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Peter Pirker

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2010-11-13

Widerstand zwingend oder zwecklos?

Rede in Rosegg bei der Veranstaltung r Hinschauen - Erinnern / Poglej! Spomni se! anlässlich der Eröffnung der Ausstellung über die NS-Opfer von Rosegg im Rosental, 29.10.2010

.

Ich möchte mich einigen Aspekten dieser mir gestellten Frage mit Erfahrungen nähern, die ich am 26. Oktober in Wien gemacht habe. Am Vormittag besuchte ich die Gedenkveranstaltung des Personenkomitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz in Wien-Kagran, an der ehemaligen Hinrichtungsstätte, wo Wehrmachtsdeserteure erschossen wurden. Etwa 40 Personen waren dort, um einer Rede von Richard Wadani zu lauschen, einem Wehrmachtsdeserteur, der in den vergangenen zehn Jahren zäh dafür gekämpft hat, dass die Republik Österreich, d.h. der Nationalrat, endlich anerkennt und sagt, ja, die Wehrmachtsdeserteure haben das richtige getan, Widerstand gegen den NS-Krieg geleistet und damit dazu beigetragen, dass die Republik Österreich entstehen konnte. Desertieren war richtig, sinnvoll und erfüllte den Zweck, die Niederlage NS-Deutschlands mitherbeizuführen.

Die Niederlage NS-Deutschlands war zwingend die Voraussetzung dafür, dass ein demokratischer Staat entstehen konnte. Damit wäre die Frage beantwortet: Ja – Widerstand war zwingend und zweckvoll, für jene, die ein Leben jenseits des Nationalsozialismus wollten. Nur hätte das nicht erst 2009, sondern schon in der ganzen Nachkriegszeit das Selbstverständnis einer demokratischen Republik sein sollen. War es nicht, ist es – vor allem auf populärer Ebene – immer noch nicht, wie das folgende Erlebnis zeigt.

Auf dem Heimweg kam ich am Heldenplatz vorbei, wo das österreichische Bundesheer seine Leistungsschau zum Nationalfeiertag abhielt. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mir anzusehen, wie das offizielle Österreich an diesem Tag der Bevölkerung den Gedächtnisraum im äußeren Burgtor präsentiert, der den „Opfern im Kampfe für Österreichs Freiheit“ gewidmet ist.

Auf dem Heldenplatz, zehntausende Menschen rund um die Gerätschaften des Bundesheeres. Ohne lang nachzudenken, wo genau dieser Gedenkraum ist, ging ich schnur stracks auf jene Stelle zu, wo Menschentrauben in das Innere des Burgtors und heraus strömten. Wer Österreich kennt, wird schon vermuten, dass es nicht der Gedächtnisraum für die Opfer im Kampfe für Österreichs Freiheit war, der so regen Zulauf genoss, es war die Kapelle, in dem den Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges gedacht wird. In großen goldenen Lettern steht dort zu lesen: „In Erfüllung ihres Auftrages liessen sie ihr Leben“. Auftrag der Wehrmachtssoldaten kurz gefasst: Errichtung eines rassistischen Nazi-Reichs in ganz Europa, Assistenzleistung beim Judenmord. Das steht natürlich nicht dort.

Neben allerhand Sakralem, den Insignien der katholischen Kirche, einer überlebensgroßen liegenden Soldatenfigur, Kerzen, Blumen, etc. fällt auf, dass sich Besucher und Besucherinnen vor allem für die Schaukästen interessieren, in denen die Gefallenenbücher jedes Bundeslandes liegen. Fein säuberlich sind hier die gefallenen Wehrmachtssoldaten für jedes einzelne Dorf in Österreich aufgelistet, in regelmäßigen Abständen werden die Seiten rituell umgeblättert. Die Leute interessieren sich dafür, weil sie jemanden zu erkennen hoffen und damit sich erkennen zu hoffen – jedenfalls drängen sie sich um diese Schaukästen, Militärseelsorger stehen ihnen für Fragen zur Verfügung.

