2003-03-18
Der Baum
Es war einmal, wie auch anders sollte eine Geschichte beginnen, ein junger Baum. Er war gut und kräftig gewachsen. Viele Jahre erlebte er Sonnenschein, Regen, Wind und Schnee. Er wurde älter, und bald war er ein schöner und mächtiger Baum. Viele Lebewesen wohnten bald in seinem schützenden Bereich.
Vögel bauten ihre Nester in seiner mächtigen Krone, ein Eichkätzchen wohnte in seinem Stamm und Tiere verschiedenster Art erlebten mit ihm den Wechsel der Jahreszeiten. Nachts wiegte er sie sanft in den Schlaf und behütete sie bis die Sonne den neuen Tag ankündigte.
Die Sonne liebte er ganz besonders, denn sie gab seinen Wurzeln und Ästen Kraft. Auch unterhalten konnte man sich ausgezeichnet mit ihr, wussten ihre Strahlen doch immer das Neueste aus aller Welt zu berichten. Nach langen Wintern, in denen sich die Beiden seltener sahen, freuten sie sich immer auf den Frühling. Sanft streichelte die Sonne dann immer den Baum, seine Rinde, seine Äste, liebevoll wie eine Mutter ihr Kind. Im Sommer aber wurde ihre Hitze die einer Geliebten, leidenschaftlich und gebend. So konnte er die schönsten und saftigsten Früchte reifen lassen.
Nun kam aber ein Winter, in welchem die Sonne nicht schien. Es war bitterkalt, der Baum begann zu frieren und ließ bald seine Äste hängen.
Sie, seine Sonne, fehlte ihm.
Eines Nachts zog ein heftiges Unwetter auf. Der Baum fühlte, wie der Sturm an ihm rüttelte und zerrte... Plötzlich schlug ein Blitz ein. Er traf den Baum mit grauenhafter Wucht und spaltete ihn entzwei. Das Krachen und der Aufschrei des Baumes waren Meilenweit zu hören.
Am nächsten Morgen war nicht mehr viel von ihm übrig. Kaum noch Leben war in ihm. Traurig standen all seine Tiere um ihn herum.
Wir müssen ihm helfen, entschlossen sie. Gemeinsam befreiten sie ihn von seinen abgestorbenen Teilen und Rindenresten. Legten seine Wunden offen. „Das ist nicht genug“, zwitscherte einer der Vögel. "Er braucht die Sonne, um wieder gesund zu werden."
Aber der Schnee fiel und fiel. Immer tiefer wurde der Winter. Den Tieren wurde klar, die Sonne würde noch lange auf sich warten lassen.
Langsam begannen sich die Wurzeln des Baumes aus dem Erdreich zu lösen, er hatte kaum noch Halt. Die Tiere beschlossen schließlich, zwei der kräftigsten Vögel nach der Sonne zu schicken. Eilig flogen die Beiden los. Lange Zeit waren sie unterwegs. Immer weiter in den Süden flogen sie. Es wurde wärmer und wärmer, und eines Tages trafen sie endlich die Sonne.
Aufgeregt erzählten die Beiden ihr, was dem Baum widerfahren war. Die Sonne versprach zu helfen: "Doch kann ich nicht so schnell fliegen wie ihr. Darum nehmt diesen Sonnenstrahl mit euch, er ist mein liebstes Kind. Gemeinsam werden wir es schaffen, den Baum zu retten."
Eilig flogen die Beiden zurück, zwischen sich den Sonnenstrahl, der hell leuchtete. Gerade, als den Baum seine Kräfte verlassen wollten, kamen die Drei an.
Der kleine Strahl schoß auf den Baum zu und in ihn hinein. Sofort ging es dem Baum besser und er fühlte seinen Lebenswillen aufs Neue erwachen.
Dann endlich kam die Sonne zurück. Sanft und liebevoll begann sie, ihn zu streicheln, seine Wunden zu schließen und zu heilen. "Oh, Sonne wo bist du nur gewesen?", fragte er sie, als er endlich wieder sprechen konnte. "Nicht immer kann ich für dich scheinen, aber ich bin doch immer bei dir. Schon lange Zeit trägst du die Sonne der Liebe im Herzen. Jetzt werde wieder gesund und lass meinen kleinen Sonnenstrahl bei dir leben damit unsere Freundschaft für immer besiegelt sei."
Bald war der Baum wieder gesund, kräftiger und mächtiger als je zuvor stand er da. Alle Tiere fanden bei ihm Schutz und ein liebevolles zu Hause.
Seit jener Zeit gibt es Bäume, in deren Nähe sich ein jeder wohl und geborgen fühlt. Und sieht man genauer hin, entdeckt man ein warmes Strahlen, das uns immer wieder die Kraft für einen neuen Morgen schenkt.