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Ulrich Duchrow

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2004-05-13

Der Gott der EU-Verfassung (Teil IV)

Immanente Politikbereiche II

Bisher erschienen:
Der Gott der EU-Verfassung (Teil I)
Der Gott der EU-Verfassung (Teil II)
Der Gott der EU-Verfassung (Teil III)

Wichtige Links zum Thema:
EU Verfassungsentwurf deutsch (PDF)
Portal gegen den neoliberalen und militaristischen EU-Verfassungsentwurf

 

Ulrich Duchrow lehrt an der Uiniversität Heidelberg. Er ist einer der Gründer der Initiative KAIROS Europa.

Umwandlung der EU in eine Militärmacht

Zu 1: Die angeführten Grundsätze sind insgesamt zu begrüßen. Sie reichen von Demokratie über Menschrechte und Solidarität bis zur Anerkennung des Völkerrechts gemäß den Grundsätzen der UN-Charta. Auch gegen die Ziele wie die Förderung von Sicherheit, Demokratie, Völkerrecht, Frieden usw. lässt sich nichts einwenden. Ausdrücklich heißt es dann unter Ziel d): "die nachhaltige Entwicklung in Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt in den Entwicklungsländern zu fördern mit dem vorrangigen Ziel, die Armut zu beseitigen" (III.193.2).

Wie aber verhält sich dazu Ziel e): „die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft zu fördern, unter anderem auch durch den allmählichen Abbau von Beschränkungen des internationalen Handels"? Was, wenn die Ziele d) und e) in Widerspruch zueinander treten? Und was bedeutet in diesem Zusammenhang Ziel h), "eine Weltordnung zu fördern, die auf einer verstärkten multilateralen Zusammenarbeit und einer verantwortungsvollen Weltordnungspolitik beruht"? Analysieren wir zur Beantwortung dieser Fragen die einzelnen Politikbereiche.

Zu 2: Gleich Abschnitt 1, Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt einen ersten Hinweis. Schon in Teil I hieß es unter Zuständigkeiten der Union: "Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen" (Art. I.40).

Im Klartext: Die Verfassung soll einen Aufruf an die Mitgliedsstaaten zur permanenten Aufrüstung enthalten und gemeinsam soll ein Amt für Aufrüstung geschaffen werden, obwohl unter dessen Aufgaben auch Abrüstung genannt wird. Wozu soll die Umwandlung der EU in eine Militärmacht dienen? Dazu heißt es in Art. III.210.1: "Die in Art. I.40.1 vorgesehenen Missionen, bei deren Durchführung die Union auf zivile und militärische Mittel zurückgreifen kann, umfassen gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Mit allen diesen Missionen kann zur Be-kämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus".

Die EU soll also per Verfassung in eine weltweit operierende militärische Interventionsmacht umgewan-delt werden. Was das bedeutet, kann man unschwer an den Strategieentwicklungen und faktischen Kriegen des vergangenen Jahrzehnts ablesen. Die NATO hat sich bereits das Recht der Selbstmandatierung genommen. Auch Angriffskriege wie gegen das ehemalige Jugoslawien und Afghanistan wären nun in Europa verfassungsmäßig legitimiert. So wird man sich wahrscheinlich auch bald der Präventivkriegsstrategie der USA anschließen.

Entwicklungspolitik, die Armut schafft

Damit wird das deutsche Grundgesetz endgültig ausgehebelt. Es erlaubt nur Verteidigungskriege und enthält das Friedensgebot. Freilich hat es sich die deutsche Öffentlichkeit seit den neuen Richtlinien des Verteidigungsmini-steriums im Jahr 1992 gefallen lassen, auch die weltweite Sicherung der eigenen wirtschaftlichen Interessen und die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels" als Legitimation für militärisches Eingreifen zuzulassen. Aber mit der EU-Verfassung erhielte das Brechen des Grundgesetzes nachträglich und für alle voraussehbare Zukunft seine volle Rechtfertigung.

