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2013-10-01

Paul Gulda. Laudatio am 23. September 2013

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Freunde !
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,
geehrte politische und diplomatische Würdenträger!
Wielce szanowny Panie Ambasadorze, Szanowny Panie Korzeniowski!
Lieber Peter!

Mit großer Freude halte ich heute diese Laudatio, die erste meines Lebens.

Der Anlass zur Ehrung vereint mehrere Elemente, die mir am Herzen liegen: das ist die Arbeit in interkultureller Verständigung und Begegnung, und die Gedenkkultur in Erinnerung an die dunkelsten Jahre des 20. Jahrhunderts. Beides Bereiche, in denen auch ich tätig bin - so haben Peter und ich einander auch kennen gelernt.

Wir teilen sogar die Initialen PG miteinander, sind aber alles als Parteigenossen.

Schon gar nicht in jenem Sinne, aber auch keiner anderen Partei zugehörig.

Das würde in unser Selbstverständnis als Pädagoge und Künstler nicht gut passen, scheint mir.

Und besonders freut es mich auch, dass die Auszeichnung von der Republik Polenverliehen wird. Ich bin Polen nun seit 1998 sehr verbunden, verbringe jährlich mehrere Wochen dort und empfinde Freundschaft und auch das Gefühl von zweiter Heimat mit diesem Land.

Bardzo ciesię się, że odznaczenie jest dedykowana Panu Gstettner przez Rzeczpospolity Polskiej. Często pobywam i pracuję w kraju juz od 1998-ego roku, i czuję dla Polski wielką przyjaźń, prawie jak do drugiej ojczyzny.

Warum Peter Gstettner solcher Ehrung würdig ist, dürfte den Freunden und Weggefährten im Raum aus gemeinsamer Zeit bekannt sein, und der Herr Landeshauptmann hat es auch schon sehr schön und einfühlsam dargestellt, es sei trotzdem noch einmal unterstrichen:
das ist einerseits sein konsequentes Eintreten in der Aufarbeitung von wesentlichen, aber gründlich verdrängten Gräueln der Zeitgeschichte. Die Existenz zweier Nebenlager von Mauthausen in Kärnten und der damit verbundene Blutzoll wären nicht so bekannt ohne die Arbeit der Gruppe Mauthausen Komitee Kärnten/Koroška, deren Mentor Peter Gstettner bis heute ist. Loibl und Lendorff-Kaserne sind nunmehr fest in die Zeitgeschichte Österreichs eingeschrieben. Ebenso ehrenvoll ist Peters Engagement für die Verständigung zwischen den Kulturen und Völkerschaften, seien sie weiter entfernt und kaum bekannt: wie etwa Albanien: oder ganz nahe und leider ebenso zu wenig bekannt, wie das Verhältnis zu den slowenischen Nachbarn, zu den slowenischen Verwandten hier in Kärnten und in der Republik Slowenien.

Besonders hervorzuheben ist, dass diese Arbeit in einem politischen Klima betrieben wurde, das "ungünstig" zu nennen eine Untertreibung darstellt. Die Geschichte Kärntens mit allen seinen Regionen und Bezeichnungen ist lange schon von diesem Kampf um kulturelle und sprachliche Identität und Vorherrschaft geprägt: im 20. Jahrhundert kulminiert dieser Kampf und mündet in Bluttaten, deren Schatten bis in die Gegenwart wirken. An weitblickenden, versöhnlichen Politikern und gesellschaftlichen Akteuren herrschte lange Zeit Mangel - mehr noch, mit dieser Münze wurde leider auch politisches Kleingeld geprägt.

Ich darf an dieser Stelle noch eine Parallele zu meiner Tätigkeit ziehen: denn auch der Verein, dem ich vorstehe, REFUGIUS in Rechnitz, Burgenland, arbeitet in einem Grenzland, welches vom Mit-und Gegeneinander verschiedener Volksgruppen geschichtlich mitgeformt wurde. Zugleich bietet das Grenzland aber auch ein ganz besonderes Biotop, in welchem auch Querdenker, Widerständler und fantasievolle Geister gedeihen, wie etwa die hervorragenden zeitgenössischen Schriftsteller aus Kärnten zeigen.

