2003-06-23
Na das ist aber eine schöne Wirtschaft ....
Zur Rolle von Frauen in der Globalisierung
Sicher einiges wahr ist an dem Spruch: „Männer machen Wirtschaft, Frauen räumen auf!“ Wenn’s so ist, wäre jedenfalls höchste Zeit, diesen Zustand zu ändern. Aber wie? Nicht im Sinne des einfach Mitmachens (bei den Frauen, die „Emanzipation“ so verstehen, sieht man ja, was herauskommt!), sondern vor allem einmal im Definieren von Regeln: Wie soll Wirtschaft funktionieren? Gegeneinander, in Konkurrenz oder solidarisch, mit-einander? Für die Bedürfnisse der Menschen – oder aus dem schnöden Profitmotiv heraus? Und für welche Bedürfnisse? Definiert diese jedeR für sich einzeln oder in einem gesellschaftlichen Diskussionsprozess? Geht es beim Wirtschaften um ein Genug oder muss immer mehr produziert werden?
Es sind dies Fragen, die selbstverständlich sein sollten. Aber diese Selbstverständlichkeit ist keineswegs gege-ben. Vielmehr dominiert ein Wirtschaftsmodell, das auf Konkurrenz, Profit und einem immer mehr von egal was (Getreide, Waffen, Gesundheit, Schönheitschirurgie, Babys nach Maß ...) beruht.
Nicht genug damit, dass diese Form des Wirtschaftens zunehmend alle anderen Formen des Wirtschaftens do-miniert (die Hauswirtschaft unmittelbar für die eigenen Bedürfnisse, die öffentliche Daseinsvorsorge wie z.B. die Bildung, die Gemeinnützigkeit ...): Die neue Welle der „Globalisierung“ läuft darauf hinaus, diese Form des Wirtschaftens auch noch juristisch festzuschreiben, sie sogar noch über den Verfassungsrang zu erheben und damit sakrosankt zu machen.
Jüngstes Beispiel für eine solche Bestrebung ist ein globales Vertragswerk namens GATS – GENERAL AGREEMENT ON TRADE IN SERVICES bzw. „Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“. Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung, das öffentliche Verkehrswesen, Post .... all das soll nur mehr nach Wettbewerbsregeln funktionieren dürfen, und zwar weltweit und auf Dauer. Alles andere sei entweder die be-rühmte Ausnahme, die bloß die Regel bestätige. Oder noch schlimmer: ein Verstoß gegen dieses Wettbewerbs-recht - eine (unerlaubte) „Diskriminierung“ etwa des privaten profitorientierten Wassermultis Vivendi gegenüber einem gemeinwohlorientierten kommunalen Wasserwerk.
Mit anderen Worten: Die Form des Wirtschaftens, die historisch und in einem weltweiten Kontext gesehen die absolute Ausnahme darstellt – nämlich die kapitalistische, soll zum allgemeinen Kriterium des Umgangs aller Menschen in beinahe jedem Bereich werden. Und damit eine Form von Ökonomie, die bislang die Domäne von weißen Oberschichtmännern war.
Dieser Ausnahmestatus der kapitalistischen Ökonomie mag in einer menschheitsgeschichtlichen Perspektive vielleicht noch offensichtlich sein. Kaum im Bewusstsein wird aber sein, dass auch aktuell konkurrenz- und profitorientiertes und nichtreguliertes Wirtschaften selbst heute noch die Ausnahme ist. Wohl gut die Hälfte von Wirtschaften ist Versorgungsökonomie, die unbezahlt in Haushalten und für die Eigenversorgung stattfindet – und vor allem von Frauen geleistet wird. Aber auch innerhalb dessen, was gemeinhin DIE Wirtschaft genannt wird, nämlich die in Geld gemessene Wirtschaft ist ein großer Bereich öffentlich, bei uns z.B. in Österreich macht dieser Bereich den sogenannten Wohlfahrtsstaat bzw. die öffentliche Daseinsvorsorge aus. Und genau dieser Bereich ist es, der ins Visier Multinationaler Konzerne und privatisierungswütiger Regierungen geraten ist: Er soll nach der gleichen Logik funktionieren wie etwa die Autoproduktion.
Frauen sind von dieser Vermarktwirtschaftlichung der öffentlichen Daseinsvorsorge – dies ist, was hinter dem verwaschenen Begriff "Dienstleistungen" vor allem auch versteckt wird und nicht nur die Friseurin, wie man im ersten Moment assoziiert - auf allen Ebenen betroffen.
a) Als im allgemeinen ökonomisch schwächere Glieder der Gesellschaft sind Frauen besonders auf eine funktio-nierende, flächendeckende und für alle offene Daseinsvorsorge angewiesen. Wenn etwa im ländlichen Raum die letzte Schule, der letzte öffentliche Bus, die letzte Post abgegangen bzw. geschlossen ist, dann trifft es eben vor allem die (ärmeren) Frauen, die sich das (zweite) Privatauto vom Mund absparen müssen. Für viele und vieles wäre eben das e-mail, das Telebanking, der e-commerce .... KEIN Ersatz!
b) Wenn die öffentliche Schule, wenn das öffentliche Gesundheitswesen wie in den USA nur mehr eine Restgrö-ße ist, wer wird dann – wenn das nötige Kleingeld nicht vorhanden ist – die Lernarbeit, die Pflegearbeit leisten? „Natürlich“ Frauen, von feministischen Wissenschaftlerinnen oft zurecht als die "letzte Kolonie" bezeichnet.
c) Frauen haben aber vom Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge als Arbeitnehmerinnen am meisten profi-tiert. Angemessen bezahlte Lehrerinnen, Krankenschwestern ... – das gibt es eben nur im öffentlichen Dienst. Es ist kein Zufall, dass in diesem Bereich der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen am geringsten ist.
Mitmachen oder widerstehen
In den nächsten eineinhalb Jahren wird die Umsetzung des GATS hinter verschlossenen Türen verhandelt. Auch wenn viele Lobbyisten einen großen Deal abschließen wollen (nach dem Motto „Gebe ich dir mein Wasser, so überlässt du dafür unseren Konzernen deinen Bildungsbereich“), so ist das Ergebnis des Prozesses doch offen. Viel hängt davon ab, ob wir gemeinsam die Öffentlichkeit aufklären und entsprechenden Druck auf die Verhand-lerInnen machen können. Eine qualitativ gut ausgebaute und entsprechend solidarisch finanzierte öffentliche Daseinsvorsorge ist etwas, was vor allem Frauen zugute kommt. Denn sonst müssen sie eben "aufräumen"!