Bei Kapitel 3, Gemeinsame Handelspolitik, überrascht es kaum, dass noch einmal ein umfassendes Bekenntnis zur Liberalisierung abgelegt wird: "Durch die Schaffung einer Zollunion zwischen den Mitgliedsstaaten beab-sichtigt die Union, im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitio-nen sowie zum Abbau der Zoll- und anderer Schranken beizutragen" (III.216). Im Artikel III.217 werden dann ausdrücklich Dienstleistungen, inklusive der kulturellen und audiovisuellen, eingeschlossen.

Wie kommt in dem allen die in Kapitel 4 nur sehr kurz behandelte "Entwicklungszusammenarbeit" zu stehen? Zwar wird hier als Hauptziel "die Bekämpfung und auf längere Sicht die Beseitigung der Armut" festgestellt (III.218). Die Erreichung dieses Hauptziels kann aber nur scheitern, wenn man die zwei fundamentalen Wider-sprüche ins Auge fasst, die ihm im Rahmen dieser Verfassung entgegenstehen. Der erste besteht in der über-ragenden, die ganze Verfassung durchziehenden Priorität der Liberalisierung. Denn die Entwicklung von schwächeren Ländern im Rahmen der Weltwirtschaft kann nur mit Hilfe von Schutzmaßnahmen der eigenen Wirtschaft gelingen. Das ist eine Binsenweisheit, die in der Geschichte des Kapitalismus hundertfach belegt werden kann. Der zweite Widerspruch besteht darin, dass die Entwicklungszusammenarbeit im gleichen Artikel III.218 aus-drücklich an die Politik der zuständigen internationalen Organisationen gebunden wird, d.h. u.a. an IWF, Weltbank und WTO. Auch hier ist empirisch feststellbar, dass deren Politik Armut schafft, statt sie zu beseitigen.

Rückfall hinter das deutsche Grundgesetz

Wirft man zum Schluss noch einen Blick auf die Artikel zur Arbeitsweise der Union (III.232ff.), so stellt man zwar eine vorsichtige Aufwertung des Europäischen Parlaments fest, aber von einer eindeutig demokratisch-parlamentarischen Ordnung kann im Verfassungsentwurf keine Rede sein. Weder darf das Parlament den Kommissionspräsidenten wählen, noch hat es das Recht zu eigenen Gesetzesinitiativen. Die Verfassung besiegelt auf absehbare Zeit das massive Demokratiedefizit der Europäischen Union.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Verfassungsentwurf auf keine Weise dem Standard des deut-schen Grundgesetzes entspricht. Weder ist die Sozialpflichtigkeit des Eigentums ausdrücklich erwähnt, noch das Sozialstaatsgebot, noch die Beschränkung des Militärs auf Verteidigung, noch das Friedensgebot, um nur einige entscheidende Punkte zu nennen. Auf seiner Basis hätte man eine europäische Verfassung entwickeln können, die - angesichts der immer völkerrechtswidriger und unverantwortlicher handelnden US-Regierungen und ange-sichts der Übermacht der Finanzmärkte über demokratisch gewählte Regierungen (nach dem früheren Präsiden-ten der Bundesbank, Tietmeyer, sollen die Finanzmärkte als Fünfte Gewalt die Regierungen kontrollieren) - die Vision eines Europa der sozialen und internationalen Gerechtigkeit, des Friedens und der Nachhaltigkeit in Rechtsformen fasst. Konkrete Vorschläge in dieser Richtung lagen dem Konvent vor[4].

Welcher Gott wird stattdessen in dem Entwurf der EU-Verfassung angebetet, welcher Gott soll uns in Zukunft regieren? Es ist der Gott der Neoliberalen. Es ist der Gott der Konzerne, der Gott der militärischen Stärke zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Es ist der Gott der Starken im absoluten Wettbewerb. Es ist nicht der Gott, für den das Leben aller Menschen und darum das Leben der Armen zuerst wichtig ist. Es ist nicht der Gott des Friedens auf der Basis der Gerechtigkeit. Es ist nicht der Gott, der die Schöpfung liebt und sie darum in all ihrer Vielfalt und Schönheit erhalten will.

