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Julia Dück
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2014-09-18

Mein Haus, mein Auto, meine Putzfrau

Die imperiale Lebensweise ist eng verknüpft mit Geschlechterverhältnissen

Der Artikel erschien in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 587 / 15.10.2013 www.akweb.de

Imperiale Lebensweise

Mit dem Konzept der imperialen Lebensweise wollen Ulrich Brand und Markus Wissen in ak 585 den (scheinbaren) Widerspruch erklären, warum einerseits die ökologische Krise allgemein anerkannt wird, andererseits aber die Krisenphänomene unzureichend bekämpft werden. Der Begriff verbindet die breit akzeptierten und gelebten Alltagspraktiken mit der sozial-ökologischen Krise: Die imperiale Lebensweise basiert auf dem intensiven Verbrauch von Rohstoffen und Natur sowie der Ausbeutung »billiger« Arbeitskräfte.
Die Stärke des Konzeptes liegt darin aufzuzeigen, dass Krisenprozesse nicht allein ökonomisch erklärt werden können: Produktions- und Konsummuster schreiben sich in die Lebensweise ein und stabilisieren damit die Verhältnisse, die zur ökologischen Krise führen. Das Ergebnis sind Alltagspraktiken wie massenhafte Automobilität, Fleischkonsum oder immer neue Elektrogeräte. Die Kehrseite ist jedoch, dass eine Veränderung der Alltagspraktiken und ein Umdenken im Alltäglichen, d.h. ein kollektiver Wandel der Lebensweise, auch zu Veränderungen der Produktionsverhältnisse führen müssen.
Die herrschaftsförmige Ausgestaltung der imperialen Lebensweise mit Blick auf globale Nord-Süd-Verhältnisse wird in der Auslagerung von Produktion und Ressourcenextraktion in den globalen Süden offensichtlich, da die hierbei hergestellten Waren zu weiten Teilen im globalen Norden konsumiert werden. Der Klassenwiderspruch der imperialen Lebensweise wird deutlich, wenn etwa hierzulande die Konsumproblematik auf den billigen Massenkonsum von Menschen aus unteren Einkommensschichten geschoben wird, während sich die gesättigten Mittelschichten in einem ökologisch korrekten Überflussdiskurs bewegen können - obwohl der Einkauf im Bioladen wegen der Langstreckenflüge in unberührte Naturregionen deren Ökobilanz wieder zunichte macht.
Neben herrschaftsförmigen Klassen- und Nord-Süd-Verhältnissen sind aber auch Geschlechterverhältnisse Teil der imperialen Lebensweise. Der Zugriff auf Ressourcen, Raum und Arbeitsvermögen basiert auf der Vorstellung, immer schneller und immer mehr produzieren zu müssen und Wachstum als Garant für Wohlstand und Lebensqualität zu betrachten.

