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Walther Schütz

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2003-09-01

Turbobooster in’s Elend

Über die zu erwartenden Wirkungen
der Zerschlagung des öffentlichen Pensionssystems

Nach einer der heftigsten politischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre ist es um die 'Pensionsreform' etwas ruhiger geworden: Diese Beruhigung der Diskussion ist indes nicht angebracht. Denn wie im folgenden gezeigt werden soll, sind von dieser und den kommenden 'Reformen' (die ja bereits vom Pensions'experten' Tomandl angekündigt wurden!!!) Übles zu erwarten: Die 'Pensionsreform' wird

  1. in sozialer Hinsicht enorme negative Auswirkungen haben und sie wird
  2. sogar in einem globalen Maßstab zu einer Verschärfung der Ungleichgewichte beitragen!

Im folgenden werde ich diese zu erwartenden Wirkungen beschreiben, doch zunächst ein paar Vorbemerkungen. Bereits im Frühjahr erschien auf www.kaernoel.at ein Beitrag von mir, in dem ich nachzuweisen versuchte, dass von einer Unfinanzierbarkeit der Pensionen nicht die Rede sein kann. Der seinerzeitige Beitrag ist in der Rubrik 'Gesellschaft' nachzulesen, hier nur kurz das zentrale Argument

GegnerInnen der Folgen dieses Abbaus des Umlageverfahrens kritisieren oft im Detail die konkreten Schritte und die Vorgangsweise (Motto: „Reformieren statt abkassieren“), sind sich aber über eine angebliche grundsätzliche Notwendigkeit der „Reform“ einig. Demgegenüber zeigt ein grundsätzlicher Blick auf das Verhältnis von potentiellem Wohlstand unserer Gesell-schaft (die Produktivität) zu den „demographischen Fakten“, dass genau diese „Notwendig-keit“ so nicht gegeben ist: Grundlegende Katastrophen einmal außer Acht lassend (Atomkrieg ...) stellt jedeR Werktätige bei einem jährlichen Wachstum der Produktivität von 2% in 50 Jahren pro Stunde um knapp 170% MEHR her als heute. Im Gegensatz dazu ist der Anstieg des Anteils der Alten vergleichsweise gemächlich (die Altersabhängigkeitsrate – das ist das Verhältnis der 20- bis 65jährigen zu den über 65-jährigen) steigt lediglich um ca. 22%! Schlußfolgerung: Wir KÖNNTEN uns das derzeitige Niveau an Pensionen und (Früh-)-PensionistInnen auch weiterhin locker leisten und hätten zusätzlich noch einen ziemlichen Verteilungsspielraum etwa für eine DRASTISCHE Arbeitszeitverkürzung. Woran es mangelt ist die Nutzbarmachung dieses gesellschaftlichen Reichtums, etwa wie bisher über die „Lohn-nebenkosten“, das würde allerdings produktivitätsorientierte Lohnsteigerungen zur Voraus-setzung haben. Vieles spricht aber auch für neue Finanzierungsmodi, z.B. die Wertschöp-fungsabgabe.

Üblicherweise versteht man unter „Reform“ eine Verbesserung von etwas Bestehendem. Seit gut einem Jahrzehnt hat sich eingebürgert, dass bei Änderungen im sozialen Bereich auch dann von einer Reform gesprochen wird, wenn es um Verschlechterungen bis hin zur Zerschlagung geht. Diese beinahe Orwellsche Verdrehung von Begriffen hat viel mit den verschobenen politischen Kräfteverhältnissen zu tun: Die „unteren Schichten“ bzw. deren Interessensvertretungen sind seit den 80er Jahren schrittweise in die Defensive geraten, das Sagen und damit auch das Definieren von Begriffen haben die Kräfte, die durch Besitz von Kapital ohnehin strukturell begünstigt sind.

Ich werde nicht im Detail auf die aktuellen Schnitte im Pensionssystem eingehen, sondern auf den gesamten – nicht nur in Österreich (!) – stattfindenden Prozess des Abbaus des Um-lageverfahrens bei den Pensionen.

