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2009-08-03

Villach und der Anschluss an Nazi-Deutschland

BEITRAG IN ARBEIT

Es hat einen bestimmten Moment gegeben, der hat meine Kindheit zertrümmert. Der Einmarsch von Hitlers Truppen in Klagenfurt. Es war etwas so Entsetzliches, dass an diesem Tag meine Erinnerung anfängt: durch einen zu frühen Schmerz, wie ich ihn in dieser Stärke, vielleicht später überhaupt nie mehr hatte. Natürlich habe ich das alles nicht verstanden in dem Sinne, in dem es ein Erwachsener verstehen würde. Aber diese ungeheure Brutalität, die spürbar war, dieses Brüllen, Singen und Marschieren – das Aufkommen meiner ersten Todesangst.
Ingeborg Bachmann

.

Die Ereignisse rund um den Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 waren von einer Welle massiver Propaganda begleitet. Diese sollte die Bevölkerung zur Begeisterung für die nationalsozialistische Ideologie bewegen und gleichzeitig ihren Beistand für die schrittweise Ausgrenzung verschiedener Bevölkerungsgruppen sichern. Mittels Massenveranstaltungen und einer gleichgeschalteten Presse, aus der jede Kritik eliminiert wurde, sollte die Unterstützung des Regimes durch die Kärntner Bevölkerung gesichert werden. Dies soll anhand von Berichten und Bildern – vor allem aus Villach – dargestellt werden, die es uns ermöglichen, die damaligen Geschehnisse in unserer Stadt zumindest teilweise zu begreifen. Gleichzeitig ergeht die Bitte an alle Leserinnen und Leser, die alten Fotoalben nach Bildern aus der NS-Zeit durchzuschauen und der Redaktion zur Verfügung zu stellen.

Wie aus den Tagebuchaufzeichnungen des damaligen Magistratsdirektors Richard Seeger hervorgeht, vollzog sich der Anschluss in Villach unter begeistert hysterischer Anteilnahme der Bevölkerung:

[…] Am Freitag, dem 11. März, mittags, aber begannen in Kärnten Demonstrationen der Nationalsozialisten. Nachher erfuhr man erst die Ursache, dass nämlich zu dieser Tagesstunde eine Regierungskrise, zufolge ultimativer Forderungen vom Deutschen Reich herein, ihren Höhepunkt erreicht hatte. Als ich gegen 15 Uhr ins Büro ging, schien die ganz kleine Stadt Villach in Aufregung und auf den Beinen; alle mit dem Ausdruck eines gewissen Hochgefühls auf den Mienen.
[…] Allem Anschein nach war die Aufschiebung der Volksbefragung das Signal für eine allgemeine Erhebung. Im Radio hörten wir dann gegen acht Uhr die letzte Rede von Schuschnigg. Dieser war zurückgetreten und verabschiedete sich vom österreichischen Volk. Wir gingen noch einmal in die Stadt. Dort war der Hauptplatz bereits dicht gedrängt von Menschen. Ein Fackelzug wurde vorbereitet. Junge Burschen und Mädeln mit strahlenden Gesichtern, in gleichem Dress, mit Hakenkreuzarmbinden angetan, standen in militärischer Formation da.
[…] Dem Ganzen aber setzte es die Krone auf, als plötzlich aus der Kaserne die Polizei mit der Hakenkreuzfahne dahermarschierte und das Horst-Wessel-Lied sang.
[…] Am folgenden Tag hatten sich morgens in meinem Arbeitszimmer schon landsknechtartige SA-Leute breitgemacht und meinen Schreibtisch durchstöbert. Man machte mir begreiflich, dass ich im Rathaus nichts mehr zu suchen habe.
[…] Am 12. und 13. März erschien Hitler in Linz. Unvorstellbarer Jubel war im Radio zu hören. An diesem Tag wurde auch der Anschluss vollzogen. Achtundvierzig Stunden später meldete Hitler dies vom Wiener Heldenplatz aus theatralisch „vor der Geschichte“. Der Jubel soll auch hierbei keine Grenzen gekannt haben. In Villach umarmten sich fremde Leute, und viele Frauen heulten immerzu vor Rührung.

