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Andreas Exner

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2013-04-06

Schnappt die „Öko-Falle“ zu?

Soziales Elend als kapitalistisches Naturgesetz

Herrschendes Denken hinterfragt seine Voraussetzungen nicht: dass man sich das Leben erst verdienen müsse, es ohne Einkommen kein Auskommen gibt, und dass der Sachzwang regiert, wonach Geld über allen steht und eben Menschen dran glauben müssen, wenn es Geld zu retten gilt.

All diese Voraussetzungen sind freilich null und nichtig, wird erst einmal ihre verrückte Grundlage in den Blick genommen: das System der Kapitalverwertung, das alle menschlichen Bedürfnisse und Tätigkeiten als Beitrag zur immerwährenden Vermehrung von Geld organisiert und entsprechend deformiert; oder jedenfalls danach trachtet.

Der fossile Peak: Ressourcengrenze für das Wachstum

Das System der Kapitalverwertung, oder anders gesagt: des Wirtschaftswachstums, ist menschheitsgeschichtlich äußerst jung. Angesichts seiner sozialen und ökologischen Verheerungen wirkt es mehr wie ein historischer Betriebsunfall als der Fortschritt der Menschheit, als den es sich selbst darzustellen pflegt. Auf Dauer zu stellen ist es in gegenwärtiger Form sicherlich nicht.

Die Energy Watch Group aus Deutschland etwa hat einen neuen Report zur Fördersituation fossiler Ressourcen veröffentlicht. Demnach liegt nicht nur der Peak Oil hinter uns, also der Gipfelpunkt der Erdölproduktion, sondern der Peak aller fossilen Ressourcen, also von Erdöl, Erdgas und fossiler Kohle nur wenige Jahre vor uns. Das Team um Werner Zittel hält fest: „Unserer Untersuchung zufolge werden Kohle und Erdgas ihre Produktionspeaks um 2020 erreichen. Der gemeinsame Gipfelpunkt aller fossiler Ressourcen zusammengenommen wird einige Jahre früher als der Peak für Kohle und Erdgas eintreten, und zwar fast gleichzeitig mit dem beginnenden Abfall der Erdölförderung“.

Was dies für das System der Kapitalverwertung bedeutet wird kaum je bedacht. Drei Punkte sind in dieser Hinsicht relevant: Erstens sind die Fossilen nicht gleichwertig mit Erneuerbaren zu ersetzen; zweitens haben die Erneuerbaren noch einen sehr langen Weg vor sich; drittens beeinträchtigt die Verknappung von Ressourcen den technologischen Wandel im Kapitalismus.

Betrachten wir diese Konsequenzen der fossilen Peaks für die Energiewende im Detail.

Die fossilen Ressourcen sind erstens für das Kapital technisch optimal, sie sind selbst ja bereits gespeicherte Energie, daher leicht zu transportieren und zu lagern, sie weisen eine hohe Energiedichte auf und sind beliebig einzusetzen. Bis vor Kurzem konnte man sie noch mit geringem Energieeinsatz und in ständig steigenden Mengen zur Beschleunigung der Kapitalverwertung aus der Erde holen. Die Erneuerbaren dagegen erfordern teure Speichertechnologien, die zudem von zusehends knappen Metallen abhängen. Das Aufkommen der Erneuerbaren ist unregelmäßig, weisen zudem eine geringere Energiedichte als die Fossilen auf und sind alles in allem teurer.

Zweitens sind die Erneuerbaren weltweit gesehen immer noch fast bedeutungslos. 2010 stellten Erneuerbare lediglich 16,7% des globalen Endenergieverbrauchs. Davon waren bloß 8,2% so genannte moderne erneuerbare Energie, das heißt abzüglich traditioneller Biomassenutzung vor allem im globalen Süden. Die modernen Erneuerbaren wachsen rasch, aber von einem sehr niedrigen Niveau des Weltenergiebeitrags aus gesehen. Drittens beeinträchtigt der seit etwa 2008 sichtbare starke Preisanstieg bei den fossilen Stoffen, aber auch bei Metallen, die Profitraten und damit das Wirtschaftswachstum. Die Profitraten haben sich in den letzten Jahren teilweise erholt, aber nur auf Kosten des Lebensstandards der Vielen, die unter die Räder der ausufernden Kürzungsprogramme der EU und anderer Staatsapparate geraten.