Reproduktionsarbeit als verfügbares Gratisprodukt

Die Vorstellung grenzenlosen Wirtschaftswachstums und technischen Fortschritts ist dabei nicht nur ein der kapitalistischen Akkumulationslogik immanentes Moment, sondern korrespondiert auch mit der hegemonialen Konstruktion von Männlichkeit: »Männlich« sind in diesem Sinne Konkurrenz, Kampf und Dominanz, risikoreiches Verhalten, Steigerung und Wachstum. Vergänglichkeit und die Sorge ums Leben werden hingegen als außerhalb kapitalistischer Produktionsverhältnisse bestimmt, ins Private verschoben und als »weibliche« Zuständigkeiten festgeschrieben.
Die Aneignung ökonomischer und natürlicher Ressourcen ist hochgradig durch Geschlechterhierarchien geprägt. Unentgeltlich geleistete Frauenarbeit wird mit einer prinzipiell unendlich und kostenlos zur Verfügung stehenden Naturressource gleichgesetzt. Die Arbeit von Frauen für die Reproduktion der Gesellschaft wird im Kapitalismus stillschweigend vorausgesetzt und gesellschaftlich angeeignet. Diese Aneignung gesellschaftlicher Reproduktionsarbeit erfolgt nach einer ähnlichen Logik wie die kapitalistische Aneignung von Natur. Auch natürliche Ressourcen werden als Gratisprodukt betrachtet; allein der Arbeitsprozess beispielsweise der Ressourcenextraktion gilt als wertschöpfend im kapitalistischen Sinne. Die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert und befriedigt Bedürfnisse nur, sofern sie sich warenförmig befriedigen lassen und ihre Befriedigung der quantitativen Steigerung, also dem Wachstum, zugänglich ist. Die Forderung nach ökonomischem Wachstum basiert dabei nicht nur auf der hemmungslosen Ausbeutung entlohnter Arbeitskraft, sondern auch auf der Ausbeutung von Natur und »weiblicher Arbeit«. (1) Damit schreibt sich die imperiale Lebensweise bis in die Geschlechterkonstruktionen ein und wird als Teil der eigenen Identität erfahren.
Imperiale Lebensweise und Geschlechterverhältnisse verbinden sich beispielsweise in der klassischen, geschlechtsspezifisch arbeitsteiligen Kernfamilie im Einfamilienhaus, mit eigenem Auto und (unzähligen) industriell gefertigten Produkten. Das im Fordismus konstituierte männliche Normalarbeitsverhältnis und die Normalarbeitszeit setzen voraus, dass Erwerbstätige über Zeit- und Flexibilitätspuffer in den Haushalten verfügen und reproduktive Tätigkeiten dort - zumeist von Frauen - übernommen werden. Männlicher Familienernährer, weibliche Reproduktivkraft und Wohlstand in Form wachsender Produktionsgüter gehen Hand in Hand und beinhalten eine Lebensweise, die sowohl ressourcenintensiv als auch geschlechterhierarchisch ist.
Konsum, als die Möglichkeit aus einem begrenzten Angebot Waren zu wählen, ist unter den Reproduktionstätigkeiten die bislang einzige breit akzeptierte Möglichkeit, sich an einer sozial-ökologischen Gestaltung der Lebensweise zu beteiligen. Im Zuge der Ökologisierung von Konsummustern ist dabei eine Feminisierung der Umweltverantwortung zu beobachten: Es sind mehrheitlich Frauen, die sozial und ökologisch nachhaltige Konsumentscheidungen treffen.
Dies geht mit zeitlichem Stress und Doppelbelastungen einher - und verhindert für Andere einen sozial-ökologischen Konsum von vornherein. Vor allem aber wird mit diesem einseitigen Blick auf (weiblich konnotierte) Konsumentscheidungen eine kollektive Ermächtigung in der Umgestaltung der Lebensweise verhindert. Dass Produktion und Verteilung auch Teil der imperialen Lebensweise sind, wird ausgeblendet.

Frauen als Unternehmerinnen ihrer selbst

Bezogen auf Geschlechterverhältnisse haben sich vor dem Hintergrund der Zweiten Frauenbewegung Veränderungen gegenüber der fordistischen Lebensweise und Geschlechterarrangements vollzogen: Mit dem Mehr an Erwerbsarbeit und Mobilität wurde die Hausfrauen- und Zuverdienstrolle des fordistisch-patriarchalen Familienmodells aufgebrochen und die ausschließliche Zuständigkeit der Frauen für Haushalt und Kinderversorgung gilt als legitimationsbedürftig.
Insgesamt wurden die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung und die Verantwortung für reproduktive Tätigkeiten jedoch (re)stabilisiert, indem z.B. eine Verlagerung von Haushaltstätigkeiten stattgefunden hat. Während sich für aufstrebende, weiße Mittelschichtsfrauen die Chancen auf Erwerbsarbeit und beruflichen Aufstieg erhöht haben, erfolgte dieser Emanzipationsgewinn zumindest zum Teil durch die Übernahme häuslicher Tätigkeiten von (meist) illegalisierten, migrantischen Frauen.
Gleichstellung und (Erwerbs-)Integration von Frauen erfolgte und erfolgt darüber hinaus auf neoliberale Weise und bedeutet unter diesen Bedingungen ein Aufholen gemessen an männlichen Leistungsnormen, das Fit-machen von Frauen als Unternehmerinnen ihrer selbst und Konsumentinnen sowie das Sich-Anpassen an Markterfordernisse. Frauen werden als Konsumentinnen in neuer Form entdeckt, da sie auf Grund ihrer erwerbstätigen Eigenständigkeit auch unabhängig konsumieren können. Flexibilisierung von Lebensweisen bedeutet in diesem Zusammenhang auch eine Verbindung von Unabhängigkeit und erweitertem Konsum beispielsweise in Form von Zweit- und Drittauto oder Zweitwohnung.
Gestützt werden diese Entwicklungen durch ein neues ideologischen Leitbild: Frauen sind heute sichtbarer denn je und auch so erfolgreich wie nie. Dabei sind es jedoch bestimmte Frauen, die sichtbar gemacht werden. Es sind die Top Girls, auf die der Scheinwerfer gerichtet wird, d.h. junge, mehrheitlich heterosexuelle, weiße, gebildete und der Mittelschicht angehörige Frauen vornehmlich aus den Ländern des globalen Nordens - die erfolgreichen Frauen. Das Versprechen der Gleichheit drückt sich durch Teilnahme an Konsum und Berufstätigkeit aus. Die Top Girls werden dabei als Einzelkämpferinnen inszeniert, die ihre Positionen durch ihren eigenen biographischen Erfolg erreicht haben. Feministische Errungenschaften und Kämpfe werden damit unsichtbar gemacht.

