folge auch seine Anhängerschaft im „Abwehrkämpferbund“, im „Kameradschaftsbund“ und in der „Ulrichsberggemeinschaft“. Es wäre übertrieben, bei den nun aufgetauchten Meinungsverschiedenheiten um die Aufstellung von weiteren zweisprachigen Ortstafeln schon von einem Konflikt zwischen den „heimattreuen“ Organisationen und der „freiheitlichen“ Landesregierung zu sprechen, denn alle Heimatverbände sind unter dem Dach des „Kärntner Heimatdienstes“ versammelt, welcher stets die Agenden rund um den 10. Oktober zur Zufriedenheit der Landesregierung besorgte. Durch diese Übereinstimmung war auch gewährleistet, dass der 10. Oktober den unvergleichlich Charakter des „braunen Herbstes“ behielt.

Unter Karners Regie (im Vordergrund) und unter Haiders Steuerung (im Hintergrund) gelang es, den Eindruck von lösungsorientierten Aktivitäten zu vermitteln. Damit wurde ein bewährter mehrfacher Schachzug gesetzt: Die Wiener Bundesregierung begab sich auf die Zuschauerbank und betrachtete gelassen, wie in Kärnten legitime Rechtsansprüche der Minderheit und damit die Verfassung, die Demokratie und der Rechtsstaat zu einem Diskussionsgegenstand von demokratisch nicht legitimierten Vereinen und selbst ernannten Heimatfunktionären und Slowenenvertretern wurden. Slowenenvertreter, die schon zuvor mit Haider den „Konsens“ mit einem freundschaftlichen „Handschlagfinale“ besiegelt hatten, konnten sich jetzt vertrauensvoll der Vorfeldorganisation „Heimatdienst“ und seinem Obmann Josef Feldner zuwenden. Alle Probleme schienen gelöst, der Unruheherd beseitigt. Daher gab es eigentlich keinen Grund mehr, den Jubel über den gelungenen Schachzug der beiden Parteiführer und „begnadeten Politstrategen“ Schüssel und Haider (so die „Kleine Zeitung“ am 5.9.2010) noch länger zurückzuhalten. Der KHD-Obmann stellte sein Vorstandsmitglied, den rechtsaußen FPÖ-Mann Andreas Mölzer, als verdienstvollen Ideengeber in die Auslage und trat für seine Wiederwahl ins EU-Parlament ein. Die beiden Slowenenvertreter, ebenfalls mit Preisen geehrte Mitglieder der „Konsensgruppe“, erhoben keinerlei Einwände dagegen, dass der KHD-Obmann, dem sie sich nun auch persönlich und freundschaftlich angenähert hatten, Mölzer als „unseren Anwalt in Brüssel“ bezeichnete. Also war die Bahn frei für die ausufernde Agitation der FPÖ, die sich als „Soziale Heimatpartei“ immer aggressiver in Szene setzte – nun allerdings nicht mehr gegen die slowenische Minderheit sondern generell gegen „die Ausländer“. Der „Konsens“ mit den Slowenen war jetzt nur mehr Mittel zum Zweck, die europäische Fremdenabwehr zu mobilisieren, den Fremdenhass zu schüren, gegen Ausländer zu hetzen, Asylsuchende zu kriminalisieren, um sie auf der Kärntner „Saualm“ zu internieren.