Ich sage das auch, weil wir beide, jeweils 20 bis 30 Jahre die Lage betrachtend, auch sehen können, wie sich sowohl in Kärnten als auch im Burgenland immer mehr Initiativen bildeten, die einem neuen und aufklärerischen Denken verpflichtet sind:
Ich nenne ohne Ansprüche auf Vollzähligkeit für Kärnten:

Siegfried Stupnig und Klaus Ottomeyer von ASPIS, Hans Haider und das Denkmal der Namen, Peter Pirker im Verein Kuland, den Peršmanhof, Kärnöl, UNIKUM mit Gerhard Pilgram und Emil Krištof…

für das Burgenland die Orte Schlaining, Deutschkreutz, DeutschSchützen, Frauenkirchen, Kittsee, Kobersdorf, Lackenbach….

überall finden sich Menschen, die Geschichte verantwortungsvoll bewahren und für eine bessere, gerechtere Zukunft erfahrbar machen wollen.

Und wir, Peter Gstettner und auch meine Wenigkeit, dürfen sagen, für manche und für gewisse Zeit auch einen Motor, einen Fokuspunkt geboten zu haben.

Somit ist die Freude über diese Auszeichnung doppelt: wir freuen uns für Peter, aber auch mit ihm, denn indirekt dürfen auch wir diese Ehrung teilen.

In diesen Arbeiten nicht allein zu sein, Solidarität, regional ebenso wie international zu üben und zu erfahren, ist ein wichtiger Punkt.

„Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Ob die anderen Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht. Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird.“

Heinrich Himmler, zwei Reden im Schloss Poznań/Posen vor SS-Offizieren und Gauleitern, Anfang Okt. 1943

Es war dieser Ungeist, der den Loibl möglich machte, und der ungezählte Opfer forderte: stellvertretend seien drei Namen genannt:

Andrzej Haluszka aus Widosza, Polen war das erste Opfer am Loibl

Julian Majchrowicz aus Drohobycz das dritte

Maxime Thierry aus Nomeny, Frankreich, das fünfte.

Alle wurden vorsätzlich ermordet, "auf der Flucht erschossen".

Dass wir diese Namen kennen, den Opfern ein Gesicht geben können, das ist ein Verdienst der Arbeit von Peter und seinen Freunden.

Sie wurden Opfer eines auf die Spitze getriebenen Systems von äußerster, letztlich wirtschaftlich motivierter Ausbeutung, und deren Deckmantel und Rechtfertigung, nämlich dem wahnwitzigen Gefühl von Höherwertigkeit einer Rasse - eiskalten, entmenschtem Rassismus.

Ausbeutung ist das Stichwort.

Dazu fällt mir paradoxerweise eine Frage ein, die zu Zeiten des Kalten Krieges im Ostblock populär war. "Was ist der Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus?" „Im Kapitalismus beutet der Mensch den Menschen aus, im Kommunismus ist es umgekehrt.“

Ein bitterer Kommentar zum Alltag des realen Sozialismus, gewiss.

Wozu aber zu sagen wäre, dass der Kommunismus jedenfalls theoretisch das Unrecht an der Ausbeutung kennzeichnet, der Kapitalismus sie als systemimmanent betrachtet und nützt.

Ich möchte sie nicht mit Aufzählungen langweilen, und eine Geschichte der Ausbeutung sprengt sowohl diesen Rahmen als auch meine Fähigkeiten, aber ein paar Stichworte müssen gesagt werden.