Der technologische Wandel nun hängt im System der Kapitalverwertung jedoch gerade von den Profitaussichten ab. Zudem ist der Aufbau der Erneuerbaren auch stofflich und energetisch gesehen fast vollkommen auf die Fossilen und auf Metalle angewiesen, die jedoch bereits knapp werden. Schließen wir diese drei Aspekte zu einem Gesamtbild zusammen, so zeigt sich: Die Einschränkung der fossilen und teilweise auch der metallischen Ressourcenbasis des Systems der Kapitalverwertung begünstigt nicht unbedingt den Umstieg auf die Erneuerbaren, wie viele erwarten, die sich von Verknappungen positive Preissignale für Innovationen erhoffen, sondern dürfte ihn eher erschweren.

Damit steuert die kapitalistische Gesellschaft in eine Situation, vor der einige wenige Rufer in der Wüste schon vor Jahren warnten. In einer Epoche zunehmender vielfacher Krisen werden Erneuerbare nicht automatisch konkurrenzfähig, der längerfristige Energieoutput könnte weitaus niedriger liegen als in der fossilen Ära, ganz einfach weil der Aufbau neuer technischer System Zeit und nicht-erneuerbare Ressourcen, und im Kapitalismus vor allem Geld und Profit erfordert.

Antisoziale Kastrophenpolitik: Komplizen und Lemminge

Nun ist die gegenwärtige Wachstumskrise, die weltweit gesehen recht ungleich verläuft und vorerst durch eine enorme Ausdehnung der Verschuldung gemildert wurde, noch nicht direkt auf Ressourcengrenzen zurückzuführen. Zwar zeichneten die ansteigenden Preise bei Ressourcen, die vermutlich bereits geologische Grenzen spiegelten, für den Wachstumseinbruch 2008 mit verantwortlich. Doch das Erdbeben, das sie im Weltfinanzsystem auslösten, machte vor allem auch Ungleichgewichte der Wirtschaftsentwicklung sichtbar, die sich schon lange zuvor aufgebaut hatten.

Wie immer im System der Kapitalverwertung müssen die Lohnabhängigen ihre Lebensperspektiven einschränken, viele werden dem Tod ausgeliefert, wenn die Profitraten „leiden“, auch in Europa. Das liegt schon im Kern der Marktwirtschaft begründet, dem System von Kaufen und Verkaufen. Die Marktwirtschaft geht eben nicht von Bedürfnissen aus, sondern vom Geld als wichtigstem Input und dem allein entscheidenden Output jedes Produktionsprozesses in ihrem Rahmen. Wäre der Mensch wichtiger als das Geld, dann wären das Geld kein Geld und der Markt kein Markt.

Obwohl die bloß gesellschaftliche Ursache des Elends, das die staatliche Krisenpolitik verschuldet, leicht zu erkennen wäre, herrscht allgemein Vernebelung, und, wie zu vermuten ist, auch eine stillschweigende Komplizenschaft. Denn profitieren „wir“ nicht indirekt auch davon, dass nun die Lohnabhängigen in Griechenland für ihren „übertriebenen Lebensstil“ büßen müssen? Soll es doch die anderen treffen, Hauptsache wir sind fein raus. Dass auch in Österreich ein verschärftes Kürzungsprogramm gefahren wird, rührt die meisten solange wenig, als sie sich einbilden können, sie wären davon irgendwie ausgenommen oder jedenfalls immer noch besser dran als die anderen.

Und letzteres stimmt fatalerweise auch. Im System der Konkurrenz kommt es eben immer auf den Vergleichsmaßstab an. Im Verhältnis zu Griechenland dünkt den Normösterreicher sein gesellschaftlicher Gefängnisalltag nachgerade paradiesisch, von Afrika gar nicht zu reden.

