2003-10-24
Der Schmetterling im Schnee
Der Schmetterling im Schnee
Der Geist noch beeinflusst vom Gesäusel der Nacht und dem kaum übelmachenden Wein, denk ich darüber nach, ob ich mich in Katzenjammerstimmung verkriechen soll, oder ob es nicht sinnvoller wäre die physiologischen Nachwehen der 2.Kärnöl Biennale auf einer schönen Strecke zu verlieren.
Die Entscheidung fiel aufs "Verlieren.".......
Der Schnee hat eine sanfte Dünung wie Wüstensand, ist aber so hart, dass die Spuren die man darauf hinterlässt nur zu erahnen sind. Die ruhigen Bewegungen entnebeln Sinne und Sünden der Nacht. Man sieht alles noch einmal klar, was man schon klar glaubte. Die Wanderroute ist gut gewählt: Keine tiefen Abgründe die sich auftun, in die man ansonsten runterkotzen müsste.... Nach jedem Betrunkensein die "neue" Erkenntnis, das Alkohol die Antithese zur Horizonterweiterung ist. Ich kenne Leute, die sich nach jedem Rausch bei ihrer Mitwelt erkundigen ob sie nicht beleidigend gewesen wären. Meine Gewissensbisse - merke ich gerade, nagen auch. Nichts was an diesem Abend nicht gefallen hat, verdient ein hartes Urteil. Auch Meditationsliteratur kann schöne Seiten haben, eine Wanderung sein, oder einlullen. Und überhaupt, war das DER Abend für alle Östereicherinen und Östereicher (und natürlich Kernterinen und Kerntner).
Beim Gehen über die großflächigen Schneefelder sehe ich einen Schmetterling tanzen. Seine Farbe hebt sich nur unwesentlich von jener der Schneefläche ab. Ich teile mit ihm die Freude über die Sonnenstrahlen, denke mir aber, es ist sein letzter Tag - die Nacht wird er nicht überstehen.... Da ich die Renitenz hochalpiner Populationen zuwenig kenne, beschließe ich, ihn NICHT von "seinen Leiden" zu erlösen.
Die aperen Flächen sind mit Blumen aus Raureif bedeckt und sind nicht minder wirklich als die Blumen des Frühlings. Die scharfen Kontraste des Herbstlichtes - goldglühende und reifbedeckte Lärchen brennen sich in die Sinne. Das Versagen biologischer Funktionalität (erlahmen der Photosynthese) - Seneszenz - das Sterben, warum empfinden wir das so ästhetisch?
Je näher ich dem Ziel meiner Wanderung komme, desto kälter wird es - trotz strahlendem Sonnenschein. Ich bin stolz: Kärnöl liegt SICHER noch im Öl und das 2000 m UNTER mir. Die Kälte treibt mich in den Winterraum der Hütte, aber auch dort ist es nicht gemütlich. Immerhin ist es hier windstill. Zum anheizen des Ofens bin ich zu faul und verhalte mich also ökologisch. Das ebenfalls eiskalt gewordene "Gipfelbier" als Belohnung mitgeschleppt, will nicht richtig schmecken. Ich wünschte, ich hätte jetzt ein halbes Glas aus meiner Stammkneipe - zum Mischen - dann wäre die Temperatur erträglich...viel besser wäre noch ein Tee. Die Jause: Ein übriggebliebener Gummiadler made by INTERSPAR und einen Munk'n Aktionswecken von BILLA . Buena Appetito!!
Abstieg wie Aufstieg .
Übrigens, ich habe einen Stein gefunden - einen Karneol - das ist ein fleischroter kieselsaurer Schmuckstein. Legastheniker könnten ihn wegen seiner Schreibweise leicht verwechseln....
PS: Das Gerüst für diesen Beitrag ist eine unmittelbare Nachgeburt der Biennale Nacht - ich wollte ihn nicht verwerfen -die "Meditationswanderung" am Sonntag ist kein Schmäh und hat gut getan....