  • Die Ausbeutung der Süd-Halbkugel durch den Norden, das Erbe des Kolonialismus, ist fern von überwunden. Immer noch werden Rohstoffe aus Afrika von den Konzernen des Westens ausgebeutet, in den Ländern verbleibt ein Bruchteil des Profits, dafür aber die Schinderarbeit und die Umweltschäden.
  • Aber auch in den vormodernen Gesellschaften des Südens und Ostens ist direkte Ausbeutung gang und gäbe, so wie bei uns noch vor wenigen Jahrzehnten, nachzulesen etwa in den Berichten der Bauernknechte und -mägde.
  • Immer mehr werden die Massen der westlichen Welt mit billigen Waren aus Übersee überschüttet, Produkte reinster industrieller Ausbeutung.
  • Die neuen Märkte in Osteuropa werden ausgebeutet und gefügig gemacht; wer den jetzigen Arbeitgebern nicht hineinpasst, fällt durch den Rost und wird zur Last - die Problematik der Roma wird jedes Jahr drängender, und auch bei uns spürbar.
Das ist das Paradox, dass die Ausbeutung in der einen oder anderen Form auf die Ausbeuter zurückfällt: eine verantwortungslose Finanzgebarung wie in Zypern oder im Bundesland Kärnten muss von den Bürgern aufgefangen werden: die Ausgebeuteten sind plötzlich wir Steuerzahler und Schuldner. Ungeschoren bleiben meistens die eigentlichen Urheber.

Privatisierung öffentlichen Eigentums, sexuelle Ausbeutung und Mädchenhandel,

Ausbeutung derer, die vor der Ausbeutung und ihren Folgen zu uns fliehen, nämlich als billige Arbeiter und Lohndrücker…..:

und zuletzt - oder soll ich sagen, am Anfang? die rückhaltlose Ausbeutung sämtlicher natürlicher Ressourcen.

Das biblische "Macht Euch die Erde untertan" erscheint hier pervers missdeutet.

Es wäre hoch an der Zeit - und die Möglichkeiten dafür sind besser als je! - zu erkennen, dass das Leben nicht den Zweck hat, sich einen Platz im Dasein zu erobern. Sondern dass unser Leben a priori teilen, Teilhabe heißt, an dem Reichtum, den die Welt und eben: das Leben - jedem Kind als Geburtsrecht schenken.

In der schrecklichen Hölle von Mauthausen und Loibl erfahren wir, wohin die Legitimierung von Ausbeutung des sogenannten Menschenmaterials führt, und das meint naturgemäß jede Form von Ausbeutung. Auch daran mögen alle Gedenkstätten erinnern.

"Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" sagt Brecht in seinem Theaterstück „Arturo Ui“. Ja, so lange diese Lektion nicht gelernt ist: das Menschen keine commodity sind, keine Ressource, kein Material, kein Kollateralschaden.

Manchmal befällt mich Sorge, dass alle unsere Mühen um das Gedenken zu kurz greifen. Dass der Skandal fortwährender Ausbeutung von der Erschütterung über die Brutalität von Nazis und Stalinisten überdeckt wird. Dass wir nur die schlimmsten Formen der Ausbeutung geißeln, ohne den zugrunde liegenden Wahn zu benennen.

Aber wenn wir unser Wirken optimistisch betrachten, dann sagen wir: unsere Arbeit schafft erst die Möglichkeit zu klarer Betrachtung. Erst wenn die Leichen im eigenen Keller entdeckt und würdig bestattet sind, kann ein Land wie Österreich seine Stimme glaubhaft für mehr globale Gerechtigkeit erheben, in internationaler Solidarität – denn eine gerechte Gesellschaft ist international, oder nicht gerecht.

Für all dies, für das Denken und Wissen um diesen Hintergrund wird Peter Gstettner geehrt. Und nun bleiben mir nur mehr zwei Dinge zu sagen:

dass Peter all dies nicht hätte tun können ohne seine Frau Irmgard, die ich hier ausdrücklich ehren möchte. Und dass ich ihn und seinesgleichen vor einer tückischen Form der Ausbeutung warnen möchte: vor der Selbstausbeutung.

Sie erscheint löblich, ist aber letztlich kurzsichtig und ebenso wenig gerecht wie die Ausbeutung anderer. Und ziemlich ungesund.

Das Kavalierskreuz des Polnischen Verdienstordens soll Dir, lieber Peter, zur Freude und zur Erinnerung an das Geleistete gereichen. Danke für die Aufmerksamkeit und Herzlichen Glückwunsch!

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