Während man nicht wenigen also eine zumindest indirekte Mittäterschaft an den Kürzungsprogrammen unterstellen kann, nicht unähnlich dem Verhalten unter dem NS-Regime, sind andere, die eigentlich objektiv allen Grund hätten zu Revolte, Aufstand und für eine Alternative, durch Jahrzehnte der Sozialisation im System der Kapitalverwertung wie sediert.

Es ist zutiefst erschreckend, wie viele Menschen sich wie Lemminge verhalten, schicksalsergeben. Franz Kafka hat die damit verbundene Haltung auf unnachahmliche Weise beschrieben: „Übrigens sah der Verurteilte so hündisch ergeben aus, daß es den Anschein hatte, als könnte man ihn frei auf den Abhängen herumlaufen lassen und müsse bei Beginn der Exekution nur pfeifen, damit er käme.“ Robert Kurz hat dieses Zitat treffenderweise seinem „Schwarzbuch Kapitalismus“ vorangestellt.

Nicht selten fragt man sich jedoch, ob es nicht wirkliche Dummheit ist, die hier regiert. Dummheit nicht als individueller Makel, sondern als eine Struktureigenschaft des kapitalistisch formierten Verstands, der sich so sehr mit dem System der Kapitalverwertung identifiziert, dass er nicht mehr aus dessen Rahmen herauszutreten vermag. Ein solcher Verstand, und der ist massenhaft geworden, verliert das Qualitätskriterium von Vernunft im Sinn einer Fähigkeit zur Reflexion, die immer auch die Fähigkeit zur Distanzierung, zur Desidentifikation erfordert. Borniertheit regiert.

So fantasiert Barbara Coudenhove-Kalergi etwa in ihrem Beitrag für den „Standard“ mit dem Titel „Schlechter Leben“ davon, dass die politisch gewollte Verelendung an den Peripherien der EU etwas mit „unbekümmertem Geldausgeben“ der Lohnabhängigen zu tun hat, das, wie sie ahnungsvoll in den Raum stellt, auch in Österreich „nicht ewig so weitergehen kann.“

Ohne den geringsten Zweifel an der Zwangsläufigkeit der Tendenz zur Verelendung, die doch erst das System der Kapitalverwertung erzeugt, schwadroniert die vorgebliche Analystin: „Viele Zyprioten verlieren ihr Erspartes. Viele Griechen können sich ihre Wohnungsmieten nicht mehr leisten. Viele Spanier suchen vergeblich nach Jobs. Viele Italiener schnallen den Gürtel enger. Und die Österreicher? Uns wird es nicht treffen, hören wir immer wieder. Niemand muss sich Sorgen machen. Bei uns ist alles in Ordnung. Trotzdem wird dem Normalbürger bei der täglichen Zeitungslektüre langsam mulmig. Müssen wir uns auch darauf einstellen, eines nicht zu fernen Tages schlechter zu leben? Und wie könnte dieses schlechtere Leben aussehen?“

Die „Öko-Falle“: Naturalisierung der Katastrophenpolitik

Coudenhove-Kalergis Beitrag nehme ich nicht zufällig als Beispiel für den herrschenden Krisendiskurs. Sie vollzieht nämlich einen in hohem Maße zukunftsweisenden Kurzschluss zwischen der sozialen und der ökologischen Krise. Indirekt erst, aber die Spur ist schon gelegt: „Besonders bei jungen Leuten gibt es so etwas wie einen Trend zu einer neuen Bescheidenheit. Sie reagieren sensibler auf Veränderungen in der Gesellschaft als die ältere Generation. Und so stößt man neuerdings immer wieder auf Menschen, die das Auto aufgegeben haben und auf Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen sind. Urlaub in Österreich statt teurer Fernreisen ist in Mode gekommen. Und manchem Konsumenten bereitet es keinen Genuss mehr, in Kaufhäusern und Einkaufsmärkten mit einem überwältigenden Warenangebot konfrontiert zu werden, sondern eher Unbehagen. Brauchen wir all das Zeug wirklich? Weniger, sagen viele, ist mehr.“

Rein logisch gesehen ist Coudenhove-Kalergis Argumentation unsinnig. Was hat der soziale Kahlschlag in Griechenland mit einem angeblichen „Trend zu einer neuen Bescheidenheit“ unter jungen Leuten in Österreich zu tun? Gar nichts. Der Punkt freilich ist, dass die Autorin zwei Diskurse zusammenschließt und damit eine fatale Verhärtung der kapitalistischen Sachzwanglogik vorbereitet. Dies liegt im objektiven Interesse des Systems der Kapitalverwertung in Zeiten der Ressourcenkrise.