These 1

Der Prozess des Abbaus des Umlageverfahrens hat enorme negativen Folgen auf die unteren Schichten bei uns

Als eine direkte Folge ist mit dem Angleichen der de facto Pensionsaltererhöhung eine Erhöhung der Arbeitslosenrate und / oder atypischer Beschäftigungsverhältnisse zu erwar-ten. Entsprechende Konsequenzen zeitigt ja bereits der erste Schritt der Anhebung des An-trittsalters unter Schwarz-Blau I.

Eine zentrale Maßnahme ist die Ausweitung der Berechnungsgrundlage für die Pensions-höhe auf das gesamte Erwerbsleben - und nicht mehr wie bisher auf die besten 15 Jahre. Das ganze nennt sich individuelles Pensionskonto. Damit sind Menschen mit einer Er-werbsbiographie abseits der klassischen Vollerwerbsarbeit überproportional negativ be-troffen – vor allem Frauen, aber auch Langzeitarbeitslose, Menschen mit längeren Krank-heiten, .... Das ist aber nur ein Teil des Problems. Zusätzlich verschärft wird die negative Wirkung durch eine explosionsartigen Zunahme von atypischen Beschäftigungsverhält-nissen - eine bunte Abfolge von Teilzeitarbeit, Scheinselbständigkeit, Arbeitslosigkeit, geringfügigen Beschäftigungen, Umschulungsmaßnahmen ... führen zu sogenannten Patchworkbiographien. Hier wächst – wenn nicht ein massiver politischer Umschwung herbeigeführt wird - eine Generation von Altersarmen heran. Die von der Individualisie-rung der gesellschaftlichen Risiken besonders Betroffenen auf den Aufbau einer privaten Pensionsversicherung zu verweisen kann gerade gegenüber diesen Menschen nur als Zy-nismus bezeichnet werden.

Eine – durchaus beabsichtigte - indirekte Wirkung des Abbaus des Umlagesystems zu-gunsten des Ausbaus von Zweiten und Dritten Säulen ist die Stärkung der Shareholder-Gesinnung: Zum bisherigen Druck von „Chef“ (oft identisch mit dem Eigentümer) und Konkurrenz kommt nun noch der Druck der Aktionäre auf die Belegschaften neu hinzu. Einem Unternehmen, das nicht kurzfristig mit hohen Renditen aufwarten kann, droht der Absturz der Aktienkurse, was es dann zum begehrlichen Objekt „feindlicher“ Übernah-men macht. Die lukrativsten Teile werden herausfiletiert, der Rest des ehemals lästigen Konkurrenten aber ausradiert.

Die Wirkung des share-holder-Modells geht aber über diese unmittelbar betroffenen Be-legschaften hinaus, sie schlägt sich auch auf die übrige Gesellschaft nieder. Die Unter-nehmensberatungsfirma McKinsey brachte es auf den Punkt: “Statt Kraft auf frontale At-tacken zur Deregulierung der Arbeitsmärkte oder auf fragwürdige punktuelle Unterstüt-zung einzelner Wirtschaftszweige zu verschwenden, muß die reformierende Wirkung des Kapitalmarkts entfesselt werden.” 1) Über den Umweg der Privatisierung des Pensions-systems sollen Widerstände gegen die Forderungen des Kapitals ausgehebelt werden. Die Durchsetzung einer shareholder value-Strategie ist über ein Bündnis mit privatversicher-ten ArbeitnehmerInnen viel leichter durchsetzbar. Als homo oeconomicus investiere ich in meine eigene private Lebensplanung. Überlegungen, wie viel vom Produktivitätszu-wachs etwa über steigende Sozialabgaben, über eine Wertschöpfungsabgabe, über eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik (und damit automatisch aliquot mitsteigende “Lohn-neben-kosten”) ... in den Sozialbereich umgelenkt werden sollten, stellen sich somit gar nicht erst. So kann man den UnternehmerInnen die Lohnnebenkosten senken (= den Lohnabhängigen als Gesamtheit ihren Soziallohn teilweise streichen). Als scheinbar allen einsichtige bequeme Begründung dient die Sicherung des eigenen Standortes in einem - selbst mitforcierten - globalen Wettkampf. Hauptbetroffene sind wiederum die sozial Schwächeren, denn diese sind auf einen gut ausgestattete öffentliche Daseinsvorsorge be-sonders angewiesen.