Die nächsten Tage in Villach waren geprägt von Aufmärschen, Kundgebungen und Fackelumzügen. Aber auch die ersten Verhaftungen, Dienstentlassungen, Berufsverbote und andere Racheaktionen der Nazis rollten an.

12. März 1938: Der Direktor des Peraugymnasiums informiert die Schüler und Lehrer vom Umbruch. Anschließend findet eine Lehrerkonferenz statt, die sich mit der Weiterverwendung von Lehrkräften auseinandersetzte. Der Schulbetrieb wird angesichts der täglich organisierten Aufmärsche und Feierlichkeiten, für einige Tage gänzlich eingestellt. Am 22. März wird der regelmäßige Unterricht wieder aufgenommen, allerdings empfindlich gestört durch das Fehlen von sieben Lehrkräften.

13. März 1938: Adolf Hitler kündigt eine Volksabstimmung an, in der über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem deutschen Reich abgestimmt werden sollte. Die nächsten Wochen bis zur Abstimmung am 10. April standen voll im Zeichen der Propaganda. Der Hauptplatz, die Kirchen, die Schulen und ganze Straßenzüge wurden mit Hakenkreuzfahnen geschmückt. Der Villacher Hauptplatz wird in Adolf-Hitler-Platz umbenannt.

13. März 1938: Dem Villacher Rechtsanwalt Dr. Marcell Glesinger wird von der Kärntner Rechtsanwaltkammer die Berufsberechtigung entzogen. Mit seinen beiden Kindern und seiner Frau emigriert er nach Palästina, wo er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält. Er kehrt nie wieder nach Villach zurück.

13. März 1938: Der jüdische Pappenfabrikant Josef Sternschuß aus der Oberen Fellach wird verhaftet und in ein Konzentrationslager deportiert. Die Fabrik wird arisiert.

13. März 1938: Der Villacher Nationalratsabgeordnete Hans Prodinger wird verhaftet und in das KZ Dachau deportiert, wo er im September 1938 verstarb.

13. März 1938: Der Villacher Bürgermeister Reinhold Möbius wird in Schutzhaft genommen.

14. März 1938: Professor Dr. Karl Kmeth, Lehrer am Peraugymnasium für die Fächer Geschichte und Geographie, begeht Selbstmord. Er hatte begründete Angst vor den Rachefeldzügen der Nazis.

15. März 1938: In einem Artikel der Zeitung »Freie Stimmen« wurde bekannt gegeben, dass Juden fortan aus der deutschösterreichischen Turn- und Sportfront ausscheiden.

16. März 1938: Das jüdische Warenhaus Elba in der Weißbriachgasse wird geschlossen und arisiert. Der Besitzer Leopold Blau wird verhaftet und in ein Konzentrationslager deportiert. Leopold Blau wird im September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

21. März 1938: Schulfeiern in Villach anlässlich der „Heimkehr Österreichs ins Mutterreich“. Anschließend gab es einen Marsch der Jugend durch die Stadt.

30. März 1938: Bücherverbrennung im Schulhof des Peraugymnasiums. Der damalige Direktor Dr. Pointner hielt eine Ansprache.

30. März 1938: Verpflichtende Einführung des Hitlergrußes an den Schulen.

30. März 1938: Reichsfeldmarschall Göring besucht Villach. Schulfrei für alle Villacher Schulen. Die Stadt ist festlich geschmückt.

1. Mai 1938: Kundgebung zum 1. Mai auf einer Wiese in Villach-Lind. In der Schulchronik des Peraugymnasiums steht dazu folgender Bericht:

„Am nächsten Tage marschierte der Lehrkörper in dem langen Zug, der sich durch die Stadt auf die Festwiese in Lind bewegte, auf der alle Schaffenden, Arbeiter der Stirne wie der Hand, den Worten des Führers lauschten, die der Rundfunk aus Berlin übertrug. Als da das Wort „Karawanken“ an unser Ohr drang, da durchbebten wohl jeden von uns, die wir unsere Blicke zu jenen Grenzbergen hinübergerichtet hatten, die Freude und der Stolz, nun freie Bürger des großen Deutschen Reiches zu sein, Wächter an der Südgrenze dieses ewigen Deutschlands. In tiefer Dankbarkeit stimmten wir ein in das Sieg-Heil, das in dieser Stunde Millionen Werktätige in allen Gauen des Reiches verband.“

