2003-04-19

Heimat

Bevor ich ein Kind war träumte ich war ich ein Volk war im Herzen eines Volkes geborgen das ich noch nicht kennen konnte da ich noch nicht geboren war in den Spuren die vor mir waren nun bin ich kein Kind mehr aufgewachsen mit den Wirklichkeiten meines Landes das nicht meines ist träume vom Herzen eines Volkes das ich kaum kenne das doch meines ist zu dem ich gehöre ohne es je kennengelernt zu haben bis eine Stimme mich am Telefon erreicht die Stimme eines Poeten aus dem Land in dem ich war bevor ich geboren wurde in dem meine Ahnen geboren worden waren wieder und wieder gelebt hatten bevor ich an die Reihe kam in dieser verschlafenen Stimme am Telefon kommt mir das Volk entgegen das in mir träumt das in mir das Fernweh ist das Heimweh ohne gewusst zu haben woher dieses Heimweh kommt nach meinem Volk ich gehörte nie dazu ich war nie zu Hause im Exil fühlte ich mich seit meiner Kindheit ich warte in einem langen Blick in die Welt meiner Ahnen eingekehrt es ist kein Land dieses Heimwehgefühl die Sehnsucht der Seele nach dem Volk das in sich trägt alle Melancholie und alle Wärme des Südens des verschwiegenen Leidens und das ganz einfache Leben in sich trägt Brot und Salz es kommt eine Stimme auf mich zu von zu Hause wobei dieses Zuhause eine Vergangenheit ist an die ich mich erinnere ohne sie erlebt zu haben in meinem Körper breitet sich die Wärme einer Ankunft aus in der Begegnung mit dem Poeten erwacht zum Leben meine Zugehörigkeit zu einem Volk

Simo Mraovic, Literaturpreisträger und Poet aus Zagreb wird am 24. April 2003, in der Bibliothek in Gmünd eine Lesung halten. Er ist seit 5. April 2003 für einen Monat Gastliterat der Stadt Gmünd.