2003-07-13
Erstkommunion in Bayern
Die Tochter meines Neffen hat Erstkommunion. Die ganze Familie ist aufgeregt. Schon beim
Schreiben der Einladungen geht es hoch her. Nichts ist aufwändig genug, um den "großen" Tag
entsprechend anzukündigen.
Endlich ist der Tag da. Die Großnichte sieht in ihrem Kleidchen aus als ob sie direkt zum
Traualtar gehen würde, mit einem Wort fesch! Schnell noch einmal für kleine Mädchen dann
geht's ab zur Kirche. Dort warten schon viele "Bräute" alle mit einer verzierten,
überdimensionalen Kerze in der Hand, während Erwachsene völlig unauffällig die neue
Digitalkamera den anderen, die natürlich auch so ein Ding haben, präsentieren. Die Buben
sind derart "verkleidet" das man meinen könnte das sind "Jungmönche", alle in weißen Kutten
mit einer Roten Kordel als Gürtel. Es erinnert mich an die Zeremonie, die ich in der
Türkei beobachten konnte, als die heranwachsenden Buben beschnitten wurden. Aber Gott sei
Dank, im erzkonservativen Bayern gibt es so etwas ja nicht. Inzwischen haben sich die Bräute
und die Buben unter dem fast nicht zu hörenden Kommando einer Klosterschwester zu Zweien
aufgestellt. Die kommandierende Klosterschwester schreitet noch einmal die "Formation" ab,
nicht ohne hier und da etwas zu zupfen und die Kerzendochte aufzurichten, bei einer
Erstkommunion müssen alle Dochte doch bergauf stehen!
Als die Messe zu Ende ist und die "Bräute" und die "Mönche" die Kirche verlassen ist die
größte Fotoapparaterevue zu sehen, die ich jemals erlebt habe. Diejenigen, welche mit so
einer neuartigen Kamera "bewaffnet" sind, haben sich viel zu erzählen über Megabyte und was
"sie" gekostet und vor allem was man sich gespart hat. Die Kinder sind in diesem Moment
nicht so wichtig
Vom Kirchplatz wird direkt zum nächstgelegenen Gasthaus gefahren in dem schon Wochen
vorher Plätze reserviert und Essen bestellt wurde. Unseres ist im Nachbardorf. Ein
Landgasthof mit angeschlossener Metzgerei, ein Lokal, das für Feiern aller Art gerne
gebucht wird. Im Nebenraum ist scheinbar eine Feier eines Flüchtlingsvereines mit Musik
zugange. Jedenfalls als das eisgekühlte Salatbuffet zum Verzehr bereitsteht, fängt ein
Saxophon Herz zerreißend in den höchsten Tönen zu wimmern an. Alle Musikstücke die dem
Deutschen Volke gewidmet sind. "Warum ist es am Rhein so schön", der "Westerwald"
natürlich auch die "schöne Burgenländerin".
Inzwischen spielen die Kinder eher etwas laut, so dass eine Unterhaltung nur schwer
zustande kommt. Der Wirt lässt es sich nicht nehmen, angetan mit Metzgerkappe und
Arbeitskittel, selbst den Braten aufzuschneiden und in die ihm gereichten Teller zu legen.
Glücklicherweise ist das Fleisch nicht so kalt wie der Salat aber dafür trocken wie eine
Spanplatte. Zu mir gewandt sagt der Mann: "A megns a bisserl wos fetteres?" und beugt sich
unter den Tisch und zaubert einen ebenso mageren Rollbraten hervor. Ich habe keine Chance
etwas zu sagen und schon habe ich zwei Stücke am Teller. Während ich mich mit der
"Spanplatte" beschäftige, stets bedacht mein Hemd nicht mit der delikaten Maggisoße zu
verzieren, delektieren sich die Kinder an paniertem Schnitzel mit Pommes und Ketchup.
Inzwischen jault das Saxophon wieder auf. Etwas vom Böhmerwald in mit einer ebenso
jaulenden Klarinette, die durch den Transistor gequetscht wird. Die Dekoration ist "von
erlesenem Geschmack", ausgestopfte Füchse neben einem ausgestopften Fasan und als
Highlight an der Stirnseite ein auf alt gemachter, in die Mauer eingelassener Balkon, wie
ihn auch die Fa. Leeb aus der Gnesau nicht besser machen könnte. Dazwischen ganz frische
Blümchen aus Hartplastik in den für Plastik eigenen Farben. Alles in allem sehr dezent und
vor allem rustikal. Dafür ist der Fußboden aus offensichtlich tiefgekühltem Steingut.