2004-08-09
Edam und Ava - Teil II
Vers 610 bis 645
Ava verzieh, doch sagte sie: das Werk wird schneller vonstatten gehen,
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wenn wir uns trennen jetzt. Damit ließ sie den Gatten stehen.
Die Arbeitsteilung war erfunden, sie ward in allen Landen Sitte,
und ohne sie der Fluss der Arbeit, denk’ ich, am Versanden litte.
Von nun an gab’s die Differenz: hie Männerkraft, da List der Weiber,
besteht ja doch ein Unterschied, ein kleiner, wie ihr wisst, der Leiber.
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Der Edam, er verstand zwar nichts von Weibespein und Weibeslust,
auch nichts von Tod, Geburt, Geheimnissen des Leibes wusst’,
doch weiß darin ja kaum ein Mann Bescheid, weshalb die Weiber lachen,
wenn sie so tun, als müssten Männer über ihre Leiber wachen.
Zwar können Frauen selten schwere Lasten oder Wände heben,
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dafür die schönsten Muster können ihre zarten Hände weben,
an die sie gerne stecken manches Steinchen, manchen Damenring,
von dem die Mannsbilder behaupten, er sei bloß ein Rahmending.
Nichtsdestotrotz stell’n Männer oftmals sich als rechte Gecken dar:
Beim Fahnen schwingen, wenn mit Orden sie die Brust bedecken gar.
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Bierbauch hinein, die Hühnerbrust heraus, und klamm den Arsch heben:
Auf dem Kasernenhof ist’s Leben rau, sein Ton ist harsch eben.
Es ist mir lieber, wenn Frauen ihre Beine in Glitterstrümpfe stecken,
als wenn die Veteranen mir entgegen nackte Stümpfe strecken,
und faseln, dass vorm Feind sie nie im Kriege wichen.
630
Ein Narr, der solchen sagt, sollt’ nochmals in die Wiege kriechen.
Was bringt es, wenn sie stramm, verstummt und herrisch neben
den Fahnen stehen, zum Treueschwur die Finger närrisch heben?
Und das Geprahl’ von Männertreu’ und Tapferkeit fürs Vaterland!
Das Vaterland! Ein Wort, das ich von Mal zu Mal nur desolater fand!
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Der Männer Wissenschaft – abseits von Frauenlust –
bringt manchmal Supergau und meistens lauen Frust.
Um eine Theorie zu stützen, würden sie kaputtschlagen
die ganze Welt. Die Frauen müssten sich dann mit dem Schutt plagen.
Wie der Tiresias und andere, sehr kluge Kenner meinen:
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Die Frau hat viel mehr Spaß, und viele Männer haben keinen.
Mann ist hierarchisch, Frau ist es mitnichten doch.
(Man müsst zu diesem Thema wahrlich vieles dichten noch!)
Der Böcke Masse stets um Führung einen starken Hammel bat,
weil sie vor eigener Entscheidung einen großen Bammel hat.
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Empören wird Frau Ava sich gen Gott, denn sie will spielen.
Befreit uns von totaler Ignoranz: aus Spielwillen.
Sie biss zuerst in den Erkenntnisapfel: Gott so entrissen war
der Denkprimat. Es wär’ im Menschenlande sonst das Wissen rar!
Aus Ludwig Roman Fleischer: „Edam und Ava“, SISYPUS, 2004, 7,- €,
ISBN: 3-901960-24-4