Der Diskurs des sozialen Kahlschlags behauptet die Unausweichlichkeit von menschlichem Elend und Tod zugunsten einer „Rettung von Banken“. Wahnwitzig wie er ist, kreist er um die Vorstellung, dass Menschen „über ihre Verhältnisse gelebt“ haben. Nun bekommen sie eben sozusagen buchstäblich die Rechnung präsentiert. Dass zum Beispiel ein Haus zur Verfügung steht und ein Mensch ein Dach über den Kopf braucht, wird für irrelevant erklärt. Es zählt nicht die physische Ressource auf der einen Seite und das ihrer bedürftige menschliche Wesen auf der anderen, die sich ergänzen.

Was einzig zählt ist der abstrakte ökonomische Wert, den das Haus im kapitalistischen Sinn verkörpert, und der Umstand, dass der wohnungsbedürftige Mensch nur auf Pump Miete zahlen konnte und nun vielleicht den Privatkonkurs erleidet. Nur um die Todeslogik von Kaufen und Verkaufen aufrechtzuerhalten landet ein überschuldeter Mieter dann auf der Straße. In Spanien exekutieren sich viele Opfer der zuerst monetären Exekution buchstäblich. Dem sozialen Tod folgt der physische, die Schande, das Leiden daran, dass einen die Marktwirtschaft ausgestoßen hat, wiegt zu schwer. Die Rate an Selbstmorden aufgrund von Delogierungen ist deshalb drastisch gestiegen.

Dieser Kahlschlags-Diskurs wird nun, wie bei Coudenhove-Kalergi, mit dem ökologischen Diskurs zusammengeführt. Auch das ist inhaltlich verquer. So würde der „Konsumverzicht“ der Lohnabhängigen ja die Profitraten tendenziell erhöhen. Je weniger diese auf ihr Konto verbuchen, desto mehr bleibt dem Kapital für die Ausdehnung seiner selbst durch Investitionen und die Produktion von Produktionsmitteln. Das ist ja die Ursache der Katastrophenpolitik der EU und anderer Staatsapparate. Sie zielen auf eine Erhöhung der Profitraten indem sie den Lebensstandard der Lohnabhängigen hinabdrücken. So sie erfolgreich sind, wird das selbstverständlich keine Entlastung der Umwelt bringen, sondern nur eine Fortschreibung der Wachstumsdynamik.

Der Unsinn der herrschenden Ökodebatte, die immer schon Konsumverzicht gepredigt hat, und sei es in der medienverträglichen Form des grünen Lebensstils, anstatt das System der Kapitalverwertung anzugreifen, wird jetzt virulent und effektiv zur Bedrohung. Der ursprüngliche Impetus der 1968er-Bewegungen, sich aus diesem System auszuklinken, ist unter neoliberalen Vorzeichen zu einem hilflosen Konsumverzicht mutiert. Während die Hippies noch die Lohnarbeit flohen und teilweise immerhin versuchten, alternative Formen der Produktion aufzubauen, will man heute an der Lohnarbeit nicht mehr rütteln, dagegen im Supermarkt heldenhaft-lächerlich Systemverzicht beweisen. Allein diese Illusion setzt schon ein gehöriges Maß struktureller Dummheit voraus.

