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Brigitte Entner

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2012-05-23

Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewalt im Bezirk Villach

Ansprache von Brigitte Entner


To je že čudno, da po vojni sploh nismo več govorili o tem. In nihče si ni upal. Ne vem, koga smo se bali. Še sama ne vem več. Do danes.
(Lonki Schellander geb. in Oberdörfl/Zgornja vesca, Pfarre St. Egyden/Šentilj, 1919-2010)

Spoštovane dame in gospodje, drage prijatelijce, dragi prijateli, me veseli da ste prišli danes !

Sehr verehrte Damen und Herrn, liebe Freundinnen und Freunde, ich freue mich, dass Sie so zahlreich zum gemeinsamen Erinnern erschienen sind!

1999 hielt hier an diesem Denkmal der Lyriker Andrej Kokot als erster eine Rede. Vor 70 Jahren wurde Andrej Kokot gemeinsam mit seiner Familie und 226 weiteren Kärntner slowenischen Familien gewaltsam von seinem zu Hause vertrieben. Leider kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bei uns sein. Erlauben Sie mir daher, dass ich mit einem Blick auf die Geschichte seiner Familie beginne.

Andrej Kokot wurde als jüngstes von neun Kindern in der Gemeinde Köstenberg / Kostanje im Spätherbst 1936 geboren. Am 15. April 1942 frühmorgens stand plötzlich Polizei vor der Tür, Andrej war gerade fünf Jahre alt. Es war dies der Auftakt einer Reihe von Schicksalsschlägen, die seine Familie in der Folge treffen sollte. Für den kleinen Andrej begann dieser Tag noch als verheißungsvolles Abenteuer, wie er es in seinen Erinnerungen »Ko zori spomin« bzw. »Das Kind, das ich war.« so eindrücklich schilderte. Erstmals durfte er mit einem Automobil durch sein Heimatdorf fahren, es sogar verlassen. Der aufregenden Fahrt folgten jedoch rasch Internierung, Enteignung und Zwangsarbeit. Die Gewaltmaßnahmen ließen Andrej nicht nur seiner Heimat verlustig werden, sondern zerbrachen bald den immer noch schützenden Familienverband. Neben den Eltern Jožef und Magdalena waren da die älteren Geschwister Jožek, Francka, Anka, Mali, Hanzi, Lizi, Cencej und Mici, die Halt gaben. Der Vater und die älteren Geschwister wurden auf unterschiedliche Arbeitsstellen verbracht und kamen oft nur am Sonntag oder noch seltener zurück ins Internierungslager zur Mutter und den jüngeren Geschwistern. Am 22. Mai 1944 schließlich wurde der ältester Bruder Jožek auf seinem Arbeitsplatz im Ziegelwerk „Deutsche Hurdis Fabrik“ in Baden-Oos verhaftet. Er hatte Kontakt mit sowjetischen Kriegsgefangenen, die ebenfalls im Ziegelwerk Zwangsarbeit leisten mussten, und ihnen Lebensmittel und Rauchwaren zukommen lassen. Ein Mitarbeiter des Betriebs hatte dies angezeigt. Am 3. September 1944 wurde Jožek Kokot in das KZ Mauthausen eingewiesen, wo er zur Nummer 91.659 degradiert wurde. Als Landarbeiter dem Arbeitskommando am KZ Loibl Nord zugewiesen, wurde er nach seiner Ankunft vom Lagerleiter als Kärntner Slowene sofort wieder zurück in das Stammlager Mauthausen rücküberstellt. Wenige Tage nach seiner Ankunft erfolgte auf Befehl des Reichsführers SS am 25. September 1944 seine Hinrichtung. Mit ihm wurden an diesem Tag 135 Sowjetbürger und ein Pole gehängt. Jožek Kokot wurde nur 21 Jahre alt. Die Behörden ließen seine Angehörigen über sein Schicksal jahrelang im Ungewissen. Einen Grund für seine Hinrichtung erfuhren sie nie. Das Denkmal der Namen gab ihm 1999 durch die Nennung seines Namens ein Stück weit seine Würde zurück.

Die vielen Schicksalsschläge, die die Familie Kokot in den Jahren zwischen 1942 und 1945 erfuhr, wie die zwangsweise Aussiedlung, entschädigungslose Enteignung, Beraubung, Internierung in ein Konzentrationslager, außergerichtliche Hinrichtung, sind jedoch nicht nur eine persönliche Tragödie sondern ein wichtiger Bestandteil der jüngeren Kärntner Geschichte. Einer Geschichte, die in vielerlei Hinsicht den Slowenen und Sloweninnen im Lande allein überlassen wird. Ein Blick in die deutschsprachige Kärntner Medienlandschaft zeigt in den Monaten April und Mai – egal in welchem Jahr Sie die Zeitungen durchblättern – dass die NS-Verfolgung der Kärntner Slowenen und Sloweninnen kein Teil der offiziellen Gedächtnispolitik des Landes und auch nicht wirklich Teil des kollektiven Erinnerns der Mehrheitsbevölkerung geworden sind. Schon bald nach dem Krieg hatte sich ein Mantel des Schweigens über jene schrecklichen Ereignisse vom April 1942 und deren Folgen gelegt. Er hatte alles Unrecht, das geschehen war, überdeckt. Dieser Mantel wurde von vielen getragen: von Opfern, Verantwortlichen, Profiteuren und Zusehern. Die Gründe für dieses Schweigen waren unterschiedlichster Natur. Viele Opfer schwiegen, weil sie ihre Traumatisierung nicht an ihre Kinder weitergegeben wollten. Sie schwiegen aber auch, weil sie nach ihrer Rückkehr wieder mit genau jenen Nachbarn weiterleben mussten, die zum Teil von ihrer Vertreibung profitiert hatten oder gar dafür verantwortlich waren. Oder, wie es die aus Oberdörfl/Zgornja vesca geborene Widerstandsaktivistin Lonki Schellander formulierte: „Das ist das Komische, dass wir dann nach dem Krieg über das überhaupt nicht mehr geredet haben. Und niemand hat sich getraut, wissen Sie. Ich weiß nicht, vor wem wir Angst gehabt haben. Ich weiß es selber nicht mehr. Bis heute.«

