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Walther Schütz

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2010-11-05

„Ressource“: Die Verdrängung von Grundrechten durch die Verwertbarkeit

Die Verwendung eines Begriffes als liberales Glaubensbekenntnis

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Vor wenigen Tagen bekomm ich ein Mail zu einer Veranstaltung zum Thema „Zweisprachigkeit“ (siehe nebenstehende Grafik). In Kärnten immer noch ein heißes Thema, wenn auch nicht mehr so brisant wie noch vor 30 Jahren. Bei einem ersten flüchtigen Durchschauen sticht mir aber ein Begriff ins Auge: „Ressource“. Es gehe um einen „Impuls für die Region“, so der Untertitel, um „Entwicklungschancen“ und darum, „dass die Entwicklungsperspektiven Südkärntens wesentlich davon abhängen, ob es der Region gelingt, die vorhandenen sprachlichen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Ressourcen zu berücksichtigen“.

Nun stolpere ich in kurzer Zeit schon zum zweitenmal über diesen Begriff der „Ressource“, ein Wort, das noch vor kurzem noch eher in Verbindung mit Erdöl und anderen Rohstoffen gebraucht wurde. Migrant/innen und ihre Fähigkeiten wären eine Ressource, kündigt bereits der Titel der Veranstaltung r Ressourcen im Blick an, für die die Abteilung Interkulturelle Bildung an der Universität Klagenfurt verantwortlich zeichnet, an.

Schlampigkeit in der Begriffswahl? Eigentlich kaum vorstellbar bei Menschen, bei denen gerade die präzise Verwendung von Begriffen von der ganzen Profession her als Universitätsprofessor/innen zum ureigensten Feld gehört. Sollte man meinen ...

Und dann fällt mir noch eine Veranstaltung ein, die mit ähnlichen Begründungen für die Sache argumentierte, auch wenn (noch) nicht offen von „Ressource“ die Rede war: r Internationale Konferenz: MEHRSPRACHIGKEIT (8.10.2008): „In welche Richtung müssen wir uns selbst entwickeln, um weltoffene, selbstbewusste und erfolgreiche »WeltbürgerInnen einer bestimmten Region« zu werden?“, hieß es da unter anderem.

Es wird also ganz offen bei Mehrsprachigkeit, beim Plädoyer für einen offeneren Zugang Migrant/innen gegenüber ... mit dem ökonomischen Nutzen argumentiert, den die Region, der Standort oder auch das einzelne Individuum habe. Nicht humanistische Gesichtspunkte, Menschenrechte, gesetzlich zustehende Verpflichtungen, Selbstverständlichkeiten, die einem zustehen (sollten) etc. werden ins Feld geführt, sondern die Verwertbarkeit in einer – und auch das wird meist offen angeführt – globalisierten Welt / also bei zugespitzter Konkurrenz.

Was nun nachdenklich stimmt, ist nicht etwa die Tatsache, dass die Organisator/innen solcher Konferenzen, Diskussionsabende, Projekte ..., nicht Recht hätten: Selbstverständlich ist in der konkreten Situation das Beherrschen von Sprachen von Vorteil. Nein, aus meiner Sicht bedenklich ist, was sich da an Grundwerten verschiebt, wie sich Menschenbilder verändern, welche Verhältnisse da affimiert werden und wie unverhohlen da Bildung als Zurechtrichtung des Menschen (und nicht etwa als etwas zur Hinterfragung der Verhältnisse) praktiziert wird.

Über die Ursachen dieses Wandels kann man nur spekulieren, mir fallen zwei Erklärungen ein:

1. Möglicherweise ist es einfach der Versuch einer geschickten Nutzung einer Situation, in der man mit einer Argumentation mit Menschenrechten nicht durchkommt und man halt versucht, „den Tiger zu reiten“ und einfach etwas nutzt, um ein höheres Anliegen durchzusetzen? Quasi Opportunismus aus lauteren Motiven?

2. Oder ist es einfach Bewusstlosigkeit, ist es die Durchsetzung des liberalen Marktparadigmas in den Köpfen? Wäre somit das, was früher einmal irgendwie oppositionell sozial-reformerisch oder republikanisch-demokratisch war, endgültig in der „freien Marktwirtschaft“ angekommen?

