2005-01-13
Werksbad Bleiberg II
Biisher erschienen:
Werksbad Bleiberg I
Das Expertenkonzept, dem die Vermarktung von Gesundheit, Natur und frischer Luft nebst umfangreicher Unterhaltung zugrunde liegt, scheint so neu nicht zu sein. 1893 veranlasste die geschäftstüchtige Bergwerksbesitzerin Baronin Lang aus Kreuth den Ausbau des unscheinbaren Ortes Mittewald zu einem luxuriösen Kurort. Anstatt in einer Dinosaurierwelt konnte der Kurgast um 1900 im Erlebnispark in Mittewald zwischen Kobolden, Wichten und Waldgeistern lustwandeln. Für die gewünschten Annehmlichkeiten sorgten laut Werbebroschüre bestsortierte Weinkeller, Tafelsilber und elektrisches Licht inmitten “stiller Waldheimat, einer den Weltgeräuschen entrückten Sommerfrische“. Gemäß ihrem innovativen Tourismuskonzept leitete die Gewerkin kurzfristig “das allen Touristen wohlbekannte Gasthaus zum Mohren in Bleiberg“ sowie die Unterkunftshäuser auf dem Dobratsch. Für einen Dobratschausflug standen in Mittewald Pferde und Wägen bereit, welche die Gäste mühelos auf den Gipfel brachten.
Das notwendige Wasser für den Badebetrieb ließ die Baronin von Heiligengeist herunterleiten. Das 1894 erschienene Reisebüchlein „Luft & Höhencurort Mittewald an der Villacher Alp in Kärnten“ beschreibt die Vorzüge der großzügig ausgestatteten Badeanstalt: “Das Trinkwasser kommt aus den Klüften des Triaskalkes und hat lange Wege durchzumachen, weil der Kalk sehr wasserdurchlässig ist. Es kommt daher sehr gut filtriert, von seltener Reinheit und Schmackhaftigkeit zum Vorschein. Was die Badeanstalt anbelangt, so enthält sie Kabinen mit den erforderlichen Kopf- und Seiten-Douchen oder Brausen, mit Hilfe welcher die Gäste in Kneippscher Art ihre irdische Seligkeit anstreben können. Einzelne Porzellanwannen sind in den Boden versenkt, die Friese aus Porzellan, die ganze Ausstattung mit einfacher Eleganz durchgeführt. Es ist in Kärnten derlei nicht mehr vorhanden.“
Im Werbeprospekt des Kurortes werden die vielfältigen medizinisch-therapeutischen Behandlungsmethoden angepriesen: “In unmittelbarer Nähe der Anstalt befindet sich das erwähnte Damen-Sonnenbad und, durch einen Weg abgetrennt, das Herren-Sonnenbad. Diese Badeformen können bei den so überaus häufigen klaren, trockenen Tagen, die dem Klima Mittewalds speziell eigentümlich sind, häufig in Anwendung gezogen werden. Ganz besonders hervorzuheben sind noch die Luftbäder in zwei großen für Herren und Damen gesonderten Luftbadeparks.
Gymnastikkurse, elektrische und Handmassagen, Behandlungen mit Röntgenstrahlen, Diätkuren, Trinkkuren, elektrische Lichtbäder und Wasserkuren konnten ganz im Sinne der aufgeklärten Vorstellung von Gesundheit, Hygiene und Abhärtung des Körpers von den Kurgästen in Anspruch genommen werden. Ausgeschlossen vom Gesundheitsprogramm blieben “Tuberkulose, Geistesgestörte, Epileptiker, an akuten Infektionskrankheiten Leidende sowie Personen mit entstellenden, ekelerregenden Hautkrankheiten.“
Gerade unter den ärmeren Bevölkerungsschichten war die Tuberkulose weit verbreitet. In Bleiberg starben in den Jahren 1861 bis 1875 immerhin 129 Personen an „Lungensucht“ (sicher müssen noch einige Personen von den 38 Verstorbenen dazugezählt werden, deren Todesursache in den Todesprotokollen mit „Zehrfieber“ angegeben wurde). Verantwortlich für die unter den Armen krassierende Volksseuche waren miserable Wohnverhältnisse sowie unzureichende Ernährung. Abgesehen von tuberkulösen Erkrankungen sind die Bergarbeiterfamilien vom Besuch der Kuranstalt in Mittewald aufgrund ihres kargen Einkommens und mangelndem Zeitbudgets ohnehin ausgeschlossen geblieben.
Zu einer Zeit, als das Bad noch nicht zum fixen Bestandteil allgemeinen Wohnkomforts zählte, war die Einrichtung von Werksbädern von großer Bedeutung. 1888 entschloss sich die BBU die sanitären Verhältnisse in ihrem Betrieb zu verbessern und beabsichtigte in Kreuth ein Arbeiterbad einzurichten. Weniger besorgt schien die Werksleitung über die hygienischen Zustände der in ihrem Besitz befindlichen Miniumfabrik in der Fellach zu sein.
Die Arbeit in dieser Fabrik war extrem gesundheitsschädlich. Bleivergiftungen, Koliken und teilweise Lähmungen wurden vom Gewerbeinspektor als typische Krankheitsbilder geschildert. Der sozialdemokratische „Volkswille“ beschrieb die Arbeitsbedingungen in der als „Gifthütte“ verschrienen Miniumfabrik als besonders schlimm, worunter die ganze Belegschaft zu leiden hatte. Trotz der Giftigkeit des Miniumstaubes gab die Betriebsleitung an die Werksangehörigen keine Arbeitskleidung aus: “Da sich im Orte nicht mehr genug Leute finden, die sich ruinieren wollen, sucht man jetzt meist Arbeitslose, die sich auf Wanderschaft befinden, heranzuziehen, die aber die Arbeit größtenteils nach kurzer Zeit wieder ruiniert verlassen.“
Weiters berichtete der Volkswille 1902 über die „Giftfabrik“, dass dort das Baden und die Ausgabe von Arbeitskleidung ganz abgekommen seien. Zehn Jahre zuvor lobte der Gewerbeinspektor „die außergewöhnlich zweckmäßig und schön“ gebauten Arbeiterwohnstätten bei der Miniumfabrik in der Oberen Fellach. Neben den hohen, hellen Zimmern, in denen jeweils fünf Mann untergebracht sind, befürwortete der Gewerbeinspektor 1891 die Kasernierung der Arbeiter. Bei einem derart gesundheitsschädlichen Betrieb bedurfte es seiner Meinung nach der Beaufsichtigung des Arbeiters “puncto Wohnen, Waschen und Baden.“ Wohlwollend stellte er weiters fest: “Die Kasernierten erhalten nicht nur die für den Fabriksbetrieb unentbehrlichen Mundtücher gratis zur Verfügung gestellt, sondern auch Hemden, Hosen und Blousen. Besonders sind die vorhandenen Waschzimmer, ein Wannen- sowie ein Brausebad hervorzuheben. Die erforderlichen Handtücher, Seife und dergleichen werden von der Fabrik gratis beigestellt.“
Weniger optimistisch zeigte sich der „Volkswille“, dessen Sozialreportagen immer wieder Einblicke in die Arbeitsverhältnisse und Lebensumstände der Arbeiter gewährten. 1901 waren in der Oberen und Unteren Fellach einige Todesopfer infolge Typhuserkrankungen zu beklagen. Der „Volkswille“ machte dafür neben den elenden Wohnverhältnissen das unter anderem durch die Miniumfabrik verseuchte Trinkwasser verantwortlich: “Der Bach wird schon bei der Quelle durch chronische Verunreinigungen der Miniumfabrik vergiftet.“