Wo ist aber der Gedenkraum für die Opfer im Kampfe um Österreichs Freiheit? Auf der anderen Seite des Burgtors, wird mir erklärt. Dorthin gehend sehe ich schon, dass der Eingang verwaist ist. Einzelne gehen kurz hin und wenden sich wieder ab. Warum? Der Eingang ist vergittert. Man darf nicht in den Raum hineingehen. Meine Frage an einen Aufseher, der kurz im Inneren des Gedenkraumes auftaucht, warum? beantwortet er so: Hier gibt es nichts zu sehen, außer das was sie vom Gitter aus sehen: Also eine große Marmortafel mit der Aufschrift „Im Gedenken an die Opfer im Kampfe für Österreichs Freiheit“. Warum darf ich mich den hingerichteten Freiheitskämpfern nicht nähern, wie den gefallenen Wehrmachtssoldaten? Warum gibt es hier keine Namen, warum kann ich nicht nach r Anton Tuder suchen, nach r Hermann Pischelsberger oder r Rosalia Sovdat? Warum können sich die Menschen am 26. Oktober hier am Heldenplatz jenen nähern, die in der großen Mehrheit ungebrochen für Nazi-Deutschland gekämpft haben und jenen, die Hitler Widerstand geleistet haben, nicht? Der Raum für die Freiheitskämpfer werde vom Bundesheer nicht bewacht, bekomme ich zur Antwort. Warum aber wohl jener für die gefallenen Wehrmachtssoldaten? Die sind auch für Österreich gefallen, höre ich ihn sagen. Was? Keine weitere Diskussion, wir sind nicht zum Diskutieren da.

Ich habe den Heldenplatz wütend verlassen, mit dem Gedanken im Kopf, die Republik hält der Bevölkerung die WiderstandskämpferInnen, die Verweigerer und Deserteure wie eh und je vom Leib, während sie die Identifizierung mit der Wehrmacht nach wie vor regelrecht zelebriert. Was für eine Republik! Naja, Österreich eben. Im Grunde bildet diese Situation am Nationalfeiertag kulturelle Gedächtnis und historische Bewusstsein der Zweiten Republik genau ab: Distanz zum und Abwehr des Widerstands, Integration und Wieder-gut-machung der Wehrmachtssoldaten und Nazis. Widerstand zwecklos, denke ich mir beim Nachhausefahren. Nein – Widerstand zwingend, würde Richard Wadani sagen.

Und es stimmt: Ob Widerstand gegen den Nationalsozialismus zwecklos war, ist eine Frage, die ihre tiefere Bedeutung nicht bezogen auf die historische Zeit hat, in der er geschah, also sagen wir im Juni 1940 hier im Rosental, sondern die in der Gegenwart entschieden wird, die immer aktuell ist. Ob Widerstand zwecklos war, entscheidet sich im Umgang mit dem Erbe des Widerstands. Was meine ich damit? Widerstand gegen das NS-Regime verliert in der Gegenwart seinen Zweck und seinen Sinn, wenn die erkämpften Rechte, zum Beispiel das Recht auf slowenischsprachigen Unterricht, nicht dauerhaft eingelöst und in diesem Sinne weiterentwickelt werden, sondern – wie in den 1950er Jahren geschehen – tendentiell abgeschafft werden. Überhaupt verstärkten sich die Angriffe auf die Errungenschaften des Befreiungskampfes der Partisanen genau in dem Moment, als Österreich souverän wurde, die ehemaligen Nationalsozialisten also von der alliierten Leine gelassen wurden. Während des Nazismus war der Zweck des Widerstandes ein Leben jenseits des Nationalsozialismus zu ermöglichen, jenseits von Rassismus und Antisemitismus. Ob Widerstand zwecklos war, entschied sich nicht im Widerstandskampf gegen die Nazis, denn die Nazis konnten aufgrund des Mangels an innerem Widerstand letztlich nur durch die geballte Kraft der alliierten Armeen niedergerungen werden. Ob Widerstand zwecklos war, entscheidet sich immer in der jeweiligen Gegenwart, an unserem Denken und Tun, an unserem Bemühen, jeden Ansatz einer eliminatorischen Volksgemeinschaft entgegenzutreten, die österreichische Nachkriegsversöhnung mit den Nazis, die eine sekundäre Volksgemeinschaft mit einem neuerlichen Ausschluss des Slowenischen, des Widerstandes der Deserteure, mit einem Wiederaufleben des Antisemitismus begründet hat, unnachgiebig zu kritisieren, jegliche Ansprüche von postulierten oder angeblich primordialen Gemeinschaften an den Einzelnen zu hinterfragen. Auf den Punkt gebracht und zugespitzt: Widerstand heute ist zwingend, wenn der Widerstand gestern nicht zwecklos gewesen sein soll.