Die Profiteure schwiegen gelegentlich aus Scham. Geschwiegen wurde auch, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. In Kärnten schwieg man aber vor allem deshalb, weil die Verfolgung der Kärntner Slowenen und Sloweninnen nicht mit dem von deutschnationaler Seite gepflegten Bild des „Aggressors aus dem Süden, der Kärntens Einheit bedroht“ zusammenpasste. Wenn die zwangsweise Aussiedlung thematisiert wurde, dann wurde sie von Vertretern der Mehrheitsbevölkerung meist verharmlost. Die Traumatisierung durch Vertreibung und Enteignung, Internierung und Entwürdigung wurde ebenso wenig berücksichtigt, wie die zahlreichen Toten, die die zwangsweisen Ausgesiedelten zu beklagen hatten. Das konsequente Verschweigen hatte zur Folge, dass die Ereignisse vom April 1942 und deren Folgen in der deutschsprachigen Öffentlichkeit beinahe völlig in Vergessenheit geraten sind.

Dabei gab es unmittelbar nach der Besetzung Kärntens durch britische und jugoslawische Militärs durchaus Ansätze, die in eine ganz andere Richtung wiesen. Am 8. Mai 1945, fast auf den Tag genau vor 67 Jahren, wurde in der ersten Sitzung der Provisorischen Kärntner Landesregierung festgehalten, dass die „Aussiedlung der slowenischen Bevölkerung“ widerrufen wird und die entsprechenden Schäden wieder gutgemacht werden. Wenig später, am 16. Juni 1945, betonte der damalige provisorische Landeshauptmann Hans Piesch, dass es eine „Ehrenpflicht der Demokratie“ sei, die Forderungen der Kärntner Slowenen nach Wiedergutmachung der Ausgesiedelten, Reaktivierung der kulturellen und wirtschaftlichen Vereinigungen, Wiedererrichtung des slowenischen Schulwesens sowie die Freiheit der Sprachenwahl vor den Behörden anzuerkennen. Weiters betonte er: „Der Landessausschuss anerkennt die großen Verdienste, die sich der slowenische Volksteil Kärntens bei der Bekämpfung der nationalsozialistischen Herrschaft erworben hat und spricht seine Bewunderung für den heldenhaften Freiheitskampf des jugoslavischen Volkes aus. Der Landesausschuss wird alles tun was in seinen Kräften steht, um den österreichischen Staatsbürgern slovenischer Sprache volle Gerechtigkeit in einem demokratischen Österreich widerfahren zu lassen.“

1949 war die Grenzfrage geklärt. 1949 gab es auch jene Wahlen, bei der erstmals 800.000 ehemalige Nationalsozialisten zugelassen waren. Das politische Klima hatte sich in Kärnten dramatisch verändert – Kärntner SlowenInnen wurden wieder in aller Öffentlichkeit diffamiert und kriminalisiert, ihre Forderungen nach Schutz und Anerkennung ihrer Sprache und Kultur als maßlos bezeichnet, die Verfolgten als bevorzugte Gruppe dargestellt.

Die Erinnerung an die Schrecken der Verfolgung und die vielen Opfer die Verfolgung und Widerstand verlangten, wurde in der Folge von den Angehörigen der slowenischen Volksgruppe allein getragen. Erst in den 1990er Jahren begannen zivilgesellschaftliche Initiativen wie der Verein Erinnern sich der NS-Opfer, also auch der verfolgten Kärntner Slowenen und Sloweninnen, anzunehmen und ihnen ein würdiges Erinnern zu sichern, sie vor dem Vergessen zu bewahren. Dafür ist dem Verein aufrichtig zu danken. Die Funken, die diese Initiativen zündeten, konnten jedoch kein großes Feuer der Erinnerung entfachen. Und so wundert es auch nicht, dass bei den Gedenkfeierlichkeiten am 15. April 2012 im Klagenfurter Dom das offizielle Kärnten nur sehr spärlich vertreten war. Und doch stellte die hier gefeierte Gedenkmesse einen markanten Wendepunkt dar: In einer berührenden und von Herzen kommenden Predigt bat Bischof Alois Schwarz die Kärntner Slowenen und Sloweninnen um Verzeihung!

Es ist nun an der Zeit, dass wir uns, jeder für sich, unserer Verantwortung stellen. Dabei aber muss, um den NS-Opfern wirklich auch gerecht zu werden, große Achtsamkeit an den Tag gelegt werden! Gerade in jüngster Zeit werden in der Öffentlichkeit verschiedene Projekte vorgestellt, die zwar der NS-Opfer gedenken wollen, über dieses Gedenken aber gleichzeitig ein Forum für jene schaffen, die tatkräftig das NS-Regime unterstützt hatten.

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