Welche Frauen profitieren und werden sichtbar gemacht?

Die Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen sind daher ambivalent: Einerseits ist es durchaus zu größerer Sichtbarkeit und einem Mehr an Möglichkeiten für Frauen gekommen, andererseits haben vorwiegend bestimmte Frauen von den Erfolgen feministischer Kämpfe profitiert. Zu einem Wandel der imperialen Lebensweise haben diese Veränderungen bisher nicht geführt: Die auf Ressourcenverbrauch durch stetig steigendes Wachstum und Erschließung neuer Räume sowie auf der ausbeuterischen Vernutzung von Arbeitsvermögen basierende Lebensweise wird kaum in Frage gestellt oder gar umgestülpt. Dies geschieht allenfalls in Nischen (deren transformative Bedeutung sich an anderer Stelle zu diskutieren lohnt) oder mittels sehr begrenzt wirkmächtiger individueller Konsumentscheidungen. Vielmehr schreiben sich Herrschaftsverhältnisse entlang von Geschlecht in die Lebensweise mit ein und stabilisieren sie.
Die Verschiebung reproduktiver Tätigkeiten rüttelt somit nicht an der »weiblichen Zuständigkeit« oder der Minderbewertung und Abwertung von Care-Arbeit, sondern löst Reproduktionslücken durch Delegation an Dritte. (2) Nicht nur die dichotome Zuschreibung von »männlichen« und »weiblichen« Zuständigkeiten sowie die entsprechenden Geschlechterkonstruktionen bleiben damit weitgehend bestehen. Auch die Orientierung auf männlich konnotierte, rationalisier- und effektivierbare Arbeit und die damit verbundene Vorstellung unendlichen Wachstums und Fortschritts werden nicht in Frage gestellt. Feministische Emanzipation neoliberaler Prägung bedeutet demnach, dass auch Frauen sichtbar werden können, sofern sie sich an die »männlichen« Spielregeln halten: nämlich kompetitiv, erfolgreich und ausgrenzend zu agieren.
Aus emanzipatorischer Perspektive muss es also darum gehen, Widersprüche und Konfliktpotenziale herauszuarbeiten, die sich aus dieser Lebensweise ergeben; d.h. danach zu fragen, welche Frauen in welcher Weise profitieren und sichtbar gemacht werden, worin die Emanzipationsversprechen liegen und auf welchen Grundlagen sie basieren. Gleichzeitig geht es um die Suche nach alternativen Lebensweisen, die bestehende Herrschaftsverhältnisse nicht reproduzieren und nicht auf Kosten migrantischer Frauen entwickelt werden, sondern welche die Herrschaftsverhältnisse hinterfragen und die Geschlechterordnung aufbrechen. Es geht um eine Produktions- und Konsumweise, die eine Lebensweise ermöglicht, die sich an gemeinsam ausgehandelten Bedürfnissen orientiert - jenseits von hierarchischen Geschlechterverhältnissen und mit Blick auf eine emanzipatorische Gestaltung der Naturverhältnisse.
Der Begriff der imperialen Lebensweise kann hier einen Beitrag leisten, indem er der Ebene der Alltagspraktiken und des Alltagsverstandes Gewicht beimisst und diesen eine eigenständige Rolle in der Verallgemeinerung von Produktions- und Konsummustern zugesteht. Es geht um die Erkenntnis, dass Verschiebungen und Wandlungsprozesse in der Lebensweise zu Krisenprozessen beitragen oder umgekehrt Krisenprozesse stabilisieren können. Da die Lebensweise auch bestimmte Vorstellungen von Geschlechtlichkeit beinhaltet, geht es also auch darum, die damit verbundenen Widersprüche und Kämpfe mit anderen Herrschaftsverhältnissen zusammenzudenken und zu Kämpfen um die gesamtgesellschaftliche Reproduktion zu machen.

Anmerkungen:
1) Gleichzeitig sollte es nicht zu einer problematischen Gleichsetzung von »Frauen« und »Natur« kommen. Historisch war dies immer wieder der Fall - und führt bis heute zu herrschaftsförmigen Dichotomisierungen, die Frauen als Natur definieren und diese einer vermeintlich rationalen Männlichkeit gegenüber stellen.
2) Diese »Lösung« ist dabei selbst hochgradig durch Klassen- und rassifizierte Verhältnisse bestimmt.

Julia Dück ist organisiert bei Für eine linke Strömung (FelS) und arbeitet zu feministischen Perspektiven auf die Krise. Jana Flemming ist ebenfalls bei FelS organisiert sowie Teil des Arbeitsschwerpunkts Gesellschaftliche Naturverhältnisse (Gesnat) der BUKO. Dieser hatte die dreiteilige Serie zur imperialen Lebensweise organisiert, die mit diesem Artikel endet.

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