Kehren wir noch einmal in die Zeit des Nationalsozialismus zurück. Ich zeigen Ihnen einen kurzen Ausschnitt aus einem Interview mit dem Osttiroler Wehrmachtsdeserteur David Holzer, der die Antwort auf unsere Frage nach dem Sinn des Widerstsandes in zwei Schritten gibt.

[Über die Beweggründe zur Desertion]
Erstens, das hat man schon mitbekommen, dem Hitler war die Kirche im Wege. Die Kirche war für ihn nichts. Ich habe christliche Eltern gehabt und gute Eltern gehabt und wir sind der Ansicht gewesen, das ist nichts für uns. Das ist keine Zukunft für uns. Ich hab mir gedacht, ich stell mich auf die richtige Seite und bleib auf der richtigen und bin heute zufrieden.

[Erschießung von sowjetischen Kriegsgeangenen]
Da hat es sich einmal ergeben, da sind sechs Männer ausgebrochen aus dem Lager. Und nachher hätten wir sollen gehen die einfangen. Der eine Zug da, der andere Zug da, das ganze Gelände absuchen. Jetzt haben sie dann 60 rausgeholt aus dem Lager, die mussten rausgehen in den Wald, da war so eine Vertiefung und da haben sie müssen dann, die haben so Watteblusen gehabt, die haben sie müssen ausziehen, damit die Kugeln da nicht durchgehen. Da haben sie 60 da erschossen und das hat mich schon... Ich hab das bemerkt, dass da heute etwas Anormales passiert. Das hat mich so schockiert, dass sie die Gefangenen da unschuldigerweise, für einen sechs [zehn], erschießen. Dann war es bei mir eigentlich... Der Patriotismus war nie da, aber da war er auf dem Hund.
[Aus: „Ich stelle mich auf die richtige Seite“ – Der Wehrmachtsdeserteur David Holzer, A 2010 / 11 min./ DV / Farbe, Redaktion Peter Pirker; Produktion Tristan Sindelgruber. Der Kurzfilm wird im Rahmen der Ausstellung „Was damals Recht war...“ gezeigt.]

David Holzer erinnert sich, dass Widerstand für ihn in zweifacher Hinsicht zwingend war. Erstens: Die Ideologie des Nationalsozialismus zerstörte seine ethische Lebensperspektive, seine Zukunft. Zweitens: Die Erkenntnis, dass die Praxis des Nationalsozialismus, in diesem Fall seiner Armee, Mord ist, das Töten ist, nicht bloß als Kriegshandwerk, sondern um das Vernichten des Anderen willen, in diesem Fall sowjetischer Kriegsgefangener. Dagegen bewahrte sich David Holzer die Autonomie einer eigenen Entscheidung: Da machen wir nicht mehr mit – das war die Entscheidung, die David Holzer im Frühjahr 1943 nach einem Jahr bei den Kärntner Gebirgsjägern in Finnland gemeinsam mit seinem Bruder und einem Freund traf. David überlebte als einziger die Desertion, überlebte die Gestapo-Haft in Klagenfurt und das KZ Börgermoor. Sein Bruder und sein Freund starben durch die Wehrmachtsjustiz. Dennoch ist er heute mit seiner Entscheidung zufrieden: Sie war nicht zwecklos – auch wenn die Republik Österreich zwischen 2004 und 2008 50 Monate benötigt hat, um seinen Antrag auf Opferfürsorge positiv zu erledigen.