Wie dem auch sei, festzuhalten ist:

  • Sprachen und andere menschliche Eigenschaften gehen als „Ressourcen“ in der großen Verwertungsmaschinerie des Kapitalismus auf, es wird das dominante Marktparadigma in weitere Lebensbereiche hineinaffimiert. Damit aber verwandelt sich Sprache von etwas, mit dem die Menschen einander begegnen, zu einer Waffe, die hilft, im Konkurrenzkampf andere auszustechen, es wird das Näherkommen der Menschen mittels Sprachenlernens, dieser potenzielle Zugewinn an Empathie und dieses Zugestehen von Grundrechten erkauft mit der Konkurrenz der Standorte
  • Die Fortschritte werden auf einer individuellen Ebene erkauft mit der Anerkennung des Einhauens und Einstechens als Grundprinzip menschlichen (?) Verhaltens
  • sie werden erkauft mit dem Kalkül des Profits
  • sie werden erkauft mit der Bejahung eines Systems, das überhaupt nur mit Wirtschaftswachstum funktionieren kann und damit einer unglaublichen Ignoranz des Systems wie seiner Glieder, den „weltoffenen, selbstbewussten und erfolgreichen WeltbürgerInnen“, gegenüber der Entwicklung des Globus
  • sie wird erkauft mit einem Prinzip der Inhumanität, die Bedürftigen ohne entsprechende Kaufkraft eben nichts gibt, auch wenn noch so viel der Güter vorhanden sind
  • ...

und was da halt noch so an Grundcharakteristika des affirmierten Systems besteht.

WIE prekär das Setzen auf diese Form der weltoffenen, selbstbewussten und erfolgreichen »WeltbürgerInnen einer bestimmten Region« ist, zeigt sich jetzt, wo dieses Erfolgsmodell ins Stottern kommt, wo die Krise der (Erwerbs-)Arbeit sich langsam in die Mittelschichten hineinfrisst: Da bedarf es nur eines Thilo Sarrazin, um die so ganz und gar nicht vergangenen, sondern nur eine zeitlang in den Hintergrund getretenen Schatten der Vergangenheit zu reaktivieren. Es ist dann genau diese Mitte der Gesellschaft, die dann fragt, was denn nun die „Ressource“ Mensch in die Volkswirtschaft einbringe. Ist es von da noch weit zur Feststellung, dass dieser oder jener Mensch „lebensunwert“ sei?

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Dazu auch:
r Wenn Bildung zur Waffe wird

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Reaktionen Auf den Beitrag reagieren

Hans Haider, 2010-11-07, Nr. 4970

Das ist ein gelungener Artikel zum Thema "menschliche Ressource". Abgehandelt an einem konkreten Beispiel.
Der Hinweis auf die "menschliche Ressource", die es auszuschöpfen gilt, wird in der Bildungsdiskussion schon seit längerer Zeit benutzt. Man braucht nur das Bildungskonzept der Industriellenvereinigung durchzulesen, wo dieser Begriff sehr oft vorkommt.
Wir leben in einer Gesellschaft, in welcher der Mensch nicht des Menschen Helfer, sondern des Menschen Konkurrent ist. Wir treten uns als Konkurrenten gegenüber. Schon in der Schule können wir die Auflösung einer solidarischen Klassengemeinschaft beobachten und die Entwicklung zum Einzelkämpfer.
Meiner Ansicht nach wird dieser Begriff sehr bewusst verwendet. Dadurch verschieben sich, wie du richtig bemerkst, die Grundwerte und auch unser Menschenbild. Das ist beabsichtigt und im Interesse dieser Leute.

Hans Haider, 2010-11-07, Nr. 4971

Hinzufügung:
Das Wortgebilde "menschliche Ressource" ist ein Unwort, das mich an ein allgemein gebräuchliches Wort der Nazis erinnert: "Menschenmaterial". In beiden Fällen wird der Mensch zum Objekt einer "Verwertung" gemacht.
Vielleicht sollten wir bei kärnöl jedes Jahr ein "Unwort des Jahres" bestimmen.

Stephan Jank, 2010-11-08, Nr. 4974

Lieber Walther,

"Keep it as simple as possible, but - for God's sake: no colon simpler!", bin ich geneigt, Dir mit den Worten Einsteins zuzurufen, wenn ich lese: "... aus meiner Sicht bedenklich ist, was sich da an Grundwerten verschiebt, ... Nicht humanistische Gesichtspunkte, Menschenrechte, gesetzlich zustehende Verpflichtungen, Selbstverständlichkeiten, die einem zustehen (sollten) etc. werden ins Feld geführt, ... sondern die Verwertbarkeit in einer ... globlisierten Welt / also bei zugespitzer Konkurrenz."

Denn: Die "Menschenrechte", die "gesetzlichen Verpflichtungen" und all die anderen "Selbstverständlichkeiten", die Du da (zu Recht) als "Grundwerte" unserer kapitalen Weltgesellschaft titulierst, sind diesem (scheinbar) neuen, "offenen und erfolgreichen Weltbürgertum" doch nicht etwa widersprüchlich ENTGEGEN-, sondern zwingend und unhintergehbar VORAUSgesetzt. Was wir hier in Kärnten von diesen selbsternannten Effizienzlinguisten erfahren, ist also gerade nicht eine Verschiebung dieser "Grundwerte", sondern die bittere Konsequenz ihrer (markt)radikalen Umsetzung.

