2003-03-19
Nun sitzen sie da
Nun sitzen sie da, die beiden Hübschen. Hier in diesem kleinen Cafe welches sie immer schon
gerne besuchten. Zu sagen haben sie sich nichts mehr. Egal, man liebt sich. So ist die
Liebe. Wahrscheinlich. Genau wissen sie es natürlich nicht. Ist aber im Grunde genommen
nicht so wichtig. Denn auch ihre Elternteile, beide glücklich verheiratet, haben sich
schon lange nichts mehr zu sagen. Ob im Cafe, in der Küche, im Urlaub oder bei Freunden,
so ist es eben. Das ist Liebe. Nein, da haben wir etwas falsch verstanden. Das bringt der
Alltag in der Liebe mit sich. Darunter leiden doch viele. Warum sollen die Beiden sich von
allen anderen unterscheiden? Wer will das schon. O.K. ,es gibt Momente wo einem nicht nach
Reden ist. Aber diese Momente kann man auch genießen und sie unterscheiden sich von diesem
"sich nichts mehr zu sagen haben". Denn auch ein andauerndes reden nur um des Redens
Willen kann zermürbend sein. Es ist nicht notwendig andauernd die Luft mit Sinnlosigkeiten
zu verpesten. Und trotzdem unterscheidet es sich von diesem "sich nichts mehr zu sagen haben"
gewaltig.
Wann ihnen dies das erste Mal passiert ist wissen sie nicht mehr genau. Man lebt halt so neben
sich her, schon gemeinsam und doch irgendwie allein. Zumindest nach einer gewissen Anzahl von
Jahren. Aber sie lieben sich.
Das beteuern sie sich mindestens dreimal pro Tag und das muß was heißen.
Schon klar, früher einmal, so ganz am Anfang, so die erste Zeit da haben sie sich anders geliebt.
Viel intensiver, mit diesem Kribbeln im Bauch, diesem Herzklopfen usw. Na ja, man war ja auch um
einiges jünger, unerfahrener, blauäugiger und was weiß ich noch. Da spielte die Leidenschaft noch
die erste Geige. Man freute sich aufeinander, auf jede gemeinsame Stunde, auf jeden gemeinsamen
Tag und erst die gemeinsamen Nächte. Na...! Man diskutierte stundenlang auf einer gemeinsamen Ebene
um sich dann überglücklich in die Arme zu sinken und völlig der Ekstase hinzugeben.
Mittlerweile ist einige Zeit vergangen, beide sind reifer geworden haben einiges gemeinsam erlebt,
gemeinsame Sorgen geteilt, gemeinsam Tränen vergossen, gestritten und gemeinsam Kinder groß
gezogen. Die Zeit in der die Kinder rebellierten war nicht leicht für die Beiden. Sinneskrisen
hat es natürlich auch gegeben. Bei beiden. Aber wer hat die nicht. Im Grunde sind sie aber immer
ihrem "gemeinsamen" Traum treu geblieben. Dem Traum von Familie, Eigenheim und geruhsamen Leben.
Natürlich mußten sie dafür viel opfern. "Sein" Traum wäre zum Beispiel der Beruf des Bildhauers
gewesen. Das Talent, sagte man ihm, hätte er. Nur der Mut hatte ihm immer gefehlt. Er wurde aber
auch ziemlich jung schon Vater und da gab es dann andere Sorgen als sich der Bildhauerei zu
ergeben. Er entschloß sich unter den gegebenen Umständen für einen sogenannten bürgerlichen Beruf.
Es gab ja Mäuler zu stopfen. Sicher, auch ausgelebt hätte er sich noch gern ein bißchen, sich erst
einmal richtig orientiert im Leben. Aber das Schicksal wollte es anders. Na, schlecht ging es ihm
nun aber wirklich nie , er hatte immer eine sichere Arbeit, was natürlich ungemein beruhigt, zwei
wunderbare Kinder und eine Frau die immer zu ihm hielt. Obwohl, ganz so sicher war er sich dessen
eigentlich nie. Sie war immer schon diejenige welche mehr Energie hatte und im Grunde den Ton
angab. Aber mit dem konnte er leben, redete er sich zumindest ein. Ausbrüche seinerseits, weil es
ihm manchmal einfach zu eng wurde, gab es immer schon. Dann widmete er sich dem Alkohol, der ihm
wieder alles in einem anderen Licht erscheinen lies. Ab und zu hat sein Rausch auch ein ganzes
Wochenende über gedauert. Ein ganzes Wochenende, an dem er nicht nach Hause kam. Man braucht halt
so seine Zeit zum nachdenken. Eine Frau muß das doch verstehen. Zumindest seine Frau, weiß sie
doch wie ihm manchmal zu Mute ist. Außerdem gibt es Schlimmeres.
Und genau das waren die Schwierigkeiten mit denen sie zu kämpfen hatte. Im Grunde genommen sah sie
ihn immer nur als Mitläufer. Sie, die immer gerne einen Mann gehabt hätte, der sie ein bißchen
führt, ihr eine starke Schulter zum anlehnen gibt. Einen, bei dem sie sich, trotz ihrer nach außen
hin scheinenden Stärke, ausweinen kann. Denn dieses Verlangen in ihr hatte ihr Gatte nie bemerkt.
Nein, von ihr wurde immer erwartet stark zu sein, denn er mußte sich ja vor lauter nicht
verwirklichter Träume betrinken. Was für sie nicht immer leicht war. Einer mußte sich doch um die
Kinder kümmern. Sollten sie doch auch nicht zuviel von Vaters Ausbrüchen mitbekommen.
Das mit der frühen Mutterschaft traf sie auch. Na, wie das Leben halt so spielt. Eine führende
Position als Managerin in einem großen Betrieb wäre immer ihr Traum gewesen. Nicht Köchin,
Putzfrau oder Kindermädchen, sprich Hausfrau, die Tätigkeit welche sie jetzt ausübt.
Ach, es hätte besser laufen können für beide. Aber Liebe war immer da und natürlich die
gemeinsamen Kinder.
Ja, jetzt sitzen sie da, die beiden Hübschen, in diesem Cafe, welches sie immer schon gerne
besuchten .Beide schon etwas angegraut und denken über ihr Leben nach.
Denn zu Sagen haben sie sich schon lange nichts mehr. Nur ihrem "gemeinsamen" Traum sind sie
immer treu geblieben. Dem Traum von Familie, Eigenheim und fast geruhsamen Leben .Dem Traum, der
ihnen eigentlich aufgezwungen wurde, ... vom Schicksal, dem sich so viele ergeben.