Im Gegenteil: Wie es im Klartext eines der Väter des Neoliberalismus, Friedrich von Hayek, heißt, können Men-schen, die nicht den Kriterien des Eigentums und Vertrags als Grundelementen des konkurrenzgesteuerten Markts (zur Kapitalakkumulation) genügen, geopfert werden: "Eine freie (Markt-)Gesellschaft benötigt moralische Regeln, die sich letztendlich darauf zusammenfassen lassen, dass sie Leben erhalten: nicht die Erhaltung aller Leben, weil es notwendig sein kann, individuelles Leben zu opfern, um eine größere Zahl von anderen Leben zu erhalten. Deshalb sind die einzig wirklichen moralischen Regeln diejenigen, die zum 'Lebenskalkül' führen: das Privateigentum und der Vertrag."[5] Genau dies aber tut die EU-Verfassung, sie opfert die Menschen dem Götzen der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, deren zentrales Ziel die Vermehrung des Ei-gentums der Kapitaleigner ist.

Götze Marktwirtschaft

Um diese Gottesfrage hätten sich die europäischen Kirchen kümmern sollen. Dabei hätte ihnen der ökumenische Prozess zu den Fragen der Globalisierung helfen können. In dem Brief an die Kirchen in Westeuropa von 2002 in diesem Zusammenhang heißt es: "Kirchen, die an dem ökumenischen Prozess ... teilgenommen haben, bekräf-tigten, dass die Ideologie des Neoliberalismus unvereinbar ist mit der Vision der oikoumene, der Einheit der Kirche und der ganzen bewohnten Erde. Weitreichende und wachsende Ungerechtigkeit, Ausschluss und Zerstörung sind der Gegensatz zum Teilen und zur Solidarität, die unabdingbar dazugehören, wenn wir Leib Christi sein wollen. Was hier auf dem Spiel steht, ist die Qualität kirchlicher Gemeinschaft, die Zukunft des Gemeinwohls der Gesellschaft sowie die Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses der Kirchen und ihrer Verkündigung Got-tes, der mit den Armen und für die Armen da ist. Um der Integrität ihrer Gemeinschaft und ihres Zeugnisses willen, sind Kirchen aufgerufen, gegen die neoliberale Wirtschaftslehre und –praxis aufzutreten und Gott zu folgen."[6]

Praktisch würde das für die Kirchen heißen, gemeinsam mit Attac und dem Europäischen Sozialforum zu fordern, dass der vorliegende neoliberale EU-Verfassungsentwurf einer Volksabstimmung unterworfen wird, und dann dafür zu arbeiten, dass eine Mehrheit mit Nein dagegen stimmt.

In der allerletzten Version des EU-Verfassungsvertrages wurde zwar nichts inhaltlich geändert, aber die Inhalte wurden neu durchnummeriert. Diese neue Nummerierung ist zu finden unter Eine kurze Zusammenfassung der Hämmer des EU-Verfassungsvertrages

[4] Vgl. die vorzüglichen Eingaben der Europaabgeordneten Sylvia-Yvonne Kaufmann im Europäischen Konvent, "Ein Ver-fassungsvertrag für ein soziales Europa" (Conv 190/1/02 Rev.1, 15.07.2002) und "Anforderungen an den Verfassungsvertrag für eine friedensfähige Europäische Union" (Conv 681/03, Contrib 303, 19.05.2003).
[5] In einem Interview im Mercurio, Santiago de Chile, vom 19.4.81. Vgl. Duchrow/Hinkelammert, aaO.
[6] Vgl. epd-Dokumentation 43a/2002, S. 9.
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