Es bedurfte bei weitem nicht erst der Nazis, um aus MENSCHEN MATERIAL zu machen. Denn der FREIE und GLEICH an Würde und Rechten Geborene ist es bereits!

Walther Schütz, 2010-11-08, Nr. 4975

Ja, Stephan, ein wichtiger Hinweis!

Das Eine ist dem Anderen tatsächlich VORAUSgesetzt, es wäre aber bei aller inneren Logik meines Eachtens falsch, dies GLEICHzusetzen. Der Übergang zur GLEICHsetzung ist nicht zwingend, auch wenn er logisch so angelegt ist. Vielmehr sind die sich auftuenden Widersprüche immer auch eine Möglichkeit zur Reflexion, zur Kritik von Kapital und Staat. Daher ja auch das Engagement in diesen Bewegungen, daher ja auch mein Beitrag, und daher ja auch letztlich deine Reaktion: Um etwas daraus zu lernen über die Verhältnisse, über die Illusionen, die mit dem Vertrauen in den Staat und das Gesetz verbunden sind etc.

Stephan Jank, 2010-11-08, Nr. 4976

Lieber Walther,

du kannst ja richtig streng werden! Daher brauche ich unbedingt eine Antwort auf folgende Frage: Liege ich richtig, wenn ich Deiner Antwort entnehme, dass Du mich der Gleichsetzung von bürgerlich-menschenrechtlichem Grundwertkatalog und der Verwertbarkeit von Humanressourcen in der sich verschärfenden Konkurrenzdynamik der kapitalistischen Gesellschaft zeihst? Oder verstehe ich Dich da falsch?

Fido, 2010-11-09, Nr. 4979

Die sprachliche Aufrüstung, für die Ressource nur ein Beispiel ist, kann man seit langem beobachten. Die Entlehnungen haben mittel- oder unmittelbar etwas mit Krieg und dessen Logistik zu tun.

Man ist gut aufgestellt, verfügt über Standorte, richtet sich strategisch aus, schärft sein Profil, will seine Konkurrenzfähigkeit (die dem Fitness-Wahn des "Menschenmaterials" korrespondiert) herstellen, erhalten, ausbauen usw.

Die Personalabteilungen der Unternehmen heißen heute HR, also Human Resources, alias "menschliche Ersatzteillager". Diese bilden eine sogenannte Humankapitalrechnung, in der das bereits Erkämpfte/Erreichte (die Bildungszertifikate aus Universitäten oder betrieblicher Weiter"bildung") über wenige Jahre abgeschrieben wird, sodass der Arbeitnehmer, der ja eigentlich seine Arbeit gibt und nicht nimmt und den man im Betrieb Mitarbeiter nennt (Kamerad ist der, "mit" dem man sich die Kammer teilt), durch seine permanente individuelle "Bildungsoffensive" dafür sorgen muss, dass ihm die Fitness für den Dienst am "Arbeitgeber" (König, Fürst, Führer) und dem Unternehmen (Vaterland) erhalten bleibt.

Wer wenig in seiner Human-Bilanz stehen hat, gilt als Humanpauperist, die anderen als Humankapitalisten (O-Ton Manfred Becker, Ordinarius in Halle und Guru für Personalentwicklung). Und ganz offenbar findet niemand was dabei.

Meines Erachtens ist dieser Sprachgebrauch auch Zeichen dafür, dass eine Politik, die glaubt das Denken der Menschen dadurch zu ändern, dass sie Wörter ächtet oder an jedes Substantiv ein -Innen anhängt, am Ziel vorbeischießt.

Denn aus dem Unterbewussten kommt kollektiv nach oben und nistet sich verräterisch in unseren Ausdruck ein, was uns die innere Logik des Wirtschaftens derart impertinent einprägt hat, dass wir schon über eine sehr ausgeprägte Sensibilität verfügen müssen, um unsere eigene Zugerichtetheit überhaupt noch erfahren zu können.

Kapitalismus scheint mir insofern insgesamt eine Veranstaltung des ES zu sein, dessen Platz das ICH sich erst noch "erobern" muss.

Reinhilde Schütz, 2010-11-14, Nr. 4981

Der Artikel und die Reaktionen bringen auf den Punkt, WAS (das System) IST.
Wie sehr sich uns die Logik der Verwertbarkeit und des Zurichtens eingenistet hat, zeigt sich besonders gut auch in der Bildungsinstitution Schule, wo es ganz normal ist, den Begriff "SCHÜLERMATERIAL" zu verwenden.

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