2004-02-27
Amo Trieste - III
Der Weg zum Hafen war leicht zu finden. In beschwingtem Schritt ging er die Straße hinunter. In einem Park hielt er inne, setzte sich auf eine dieser Parkbänke und lauschte dem Wind, der vom Meer in die Bäume strömte. Das leichte Schwingen der mächtigen Baumkronen ließ einen heftigeren Wind erahnen. Die Arme nach beiden Seiten über die Lehne gelegt, lehnte er sich zurück und stieg Kraft seiner Gedanken mit dem Wind hinauf in die mächtigen Bäume um von dort aus einen letzten Blick in den Hafen zu tun. Es war im heute nicht mehr danach bis ans Meer zu gehen, vielmehr hatte er im Laufe des Tages einige kleine Trattorie ausgemacht in denen er zu Abend essen wollte. Behutsam verließ er die Baumkronen um noch ein wenig die geliehene Geborgenheit der Parkbank zu spüren. Seine Augen durchdrangen das Dämmergrau der Parkanlage nur mühsam. Sooft er sich auch mühte Konturen wahrzunehmen, war es ihm unmöglich diesem Verlangen nachzukommen. Seine Augen störten ihn in ihrer Suche nach Greif- Begreifbarem. Abermals schloß er sie mit sanftem Druck der Finger. Da war es wieder, jenes fröhlichtraurige Lächeln der Frauenstimme die ihm geholfen hatte tief in die Stadt einzudringen. Er versuchte das Gesicht wieder zu sehen, was ihm nicht und nicht gelingen wollte. Sein Blick suchte die Stimme deren Ursprung so nahe zu sein schien. Das Lächeln war ihm wie in den Nacken gehaucht, obgleich es nicht von hinten zu kommen schien. Tiefer sank er in den Traum bis ihm wahr, als säße gegenüber, ebenfalls auf einer Parkbank, eine Frau. Erst verbot er sich genauer hinzusehen, doch die Neugierde überwog dieses, letztlich unsinnige Verlangen. Mit Freude und Schreck erkannte er das Gesicht, erkannte er den feingliedrigen Körper, dessen Alter er abermals auf Mitte Vierzig zu schätzen in der Lage war. Vielleicht war es ihm auch möglich sich seiner Sache so sicher zu sein, da er in demselben Alter war.
In dem Versuch zur gegenüberliegenden Parkbank zu gelangen öffnete er seine Augen und mußte zu seiner Trauer feststellen, die Frau dort nicht mehr zu sehen. Verwirrt ließ er seinem Körper noch ein wenig Ruhe, bis er sich auf den Weg machte um eine Trattoria ausfindig zu machen. Als er eine der zahlreichen, zum Hafen führenden Straßen überquerte konnte er zur Mole sehen. Die Spaziergänger waren spärlicher geworden, die Autos greller und lauter aber das Licht der wunderschönen Lampen floß in ruhiger Beständigkeit ins Meer. "Hier also" so kam es ihm in den Sinn "hier in diesen unzähligen Städten am Meer fließt jenes Licht von dem Seeleute zu berichten wissen, es schon des öfteren als Irrlicht in den unendlichen Weiten der Wasserwüste gesehen zu haben." "Vielleicht ist es auch das Licht, dessen Kulmination in den prachtvollen Nordlichtern zur ungeahnten Schönheit wird." Schon wollte er nach rechts einbiegen, als ihm der Stein an der Mole aufgefallen war. Sein Glanz schien stärker geworden, der Unterschied zu den umgebenden Steinen größer. Vergessen war die Trattoria, vergessen der Hunger. Magisch zog ihn der Stein in seinen Bann. Die Autos mußten heftig bremsen da er die Straße in eiligem Schritt überquerte. Spaziergänger wichen ihm erschreckt aus und als er den Stein erreichte war es ihm, als läge hier der Sinn seiner Reise in die morbide Hafenstadt. Ungläubig betrachtete er den Stein und erschrak über die sorglosen Schritte der Fußgänger die sich auf den Stein preßten, als wäre es einfach nur ein Stein. Im Versuch den Stein zu schützen, stellte er sich mit gegrätschten Beinen über den Stein um ein nochmaliges sorgloses Betreten zu verhindern. Verwundert belächelten ihn die Fußgänger, nahmen jedoch im Allgemeinen kaum Notiz von ihm. Die Kraft des Steines zwang in zu Boden, bis er sich schließlich hinsetzte, die Füße über dem Meer. Der Wind war in die dunklen Weiten des Wassers zurückgekehrt. Eine leichte Dünung erreichte seine Schuhe, so er die Füße dem Wasser entgegenstreckte. Draußen konnte er die Lichter der Schiffe sehen, hinter sich die Fußgänger, die Autos gerieten ihm in Vergessenheit. Eine stille Musik umspielte sein Ohr. Das Plätschern der kleinen Wellen war gleichsam Taktstock und Orchester zugleich.