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2007-09-15

Faschiertes Hirnchen

Zur Werbung in den 60ern

Faschiertes Hirnchen

Denke ich an Werbung, teilt sie sich in zwei Gestalten: in eine kindliche und eine nachkindliche. Die nachkindliche habe ich vergessen und wenn ich sie heute sehe, sehe ich durch sie hindurch. Als Kind jedoch hat mir die Fernsehwerbung gefallen. Die draußen habe ich entweder nicht wahrgenommen, oder sie hat sich einfach nicht im Gedächtnis festgesetzt. Fernsehen war schwarzweiß, erst zur Fußball-WM 74 hielt die Farbe im Elternhaus Einzug. Dennoch sind meine Erinnerungen an die Werbung farbig, bunt wie die Wäsche, wenn sie mit Coral gewaschen war.

Das Fernsehprogramm fing auch erst irgendwann gegen Abend an. Wann die Werbung kam, weiß ich nicht mehr genau, aber sicher nicht als Pause in einem Beitrag, sondern als Lückenfüller dazwischen, selbst immer unterbrochen von den Mainzelmännchen, die mich nicht so richtig interessierten, weil die Kurzepisoden, die sie zum Besten gaben, mir keinen rechten Bezug zu meinem Leben erlaubten. Aber die Werbung.

Kritisches Bewusstsein ihr gegenüber an den Tag gelegt zu haben, kann ich mir nur im Nachhinein einbilden. Es flammte womöglich auf, wenn bei der Palmolive-Werbung die Frau Tilly, die hinter einem Tisch saß, eine hysterische Frau (als solche erscheint sie mir rückblickend) empfing, die offenbar ein Hautproblem hatte vom Spülen (auch das leite ich eher ab, als dass ich mich genau erinnere). Kaum hatte die Hysterikerin Platz genommen, glitt sie mit den Spitzen ihrer rechten Hand unbemerkt in einen kleinen gläsernen Napf, in dem sich Palmolive befand. Frau Tilly muss ihr während des kurzen Gesprächs schnell beizubringen versucht haben, dass es eine Kur für ihr Hautproblem gäbe, das offenbar ihr Hauptproblem war. Auf Äußerung ihres Unglaubens hin legte Tilly alle Überredungskunst in den Satz: "Sie baden gerade ihre Hände drin".

Jawohl, so dachte ich mir damals, wie blöd muss man eigentlich sein, wenn man irgendwo reingeht und einfach seine Fingerspitzen ohne es zu bemerken in irgendeine Lauge steckt? Was sollte der Frauentypus, der da vorgestellt wurde, suggerieren, frage ich mich heute? Die Frau von Welt, die vor all den Aufgaben, die sie zu bewältigen hat, überkandidelte und psychisch in die Knie ging? Die Frau, die es sich leisten konnte, zur Maniküre zu gehen, die aber zugleich im harten Hausfrauenalltag ihren Mann stehen musste, welchem die ehemals weichen Hände zusehends verhärten. "Sie baden gerade ihre Hände drin" wurde jedenfalls zu einem Spruch im Freundeskreis, so dämlich und lustig fanden wir ihn.

Viele Frauen in den 60ern hatten etwas von dieser Händebaderin: alle waren sie etwas aufgedreht, künstlich überspannt. Das war schon an den Haaren zu merken, welche nicht nur die Vornehmen damals gerne wie einen Turban auf dem Kopf zu wahren Meisterwerken drapierten. Mimosenkrone, denn zu berühren hätte ich diese kunstvollen Gebilde nicht gewagt. Die Frauen der 60er wirkten wie die englischen Schauspielerinnen in einem Stück von Oscar Wilde, high-pitched voices, Exaltiertheit, die genau um ihr Gebaren weiß, es aber an den Tag legen muss, weil es zum guten Ton gehört. Sich fragil gebende, wohlgenährte, feine Wohlstandsdamen. So waren auch die Ladies, die abends bei meinen Eltern zum Fondue sich einfanden. Aber auch die Männer taten vornehm, jedenfalls solange sie noch nüchtern waren.

Gegen derangierte Haarpracht half nur eins: Drei-Wetter-Taft, ein Haarspray natürlich. Aber die Werbefrau, die es sprühte, war von anderem Schlag. Die kam nämlich aus dem Flugzeug, gestresst durch Termine in Rom oder Mailand. Und ihr Haar saß immer noch gut oder besser: es bewegte sich vielmehr sehr flexibel und dynamisch im Wind. Die Karrierefrau, die keinen Abwasch nötig hatte. Sie hätte, wenn's nicht öffentlich gewissermaßen verpönt gewesen wäre, auch mit Peter Stuyvesant ein Zigarettchen rauchen und so den Duft der großen weiten Welt atmen können. Denn der smarte Peter ist in meiner Erinnerung Flugkapitän und kein solch lächerliches Zeichentrickmännlein wie der Bruno von HB, der sich über alle möglichen Bagatellen derart aufregte, dass er schier in die Luft ging. Dem war nur durch den Genuss einer HB-Zigarette Abhilfe zu schaffen. Biedermann in action.