David Holzers Aussagen erinnern an das Buch des Kärntner slowenischen Deserteurs Lipej Kolenik über seinen Weg in den Widerstand: Für das Leben – gegen den Tod. Wer sich entschloss, die verordnete Volksgemeinschaft und ihre Armee zu verlassen, traf eine Entscheidung für das Leben und gegen den Tod. Jeder und jede, der sein Leben gegen den Nationalsozialismus setzte, fällte ein Existentialurteil über den Nationalsozialismus, gegen seine Kriegs- und Vernichtungspolitik, gegen das Konzept der Volksgemeinschaft. Dies getan zu haben, diese Autonomie gegen die Volksgemeinschaft gesetzt zu haben, damit haben David Holzer und Lipej Kolenik durch ihr Handeln einen bleibenden, nicht mehr zu hintergehenden Imperativ für alle Gesellschaft nach ihnen gesetzt, nämlich ähnliches wie den Nationalsozialismus oder auch nur Spuren davon nicht zu dulden, nicht aufkommen zu lassen. Das ist das Vermächtnis des Widerstandes, umsetzen und weiterentwickeln müssen wir es.

Die Bedingungen, unter denen David Holzer und Lipej Kolenik ihre Entscheidung fällten, waren freilich sehr unterschiedlich. David Holzer tat es in einer Umgebung, wo es kaum Risse in der Volksgemeinschaft gab, in die man sich begeben, die man weiten konnte, er war ein einsamer Akteur, musste sich im Wald vergraben und warten, vereinzelt, isoliert, ständig bedroht von Verrat, der dann auch geschah. Lipej Kolenik hingegen konnte sich dem einzigen kollektiven, organisierten Widerstand, das heißt schutz- und wehrfähigen Widerstand innerhalb des Deutschen Reiches anschließen, den Kärntner Partisanen. Und damit kommen wir zu einer Form der Entwertung von Widerstand, einer Delegitimierung, die sich in Kärnten speziell, aber auch unter patriotisch gesinnten Historikern großer Beliebtheit erfreut – der Verweis darauf, dass die Partisanen zwar gegen die Nazis, aber – böse – für Jugoslawien gekämpft haben. Ja mit welcher Perspektive denn sonst? – möchte man dagegen halten.

Dieser oft mit auftrumpfender und moralischer Empörung vorgetragene Vorwurf ist ahistorisch und rein geschichtspolitisch motiviert, weil er die historische Gelegenheitsstruktur völlig unberücksichtigt lässt. Gab es eine Alternative? Wo war eine Widerstandsorganisation, die unter dem Banner Österreichs kämpfte? Es gab keine, abgesehen von den Österreichischen Bataillonen bei den Partisanen in Slowenien ab Dezember 1944. Und was waren die Erfahrungen der Kärntner SlowenInnen zwischen 1920 und 1945 mit den Österreichern, resp. Deutschen? Keine guten. Der Kampf mit der Perspektive Jugoslawien war – wenn wir in unserer Terminologie bleiben – aus den historischen Bedingungen heraus zwingend, und letztlich auch nicht zwecklos, weil die Minderheitenrechte als Ersatz für die territoriale Lösung errungen wurden. Spätestens ab 1955 wurde – wie bereits erwähnt – in Kärnten aber politisch alles dafür getan, den Widerstand im Nachhinein wieder zwecklos zu machen, seine Errungenschaften abzuschaffen. Dagegen wiederum half nur Widerstand. Ich halte es jedenfalls für eine geradezu nationalistische Anmaßung, wenn austriakische Historiker Kärntner Partisanen damit kommen, dass sie nicht für Österreich gekämpft hätten.

Ein zweites eigentümliches Phänomen hinsichtlich der Bewertung des Widerstandes ließ sich in Kärnten in den vergangenen Jahren beobachten, nämlich eine groteske Heroisierung des Widerstands der letzten Minute, als es in den ersten Maitagen darum ging, den Alliierten eine halbwegs akzeptable politische Elite vorzustellen. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, dass diese zum Teil aus NS-Funktionären bestehende Gruppe das mindeste nicht tat, nämlich NS-Verbrecher wie Rainer, Globocnik, Lerch und andere festzunehmen, und den Briten zu übergeben oder Jugoslawien, Italien, Polen, wo sie ihre Mordwerk begangen hatten. Worum es mir geht ist, dass dem Lob des späten elitären, patriotischen, antislowenischen Widerstandes, das 2005 sogar Jörg Haider gesungen hat, eine jahrzehntelange Missachtung, Verachtung und Verunglimpfung des frühen und laufenden Widerstands der kleinen Leute und der Einzelnen gegenübersteht. Dahinter steht eine gewisse politische Auffassung, wonach Herrschaft ebenso wie Opposition ein ausschließliches Recht der Eliten sei; zugleich enthält diese Sicht ein Ressentiment gegen den Widerstand der einfachen Leute, der als unpolitisch, kriminell, unwichtigt, wertlos, zwecklos abgetan wird.