Der herrschende Ökodiskurs, der so argumentiert, ist die vorgezeichnete Bahn der Naturalisierung der sozialen Krise als eben rein naturbedingt. Was purer Unsinn ist, dass nämlich die Einschränkung der Lebensperspektiven von Millionen auf irgendeinen „Sachzwang“ zurückzuführen sei außer dem bloß kapitalistischen Zwang zur Geldvermehrung, würde dann, so wird bereits sichtbar, eine ökologische Begründung erhalten. Da „Ökologie“ mit „Natur“ gleichgesetzt wird und „Natur“ mit „Unveränderbarkeit“ und man sie als ein moralisches Richtmaß für den Menschen konstruiert, läuft das auf nichts anderes hinaus als darauf, das kapitalistische Elend zum Naturgesetz zu erklären.

Man kann sich schon ausmalen, wie die Coudenhove-Kalergis, das heißt die Intellektuellen des kapitalistischen Alltagsverstands, die durch die fossilen Peaks noch verschärfte Vielfachkrise deuten werden. Die netten vom Supermarkt ermüdeten jungen Leute, die Coudenhove-Kalergi sich aufs Fahrrad schwingen sieht, werden zur Legitimation der Verelendung. Sie suggeriert: So schrecklich die Entwicklung in Griechenland auch ist, letztlich geschieht dort nur zwangsweise das, was doch auch freiwillig gemacht wird – und unter „ökologischen“ Vorzeichen auch gemacht werden sollte.

Wenn dann auch „die Ökologie“ selbst, also zum Beispiel eine geologisch bedingte Ressourcengrenze, die Lohnabhängigen scheinbar zu noch mehr Konsumverzicht zwingt, dann ist das doch auch nur eine weitere Konsequenz des Umstands, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt hätten. So oder auf ähnliche Art lässt sich die Falllinie der kapitalistischen Interpretation von Ressourcengrenzen und ihren Folgen im System der Kapitalverwertung beschreiben. Das wird auch dann nicht richtiger, wenn Coudenhove-Kalergi darauf hinweist, dass selbst in Österreich viele Menschen Not leiden und zu wenig vom Lebensnötigen haben. Sie führt zwei Diskurse zusammen, die nicht zusammengehören und das ist ihre fahrlässige Hauptbotschaft.

Man könnte einwenden, dass nach Peak Oil doch tatsächlich auf vieles verzichtet werden muss.

Dem ist entgegen zu halten, dass es um eine hohe Lebensqualität geht, nicht um wahllosen Konsum, der doch immer nur Mittel zu einem anderen Zweck sein kann. Lebensqualität aber, das zeigen viele Untersuchungen, so etwa von Richard Wilkinson und Kate Pickett, basiert vor allem auf sozialer Gleichheit. Nicht einmal in armen Ländern hat das BIP pro Kopf etwas Wesentlich damit zu tun.

Auch die Treibhausgasemissionen als indirektes Maß für das Niveau fossilen Energieverbrauchs sind in keiner Weise mit irgendeinem sinnvollen Maß für Wohlstand korreliert.

Und selbst wenn man auf der Ebene des Konsums argumentieren wollte, dann sollte man doch zumindest den Begriff zuvor klären. Konsumiere ich bei meiner Fahrt mit zum Beispiel kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln weniger als wenn ich ein Auto besäße, das die meiste Zeit am Parkplatz steht? Ist es eine Reduktion meines Konsums, wenn ich ein öffentliches, kostenloses Schwimmbad besuche anstatt mir zehn Hosen in einem Kleidershop zu kaufen? Konsumiere ich weniger, wenn ich Bücher in der Bibliothek gratis ausborge anstatt sie zu kaufen?

Gratis ist dies alles heute freilich nicht, aber immerhin billiger und es wäre jedenfalls zu fordern und so zu organisieren, dass dies kostenlos ist. Konsum meint im kapitalistischen Alltagsverstand den Kauf. Der aber hat nichts mit Lebensqualität zu tun. Ganz im Gegenteil: Er sollte angesichts seiner verheerenden Folgen für Leib und Leben der vom Verkaufen und Kaufen abhängigen Menschen überhaupt zugunsten „kollektiven Konsums“ verschwinden, im Sinne von Gemeingütern und einem System des Teilens.