Solche Biedermänner waren mir im wahren Leben unbekannt. Die feine Gesellschaft erlaubte sich solche Szenen nicht und die einfachen Leute, die ich bei den Großeltern im Ruhrgebiet oder in Gestalt unserer Putzfrau kennenlernte, waren zu bodenständig, um über Bagatellen zu explodieren. Ja, die einfachen Leute. Sie hatten so viel Herz, jedenfalls sind mir durchweg gute Erinnerungen an sie geblieben. Über ihre politische Einstellung weiß ich zwar nichts zu berichten, obwohl ich frühzeitig für die Figuren der Politik Interesse zeigte, aber ihre unmittelbare Menschlichkeit und die Einfachheit ihrer Lebensführung machten mir großen Eindruck. Sie bildete den Kontrapunkt zum Leben und Gebaren der anderen.

Wo war die Werbung für diese Menschen? War es Ariel, das nicht nur "sauber, sondern rein" wusch? Wahrscheinlich, denn ich empfand die Wohnungen der einfachen Menschen stets als rein, vielleicht weil weniger Nippes in ihnen anzutreffen war oder die Oberflächen in Küche und Wohnzimmer gerade und schmucklos waren, die Teppiche oft fehlten. Oder der Weiße Riese, den ich immer in Zusammenhang mit Kohle brachte (schwarz-weiß): in den 60ern brauchte man an der Ruhr nach dem Putzen der Fensterbank keine Stunde zu warten, um wieder Ruß an den Fingern zu haben, wenn man über sie strich. Für Ariel sprach Klementine, die aussah wie eine Handwerkerin, eine dralle, in einer Art Hosenanzug mit Schürze, der man ihr zupackendes, herzerfrischendes Wesen sofort abzunehmen bereit war. Heute klingt "nicht nur sauber, sondern rein" ziemlich absonderlich, lässt mich an Entnazifizierung, Eugenik oder einen neurotischen Waschtick denken, aber in die damalige Welt muss es wohl gepasst haben.

Und was gab's speziell für Kinder? Ich erinnere mich kaum an Werbung für Süßigkeiten, denn ich sprach dem Süßen nicht sonderlich zu, außer an den Mohr von Sarotti. Der war süß und wäre heute wahrscheinlich nicht mehr politisch korrekt. Bisschen Zahnpflege mit erzieherischem Unterton: "Mami, Mami, er hat überhaupt nicht gebohrt" rief das Kind und flog seiner Mutter direkt vom Sprechzimmer aus in die Arme. Komisch, meine Mutter war immer mit drinnen, um mir die Hand zu halten. Sonst fällt mir keine Kinderwerbung ein. Das wird wohl daran liegen, dass sie mich weniger interessierte.

Dass die Werbung der Zeit ein eigentümliches Männerbild zeichnete, war mir nicht bewusst, aber den einzelnen Männergestalten begegnete ich schon mit Aufmerksamkeit. Den Kerl, der meilenweit für eine Camel-Filter ging, konnte ich nicht leiden. Der Marlboro-Cowboy war mir zu einsam, das HB-Männchen zu jähzornig, Peter Stuyvesant duftete zu sehr nach der großen weiten Welt. Die Raucherwerbung richtete sich aber nun auch nicht an meine Zielgruppe. Wenn es jedenfalls danach gegangen wäre, wie ich als Kind auf sie reagierte, hätte ich wohl niemals zum Glimmstengel greifen dürfen. Die eher dümmlichen Raucher mit Ausnahme von Peter, hatten ein starkes, militärisches Gegengewicht im General ("denn nur wo's richtig sauber ist, kann's richtig glänzen"), der durch Marschmusik eine grüngekleidete Frau zum zackigen Putzen bewog, und vor allem durch Meister Proper, den amerikanischen Saubermann, der so sauber putzte, dass man sich drin spiegeln konnte.

Bleibt noch die einzige Reminiszenz an Werbung nachzutragen, die aus der Spießbürger- und Biedermenschwelt herauszuragen schien: Afri Cola. Ein blumenbekränztes Hippymädchen tanzt vor der Kamera als sei es auf Drogen. Dazu eine Musik, die man als pseudopsychedelisch bezeichnen könnte. Und eine gewollt cool wirkende männliche Stimme aus dem Off sagt sein Sprüchlein auf, was alles in Afri Cola sei, nämlich sexy-mini-super-flower-pop-op-Cola, all das, was auch immer das vorstellen sollte, sei darinnen. Diese Werbung kam offenbar richtig gut an. Ich mochte sie auch, vielleicht wegen der Farbe, die sie in den ausgehenden 60er Jahren versprach. Und die Nonnen waren ja auch schon eine wahre Augenweide, von wegen Schwarz-Weiß-Kontrast.

Werbung damals! War sie so durchsichtig, weil die Menschen so naiv waren, oder stand sie zu ihrer Durchsichtigkeit, weil sie sich des Kunstgriffs noch schämte, den es bedeutet hätte, die Message im Subtext und nicht ganz offenbarend herüberzubringen? Ich weiß es nicht. Es will mir lediglich scheinen, als hätte es damals schon eines faschierten oder kindlichen Hirns bedürft, um diese unbedarfte Werbung ernst zu nehmen.

Aber heute sind wir natürlich schlauer oder bilden es uns wenigstens erfolgreich ein. Vielleicht erlebe ich es ja noch, dass eins meiner Kinder in 20 Jahren berichten kann, wie die Werbung von heute aus dem Blick von morgen auf sie gestern gewirkt hat.

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