Ein lokales Beispiel dafür ist der frühe grenzüberschreitende Widerstand aus dem Frühjahr 1940, an dem Leute wie Gregor Gabriel aus Schlatten oder Alois Knes aus Maria Gail beteiligt waren, und aus dem heraus die ersten, wenn auch wenig effektiven Sabotageanschläge gegen die NS-Kriegsmaschine in der „Ostmark“ vollbracht wurden. Ein Kriegsgericht hat sieben Arbeiter, drei von ihnen aus Maria Gail im Juli 1941 in Klagenfurt dafür zum Tode verurteilt, weitere in diesem Zusammenhang festgenommene Antifaschisten, Anton Tuder wurde heute bereits erwähnt, starben in der Haft oder im KZ. Ein Mann, der maßgeblich an der Verfolgung, Unterwanderung und Aufdeckung der Gruppe beteiligt war, war der ebenfalls hier aus der Gegend stammende NS-Funktionär und SS-Mann Karl Fritz. Was geschah nach 1945? Ich komme damit wieder an den Anfang zurück, den Heldenplatz, wo die typisch österreichische Gedenkstruktur (Missachtung des Widerstands/Wieder-gutmachung der Nazis, Identifikation mit den Wehrmachtssoldaten) bis heute abgebildet ist. Ihre Etablierung war flächendeckend, musste aber lokal auch gegen Widerstände durchgesetzt werden. In Maria Gail beispielsweise wehrten sich lokale Sozialisten und Kommunisten lang dagegen, dass ein Kriegerdenkmal errichtet wird, das den Kriegsdienst in der Wehrmacht heroisiert und den Widerstand ausschließt und verunglimpft. Letztlich wurde das Denkmal 1953 aber errichtet Unter tatkräftiger Mithilfe von eben jenem Karl Fritz, nunmehr ÖVP-Landtagskandidat, der die Maria Gailer Antifaschisten dem Fallbeil ausgeliefert hat. Der zweite Schutzpatron des Denkmals war der Abgeordnete der FPÖ-Vorgänger-Partei WdU und Ritterkreuzträger der Wehrmacht Hans Rohr. In ihren Reden ließen Fritz und Rohr nur schwach verklausuliert keinen Zweifel daran, dass die Werte des Nationalsozialismus weiterhin als Leitwerte Geltung haben: eiserne Pflichterfüllung, unbedingte Unterordnung des Einzelnen unter das Volk, die Bewahrung der Reinheit des deutschen Blutes und dass die Wehrmachtssoldaten edelstes Soldatentum verkörpert hätten. Rohr attackierte unverblümt die Deserteure der Wehrmacht als Eidbrecher und Verräter. Eine offene Drohung an die überlebenden NS-Gegner formulierte in diesem Zusammenhang die ÖVP-nahe Allgemeine Bauernzeitung: „Wer seine Heimat nicht liebt, und die Heimat nicht ehrt, ist ein Schuft und des Glückes in der Heimat nicht wert.“ Zur Schande der österreichischen Nachkriegsgesellschaft muss man sagen, dass sich Fritz und Rohr über Jahrzehnte weitgehend durchgesetzt und damit den Widerstand der Maria Gailer Antifaschisten zwecklos gemacht haben. Es ist dem Verein Erinnern zu verdanken, diesem Treiben entgegengetreten zu sein. Er hat die Namen der Widerständigen recherchiert, sie öffentlich genannt und hat damit erfolgreich Widerstand gegen das Zwecklosmachen von Widerstand geleistet. Denn es geht gerade bei der lokalen Erinnerungsarbeit darum, die Geschichtshegemonie der Altnazis, der Kameradschaftsverbände und Heimatdienste zu überwinden. Ohne dem bleibt Gedenken eine kontemplative Übung.