Das alles war schon von Haider erprobt und ideologisch in seinem Netzwerk verankert worden. Demgegenüber kamen der rhetorische Schwenk des KHD-Obmannes und seine Umarmung mit Slowenenvertretern ohnehin etwas verspätet. In Feldners Vorstellung war jedoch der Szenenwechsel mehr ein persönlicher Annäherungsprozess an seine neuen slowenischen Partner als eine politische Notwendigkeit oder gar eine Neuorientierung. Der Trend war ja ohnehin schon längst vorgegeben. Der Wandel von der imaginären „Slowenisierungsgefahr für Kärnten“ zur ganz Europa bedrohenden „Islamisierungsgefahr“ entsprach durchaus der Logik aller Heimatschützer in aller Herren Länder. Dass dies von den Medien prompt als Geste der „Versöhnung mit der slowenischen Minderheit“ gewertet wurde, verweist auf das fragmentierte politische Bewusstsein in Kärnten. Dass Andreas Mölzer diese Linie schon viel früher vorgegeben hatte, nämlich schon lange vor dem „Minarettverbot“ und der Tschetschenen-Abschiebung durch Haider, schien kaum jemanden zu stören. Dass Mölzer in Brüssel quasi „an der Quelle“ saß und von daher immer schon früher als seine Kärntner Gesinnungsgenossen wusste, wohin sich der rechte europäische Mainstream bewegte, wurde von den Parteien offenbar als gegeben hingenommen. So ist es kein Wunder, dass auch die Haider-Partei in Kärnten früher oder später mehrheitlich ins Lager der Strache-Mölzer-FPÖ wechselte. Dass diese Fusion so rasch und klaglos zustande kam, war Mölzers Verdienst. Einzige Irritation: Es wurde die Frage gestellt, ob dies wohl in seinem (Haiders) Willen gewesen sei und wer nun eigentlich den Anspruch stellen darf, Haiders Erbe zu sein.

Skurril auch der Streit um das Haider-Erbe in der strittigen Ortstafelfrage. Die Anhänger der „Konsensgruppe“, unterstützt von der „Kleinen Zeitung“, nähren den Mythos „Haider als Minderheitenfreund“: Es entspräche seinem letzten Willen, dass es über die Anzahl der aufzustellenden Ortstafeln zu einem „Konsens“ mit den Kärntner Slowenen kommen möge. Der legitime Nachfolger Haiders und Erbe seiner Landeshauptmannfunktion pocht dagegen darauf, er würde mit seinen Parteifreunden schon zu verhindern wissen, dass Haiders „Nachlass“ verfälscht würde. Also keine weiteren Ortstafeln!

Diese Querelen innerhalb des Haider-Netzwerkes verweisen einmal mehr auf Haiders perfide Strategie, Menschen, Gruppen und Organisationen nachhaltig an sich zu binden, um sie dann gegeneinander auszuspielen oder an der Nase herumzuführen. Da sich auch Schüssel von Haiders Blendwerk einiges erhoffen durfte, z. B. den Absprung von Karl Heinz Grasser zur ÖVP, nimmt es nicht Wunder, dass sich auch die Kärntner Parteifreunde der ÖVP ins Haider-Netzwerk einbinden ließen.

In diesem Netzwerk ist Kärnten tatsächlich „eins“. Und die Querelen zum 10. Oktober 2010 sind lediglich ein Resultat der „freiheitlichen“ Konkurrenz und allgemeinen Verwirrung nach dem Tode Haiders. An und für sich macht es ja keinen Unterschied, ob der „Heimatdienst“ oder der „Abwehrkämpferbund“, die „Konsensgruppe“ oder eine andere „Plattform“ die 10. Oktober-Feiern organisieren. Rhetorisch mag es vielleicht kleine Differenzen in den Ansprachen geben, ideologisch sind sie alle - im edlen Wettstreit um den rechten Patriotismus und um die wahre Heimattreue - dem Haider-Netzwerk verpflichtet.

Eine irgendwie geartete „Opposition“ lässt sich aus den Querelen um den 10. Oktober jedenfalls nicht ableiten. Selbst die gut gemeinten Versuche, eine solche medial zu konstruieren, sind ein typisches Zeichen dafür, dass man den unter der Oberfläche genährten Haider-Mythos und das von Haider geknüpfte Kärntner Netzwerk nicht sehen will. Jenseits der Beschwörungsformel „Ein einig Volk“ gibt es nur noch die ganz gewöhnlichen persönlichen Rivalitäten, Eitelkeiten und Ängste, einmal nicht mehr zu den Profiteuren und Gewinnern des Systems zu gehören. Dass der 10. Oktober dazu nach wie vor als Vehikel und Krücke für die „Kärntner Identität“ dienen muss, ist zwar bedauerlich, aber selbstverschuldet. Der 10. Oktober mit seinen jährlichen Festreden und Aufmärschen wurde von der politischen Klasse zu einer fixen und das System stabilisierenden Komponente gemacht. Daran ändern auch „alternative Feiern“ nichts. Und so wird der längst fällige Ausspruch „Der 10. Oktober - Er ruhe in Frieden“ auch noch die nächsten Jahre ein frommer Wunsch bleiben.