Jenseits der „Ökologie“, jenseits des Kahlschlags

Was Not tut, und zwar immer mehr, ist eine massenhafte Absage an das System der Kapitalverwertung. Weder hängt ein hohes Niveau von Lebensqualität von einem hohen Energieverbrauch ab noch haben wir je ein solches Niveau erreicht. Das wäre nur in einer Gesellschaft ohne Marktkonkurrenz möglich, ohne staatliche Herrschaft und von Arbeit auf Kommando, von Lohnarbeit also.

Von dieser naheliegenden Einsicht sind Coudenhove-Kalergi und viele andere weit entfernt. Die letzten Bewegungen, die von einer solchen Einsicht ausgegangen sind und in ihren Kämpfen praktisch gewannen und verbreiteten, waren die sozialen Bewegungen nach 1968. Sie sind einesteils vom System der Kapitalverwertung aufgesogen und soweit inkorporiert worden, dass sie ihre Strahlkraft verloren. Anderenteils wurden sie auf breiter Front unterdrückt und ihre Strukturen zerschlagen.

Anstatt die kapitalistischen Fabriken zum Teufel zu wünschen und das auch praktisch umzusetzen wie noch in den 1970er Jahren, kämpfen einige italienische Arbeiter heute zum Beispiel sogar dafür, dass gesundheitsschädliche Betriebe nicht geschlossen werden. Das ist nur ein krasses Beispiel für die Wendung sozialer Bewegungen, die sich in vielen Bereichen zeigt, eben auch in der Ökodebatte. Wesentliche Teile der Ökodebatte begrüßen implizit die Verelendung der Lohnabhängigen oder betreiben sie diskursiv sogar mit, anstatt das System der Kapitalverwertung anzugreifen, das erst das heute schon riesenhafte Elend produziert.

Taugt die Ökodebatte überhaupt noch als gedankliche Schiene in ein besseres Leben, muss man sich fragen. An sich ist der Begriff der Ökologie ja völlig wertneutral. Im naturwissenschaftlichen Sinn meint er die Beziehung zwischen Organismen untereinander und mit ihrer Umwelt. Der „politischen Ökologie“ wiederum geht es nicht wesentlich um Naturwissenschaft, sondern um Gesellschaft.

Hier muss auch der Schwerpunkt sozialer Kämpfe gegen das Kahlschlagsprogramm des Kapitalismus liegen, auf der Gesellschaft und wie sie jenseits von scheinbaren Sachzwängen organisiert werden kann in ihrem Verhältnis zur Natur. Sicher wird es dabei um Solidarische Ökonomie und Gemeingüter ohne Lohnarbeit, staatliche Bürokratie und marktwirtschaftliche Todeslogik gehen müssen.

Nur so wäre ein gutes Leben für alle möglich.

Lebe ich in Wohlstand?

Ich fühle mich nicht von „Wohlstand verwöhnt“, wie Coudenhove-Kalergi wähnt, sondern vom schlechten Leben im Kapitalismus betroffen. Ich will nicht „zur Not“ auf etwas „verzichten“, wie sie anrät, denn Verzicht habe ich schon genug geübt. Manche Not hat mir das beschert, und damit meine ich nicht mal eine Delogierung, von der ich glücklicherweise bislang weit entfernt war.

Vielleicht ist es nicht ganz ohne Hoffnung, andere dort draußen zu erwarten, die ähnlich denken, ähnlich fühlen, und mit denen gemeinsam eine andere Welt zu bauen wäre.

„Noch geht es uns gut. Aber die Betonung liegt auf noch“, droht Coudenhove-Kalergi. Sie identifiziert sich letztlich mit der marktwirtschaftlichen Todeslogik und stellt sie als natürlich hin. „Schlechter Leben“ ist nicht Feststellung, sondern Programm, Zeichen der Komplizenschaft einer Intellektuellen.

Wer so spricht, das nur zum Abschluss, dem möchte man doch zurufen: Frau Coudenhove-Kalergi, bitte nach Ihnen, tun Sie doch den ersten Schritt unter die Brücke, die Sie so eingehend den Sachzwang des Kapitalismus begriffen haben! Im Ernst: Wer sich davor ziert, sollte sich besser dem sozialen Kampf für ein gutes Leben widmen anstelle solchen Unsinns.

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