Abschließend noch ein Satz zu Anton Tuder. Allen Indizien, die mir vorliegen, war Anton Tuder nicht direkt an der Sabotagegruppe beteiligt, er half aber einem zentralen Akteur, dem Wehrmachtsdeserteur Alois Knes bei seiner ersten Flucht aus der Wehrmacht nach Slowenien. Und als Tuder selbst in die Fänge der Gestapo und der NS-Justiz geriet, blieb er standhaft. Er lieferte niemanden aus, er gab keine Namen preis, er belastete niemand. Die NS-Richter konnten ihm, selbst nach ihrem verbogenen Rechtsverständnis, kein Vergehen nachweisen und mussten ihn freisprechen. Weil er aber standhaft geblieben war und sich damit gegen das NS-System gestellt hatte, war er zum Feind und zum Verräter der Volksgemeinschaft geworden – darauf stand extralegal KZ und Tod. Auch das Verhalten von Anton Tuder war ein Existentialurteil gegen den Nationalsozialismus: vor dem Hintergrund einer antifaschistischen Einstellung verhielt sich Anton Tuder in der Konfrontation mit dem Verfolgungsapparat widerständig und autonom. Widerstand wurde für ihn zwingend, um sich das Andere gegen den Nationalsozialismus zu bewahren, um das Andere zu behaupten, auch um den Preis des eigenen Lebens. Ob zwecklos oder nicht – das wiederum beantwortet sich an unserem Handeln in der Gegenwart. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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Literatur und Quellen:

Peter Pirker: Gegen das Dritte Reich. Sabotage und transnationaler Widerstand in Österreich und Slowenien 1938-1940, Klagenfurt 2010. r www.kitab-verlag.com

Peter Pirker: „Wir gehen gemeinsam in den Untergrund“. Die Osttiroler Deserteure Alois Holzer, David Holzer und Franz Stolzlechner, in: Thomas Geldmacher et al. (Hg.): „Da machen wir nicht mehr mit“. Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht, Wien 2010. r www.mandelbaum.at

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Hans Haider, 2010-11-13, Nr. 4980

Peter Pirker schreibt: ...."zugleich enthält diese Sicht ein Ressentiment gegen den Widerstand der einfachen Leute, der als unpolitisch, kriminell, unwichtigt, wertlos, zwecklos abgetan wird".

Tatsache aber ist, dass der eigentliche Widerstand in Kärnten von "einfachen Leuten" durchgeführt wurde. Die "Studierten und Gebildteten fehlten". Das gereicht ihnen zur Schande.

Dazu schreibt Peter Handke in seinem neuesten Buch "Immer noch Sturm":
...Hierzulande fanden im Herbst und im Winter und im folgenden Jahr jedenfalls die einzigen Schlachten innerhalb der Grenzen des Tausendjährigen Reichs gegen selbiges statt. Befehligt wurde die Widerstandsarmee ausschließlich von ehemaligen Holzfällern, Bauernburschen, Sägewerksarbeitern, Müllergesellen. Irrtum wiederrum, anzuznehmen, unter den Anführern seien einheimische Studierte, Lehrer, Anwälte, Ärzte gewesen. Höchtens ein paar Priester..... Die Angehörigen der, wie sagt man, einheimischen Oberschicht, die, wie sagt man, Gebildeten, fehlten all die Zeit des großen und einzigen Widerstands hierzuland, und sie fehlten bis zuletzt. Ihr Fehlen war den Bauernburschen nicht etwa recht, es wurde von ihnen beklagt, wieder und wieder, wenn sie, untereinander sprachlos, nicht mehr weiterwußten. "Unsere Studierten wo sind sie? Das Volk, es kann unsere Worte kaum erwarten. Aber wir, was haben wir zu sagen? Den Herren liegt nichts an unseren Menschen. Unsere Gelehrten, die schonen sich für bessere Zeiten. Aber wir und das Volk, wir brauchen sie, als Sprecher, als Ausweg. Es genügt nicht, Waffen zu laden, Holz nachzulegen und Kaffee zu kochen. Gemäß dem Spruch, daß die einen das Vieh versorgen, und die anderen die Wörter, und daß beide zusammen das Haus und den Hof versorgen..."

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