2004-10-20
Manifest der glücklichen Arbeitslosen - Teil IV
...und was machen Sie so im Leben?
Bisher erschienen:
Manifest - Teil I
Manifest - Teil II
Manifest - Teil IÍI
Die jüngsten konservativen Auswüchse lauten, die Arbeitslosen seien von Vater Staat abhängig, sie lägen ihm auf der Tasche, seien dadurch unfähig, auf eigenen Füßen zu stehen, und so weiter und so fort. Nun, soweit wir wissen, existiert der Staat immer noch, und kassiert auch Steuern ein. Deshalb sehen wir keinen Grund, weshalb wir auf seine Unterstützung verzichten sollten.
Aber staatsfixiert sind wir nicht. Unseretwegen mag das Einkommen der Glücklichen Arbeitslosigkeit sehr wohl vom privaten Sektor finanziert werden, sei es durch Sponsoring, Adoption, extra Kapitalertragssteuer oder Erpressung. Wir sind nicht wählerisch.
Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, dann liegt das auch daran, dass der einzige gesellschaftliche Wert, den er kennt, die Arbeit ist. Er hat nichts mehr zu tun, er langweilt sich, er hat keine Kontakte mehr, da ja die Arbeit oft auch einzige Kontaktmöglichkeit ist, das gleiche gilt übrigens auch für Rentner. Der Grund dieser existentiellen Misere ist natürlich die Arbeit und nicht die Arbeitslosigkeit.
Der Glückliche Arbeitslose weiht neue gesellschaftliche Werte ein, auch wenn er nichts anderes schafft. Er entwickelt die Kontakte mit einem Haufen sympathischer Menschen. Er ist sogar bereit, Resozialisierungskurse für gekündigte Arbeitnehmer zu geben. Immerhin verfügen alle Arbeitslose über eine preiswerte Sache: Zeit. Das könnte ein historisches Glück sein, die Möglichkeit, ein vernünftiges, sinn- und freudvolles Leben zu führen. Man kann unser Ziel als eine Zurückeroberung der Zeit kennzeichnen. Dabei ist der Glückliche Arbeitslose ein aktiver Mensch. Gerade deshalb hat er keine Zeit zu arbeiten.
Es wird uns gesagt, der Glückliche Arbeitslose sei nur arbeitslos im Sinne des heutzutage üblichen Gebrauchs des Wortes "Arbeit", also "Lohnarbeit". Dazu müssen wir ausdrücklich sagen, dass der Glückliche Arbeitslose zwar keine Lohnarbeit sucht, doch sucht er auch keine Sklavenarbeit. Und es gibt, soweit wir wissen, nur zwei Arten von Arbeit: Sklaven- und Lohnarbeit. Gewiss gibt es auch Studenten, Künstler und andere Wichtigtuer, die kein Papier schreiben und keinen Napf lecken können, ohne zu behaupten, sie leisteten eine wichtige "Arbeit".
Nicht nur im heutigen Sinne ist "Arbeit" ein trauriges Wort. Sie ist es immer gewesen: In den romanischen Sprachen ist die Sache eindeutig, da "travail", "trabajo" usw. von dem lateinischen "tripalium", ein dreispitziges Folterinstrument, das gegen die Sklaven angewendet wurde, abgeleitet ist.
Den sittlichen Wert der Arbeit als Beruf des Menschen in der Welt hat Luther ausgeprägt. Zitat: "Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen."
Sobald man von Arbeit oder Arbeitslosigkeit redet, hat man es mit moralischen Kategorien zu tun. Diese Tendenz spitzt sich gegenwärtig zu, man braucht nur eine Zeitung zu lesen, um sich darüber klar zu werden.
"Ein Machtwechsel zwischen zwei Weltanschauungen hat stattgefunden", so ein Sozialexperte in Washington. "Statt Armut als Konsequenz ökonomischer Ursachen zu sehen, dominiert nun jene Denkschule, die Armut als Folge moralischen Fehlverhaltens sieht."
Wie damals auch, als die Priester ihr Seelenmonopol bedroht sahen, ist die Moral nur dazu da, die sich ausweitenden Risse zwischen Weltanschauung und Realität zu flicken. Wer zu einem Arbeitslosen sagt: "Du hast gesündigt", erwartet, dass dieser die Kategorie "Sünde" anerkennt und entweder "ja" oder "nein" sagt. Weinerliche Versuche, das Mitleid dieser Welt zu erregen, erregen höchstens Mitleid. Nur ein erhabenes Lachen kann Moral ernsthaft außer Kraft setzen.