5. April 1938: Adolf Hitler fährt durch Villach. Wiederum Schulfrei! Während des Aufenthaltes am Bahnhof überreichte ihm der Bürgermeister Oskar Kraus eine Kassette mit einem Fundstück aus der Zeit der Völkerwanderung. Die beigelegte Urkunde hatte folgenden Wortlaut:

„Als unsere Ahnen in der Zeit der großen Völkerwanderung das südlichste Land des Großdeutschen Reiches auf ihren Heldenzügen in Besitz nahmen, brachten sie dieses heilige Zeichen germanischen Volkstums mit. Es wurde am Fuße der Karawanken, des Grenzwalles Großdeutschlandes, in deutscher Erde gefunden.“

10. April 1938: Volksabstimmung für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Nicht wahlberechtigt waren jene ÖsterreicherInnen, die unter die Nürnberger Rassegesetze fielen, also Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma. Das Villacher Ergebnis: 16.106 Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen und 17 ungültige Stimmen.
Dazu Oberbürgermeister Oskar Kraus:

„„Ich habe die meisten Wahllokale aufgesucht und festgestellt, dass viele, von denen man es nicht erwartet hätte, den Stimmzettel offen abgegeben haben, damit ja gesehen werde, dass sie mit „Ja“ stimmen.“

Im Laufe der nächsten Wochen und Monate wurden auch Sozialdemokraten und Kommunisten in die Verhaftungswelle einbezogen. Die Rechte der Bevölkerungsgruppen, die nicht zur „Volksgemeinschaft“ zählten, wurden Schritt für Schritt eingeschränkt. Das betraf vor allem Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und Sloweninnen und Slowenen.

10. November 1938: Novemberpogrom 1938. Die Wohnungen und Geschäfte der Villacher Jüdinnen und Juden wurden verwüstet, zerstört und geplündert.

6. April 1941: Überfall auf Jugoslawien. Die Oberkrain wurde an Kärnten angeschlossen. Die Karawankengrenze galt nicht mehr. Der Auftrag Hitlers lautete: „Macht mir dieses Land deutsch.“

11. April 1941: 50 Kärntner Sinti werden von der Kriminalpolizei verhaftet und in das Lager Weyer nach Oberösterreich deportiert. Im November 1941 werden sie nach Polen deportiert und ermordet.

30. Oktober 1941: 65 Villacher Sinti aus den Stadtteilen Seebach und Obere Fellach werden in das „Zigeuneranhaltelager Lackenbach“ in Burgenland deportiert.

15. April 1942: Über 1000 Kärntner Sloweninnen und Slowenen werden in verschiedene Lager nach Deutschland deportiert.

Abschließend ist noch Folgendes zu sagen: Kärnten hat auch Widerstand gegen das mörderische Naziregime geleistet. Vor allem der Widerstand im Südkärntner Raum, hauptsächlich getragen von den Kärntner Sloweninnen und Slowenen, war beträchtlich. Aber auch in Villach gab es Widerstand. In diesem Zusammenhang sind zu erwähnen: Die Maria-Gailer Widerstandsgruppe, die im Jahre 1940 von der Gestapo zerschlagen wurde; die Treffner Widerstandsgruppe, die 1944 von der Gestapo zerschlagen wurde und die Schüttpartisanen. Auf diesen Widerstand können wir stolz sein.

Die Menschen in Kärnten beschäftigen sich eher ungern mit den Jahren 1938 bis 1945. Natürlich gibt es gute Gründe dafür. Vor allem die Tatsache, dass die Mehrheit der Kärntner und auch der Villacher den Anschluss freudig begrüßten, auf der Seite der Täter standen und das NS-Regime mehr oder minder unterstützten. Das gereicht uns nicht zur Ehre und das wollen wir nicht wahrhaben. Aber auch diese Jahre gehören zur Geschichte unseres Landes und es sollte uns ein Anliegen sein, sich mit diesem Zeitabschnitt zu befassen. Ein Ausspruch, der alle dazu anspornen soll, stammt von Alberto Moravia:

„Die Tür der Vergangenheit ist nicht ohne Knarren zu öffnen.“

.

  • Mehr zu den Opfern des NS-Regimes im Raum Villach: www.erinnern-villach.at/
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