Das Haider-Netzwerk mag durch seine dubiosen finanziellen Machenschaften angeschlagen sein. Propagandistisch konnte das Netzwerk, gerade durch das Vermischen von rechten und linken Positionen – auch darin war Haider ein Meister seines Faches – seine Ideologie und verbreitern und bisher noch jede „Opposition“ vereinnahmen. Dieser Diagnose widersprechen die periodisch auftauchenden Streitereien um die Oberhoheit über den 10. Oktober keineswegs. Fest steht: Der „Heimatdienst“ ist, ebenso wie die „Konsensgruppe“ und die Landespolitik insgesamt, ein Instrument zur Beschleunigung des Rechtsrucks im Land. Dabei ist schon fast unerheblich, dass FPÖ und BZÖ ihren festen Platz im KHD haben, dass ÖVP und SPÖ bei Mitgliedsorganisationen Funktionäre stellen und dass die „Konsensgruppe“ nach außen hin wie eine überparteiliche Vorfeldorganisation agiert. Erheblich ist, dass die Zivilgesellschaft in der Zuschauerposition verharrt und dass der „Mythos Haider“ ungebrochen weiterlebt. Nur so konnte es geschehen, dass sich die Bundesregierung im Pingpong-Spiel um Minderheitenrechte auf die „Kärntner Verhältnisse“ eingelassen hat und dass diese Verhältnisse genau jenes Netzwerk beinhalten, das das „Gemeinsame Kärnten“ wie einen Futtertrog bzw. Selbstbedienungsladen benutzt, der geschätzt wird, so lange es dort etwas zu holen gibt.

Fazit: Demokratie und Rechtsstaat sind in Kärnten kein Thema. Der neue Wein „Dialog und Versöhnung“ mag in dem alten Schlauch „Für Volk und Heimat“ nicht reifen. Ohne Aufarbeitung der NS-belasteten Vergangenheit Kärntens wird auch das hehre Ziel „Kärnten neu denken“ nur Makulatur bleiben. Sicher, auch Makulatur erfüllt einen bescheidenen Anspruch: Man bekämpft sich heute in Kärnten nur mehr mit Worthülsen und Leerformeln und nicht mit scharfer Munition. Das ist aber weder ausreichend für ein „Friedensprojekt“ noch entspricht es einer aufgeklärten Gesellschaft im Herzen Europas.

Gibt’s dazu keine besseren Alternativen? Gegenfrage: Worin sollte sich denn in Kärnten „das Gemeinsame“ zeigen, wenn nicht im Auftreten für die Durchsetzung von Menschenrechten, im mutigen Zurückweisen von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, in der täglichen Zivilcourage bei der Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat?

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Erscheint demnächst auf www.zeitdokument.at

Dazu auch:
r Karnt'n is lei ans? Fragen und Thesen. Das intime Verhältnis von Kärntner/innen und Antikärntner/innen und der Versuch einer Dekonstruktion dieses Beziehungsgeflechts

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Anmerkungen

[1] Fischer, G./Gstettner, P. (Hg.): "Am Kärntner Wesen könnte diese Republik genesen." An den rechten Rand Europas: Jörg Haiders "Erneuerungspolitik". (Drava) Klagenfurt/Celovec 1990 ... zurück zum Text

Reaktionen Auf den Beitrag reagieren

Zerberus, 2010-09-22, Nr. 4957

Die beste Bestandsaufnahme zum 10.Oktober in Kärnten, die ich lesen durfte - RESPEKT !

Fritz Endl, 2010-10-08, Nr. 4964

Danke für diese Dokumentation! Es tut gut zu wissen, dass es Menschen wie dich gibt, die ihren "Kurs der Menschenrechte" über viele Jahre beibehalten.

Reaktionen auf andere Beiträge

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