These 2:

Der Abbaus des Umlageverfahrens hat weltweite negative Folgen ieser gesellschaftspolitische Paradigmenwechsel beschränkt sich nicht nur auf Ökonomie und Verteilungsfragen im Norden, sondern hat weltweite Konsequenzen. Wenn eine Vielzahl von Leuten von raschest boomenden Branchen abhängig sind, dann sinkt die Motivation der Regierungen und auch der „Zivilgesellschaft“ im Sinne „nachhaltigen Wirtschaften“ regulie-rend einzugreifen. Sieht man sich die Liste der Bereiche an, von denen das große Geschäft erwartet wird, dann erkennt man den drohenden Zugriff auf sensibelste Bereiche: „Das Spiel an den Börsen kann weitergehen, ... Mit Gesundheit, Biotechnologie oder Wasser ist das Geld zu machen.“2) - schließlich ist davon ja womöglich die eigene Pension abhängig. Und so ist nur konsequent, wenn die EU im Rahmen der GATS-Verhandlungen die Zugriffsmöglichkeit der (europäischen) Wassermultis auf die Wasserversorgung in mehr als 70 Ländern fordert!

Mit der Lissabon-Strategie vom März 2000 formulierten die EU-Staaten das ehrgeizige Ziel, die EU bis 2010 zur "wettbewerbfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Ökonomie der Welt" zu machen. Angestrebt wird ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von drei Prozent. Die Strategie der EU bis 2010 fußt seit damals auf fünf Pfeilern, darunter dem Aus-bau der EU-Finanzmärkte sowie die stärkere Börsennotierung europäischer Unternehmen. Und als fünfte Säule soll die „Modernisierung“ der Sozialsysteme eine nachhaltige Entlastung der öffentlichen Finanzen garantieren. Als ein Kernelement sollen bisher überwiegend öffent-lich organisierte Pensionssysteme durch den Aufbau europaweit agierenden Pensionsfonds „entlastet" werden. 3) in dauerhaftes Wirtschaftswachstum von 3% - und das noch dazu über Standortwettkampf („wettbewerbsfähigsten“) – das ist nichts anderes als eine wirtschaftspolitische Kriegserklä-rung an den Rest der Welt! Und der Abbau des umlagezentrierten, solidarischen Pensionssys-tems stellt dabei mehr als einen „Kollateralschaden“ dar.

Wachstum, Wachstum über alles?

Schon bislang gab es ein Totschlagargument gegen alle KritikerInnen eines endlosen Wirt-schaftswachstums: Die Arbeitsplätze und den sozialen Frieden. Dafür, dass Verteilungsfragen und Fragen nach dem Sinn dieses fordistisches Wachstumsmodells nicht gestellt wurden, be-kamen im Norden bis herauf in die 80er Jahre FAST alle proportional gleich viel vom Zu-wachs des Kuchens. Dies alles auf Kosten der ökologischen Tragfähigkeit, der Nord-Süd-Problematik etc.. Und nun wird dieses Wachstumsmodell u.a. durch neue krampfhaft nach neuen Anlagesphären suchende Pensionsfonds noch einmal zugespitzt. Dies allerdings bei einer Verteilung des gesellschaftlichen Mehrprodukts im Norden, das auf überproportional viel Zuwachs oben, unterproportional geringen Zuwachs unten hinausläuft.

Der Reiz dieser „new economy“ ist, daß sie SCHEINBAR erfolgreich ist. Die Ersten, die mit der Erhöhung des Wettbewerbsdrucks beginnen, können effizienter produzieren UND den relativen Kaufkraftschwund, der durch diese Umverteilung eintritt, abfangen. Sie können ja nun billiger exportieren.

Wenn dieses Modell aber verallgemeinert wird, dann geht sich das Ganze – alle exportieren auf Kosten der anderen – nicht mehr aus. Wie bei einem Kettenbrief gewinnen nur die Ersten. Aber der Rest?

  • BEIGEWUM (ed), Vom Pensionär zum Aktionär. In: Kurswechsel 3/1998
  • Kärntner Woche, Seite X, August 2000
  • Markus Koza, Nur eine Pensions“reform“? In: Die Alternative Mai 2003
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