2016-06-12
UNERWÜNSCHTE NEBENWIRKUNGEN
Expose
Das Leben ist voller unerwünschter Nebenwirkungen, und manch ein erfüllter Wunsch erweist sich als Fluch, wie etwa der Reichtum des Königs Midas, der beinahe verhungert, weil alles, was er berührt, zu Gold wird. Auch die Unsterblichkeit des hübschen Jünglings Tithonos wird zum Fluch, denn seine Geliebte Eos – Göttin der Morgenröte – hat vergessen, Zeus auch um die immerwährende Jugend ihres Herzbuben zu bitten.
Den Protagonisten in Fleischers Erzählband ergeht es ähnlich wie diesen klassischen Vorbildern: Die Übersetzerin Molina entdeckt die Vorteile moderner Schreib-, Übersetzungs- und Formulierprogramme. Als sie diese Programme auf die von ihr heiß geliebte Lyrik anwendet, kommt freilich lauter Unsinn heraus. So heißt es in Chaucers Canterbury Tales dann:
Wilhelm wie alte Geschichten tellen sie uns
Gab es eine Ente, die Theseus höhte,
bei „Franz Grillpariah“
Wenn nun ein Affe in das Dicht schaut
Sieht es nach einen Sokrates vergebens
oder in Schillers Kranichen des Ibykus:
Zum Kampf der Wagen und Gebenge
der auf Kosios Landesenge
der Griechen Rübenn froh vereint. (Upgrading)
Ein Antidepressivum macht so glücklich, dass jene, die es einnehmen, überhaupt nichts mehr zustande bringen und aus schierer Zufriedenheit Firmen und Städte zugrunde richten. (Serenil Forte)
Der Beamte Christian Abel hat ein dermaßen ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, dass er an allen Krankheiten laboriert, von denen seine unmittelbare Umgebung befallen ist. Kein Wunder, dass ihn seine Fähigkeit zu Empathie in ein frühes Grab bringt (Abel).
Gott, der Allmächtige hat – von seiner Schöpfung gelangweilt – den Menschen entwickelt und verhängnisvoller Weise mit einem freien Willen versehen:
Und so ist die Geschichte dieses Gezüchts eine Geschichte der Kreuzzüge, der Inquisition, der Scheiterhaufen, der Zwangsbekehrungen, des Mordens, Plünderns und Vergewaltigens aus religiöser Inbrunst, der politischen Besserwisserei, des Rassismus, der Machtgier, der Besitzgier, der sexuellen Gier und der simplen Lust an der Gewalt, alles auf der Grundlage des Überlegenheitswahns der verschiedenen Hammelherden.
In den vordergründig komischen Texten des Autors eröffnen sich manch existenzielle Abgründe.