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Leo Gabriel

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2009-07-31

Putsch der Generäle – Staatsstreich der Advokaten

Am 28. Juni 2009 wurde der um sozialen Ausgleich bemühte Präsident Manuel Zelaya Rosales vom Militär gestürzt. An seiner Stelle sitzt seither der von den Eliten eingesetzte Präsidenten Roberto Micheletti. Eine Reportage über die politische Atmosphäre in Honduras nach dem Staatsstreich.
→ siehe auch „Erklärung: Nein zum Militärputsch in Honduras!"

.

„Ich war noch nie so stolz darauf, Honduranerin zu sein, wie jetzt“, sagte Erica Cerna, eine 40jährige Richterin in Juticalpa, der Hauptstadt des Departamento Olancho, bei unserer Verabschiedung. Dabei war es nicht nur die glühende Hitze von 30 Grad im Schatten, die ihr den Schweiß ins Gesicht trieb, sondern die blanke Wut über diese lästigen Ausländer, die es gewagt hatten, ihr soeben gefälltes Urteil zu hinterfragen.

Diese „Ausländer“ waren wir, vier der Mitglieder einer 15-köpfigen Mission von Menschenrechtsorganisationen[1] aus verschiedenen Ländern Europas und Lateinamerikas, die vom 17. bis 23. Juli nach Honduras gekommen waren, um die Folgen des Staatsstreichs vom 28. Juni auf die Situation der Menschenrechte in mehreren Teilen des Landes zu erforschen. Ohne es zu wollen waren wir damit sogar einer Aufforderung des de-facto-Präsidenten Roberto Micheletti (der von den Putschisten eingesetzt worden war) nachgekommen. Er wollte, dass sogar die Interamerikanische Menschenrechtskommission nach Honduras käme, um sich davon zu überzeugen, dass es in Honduras seit seiner Amtsübernahme keinerlei Menschenrechtsverletzungen gäbe.

Dabei hatte unser kleiner Ausflug nach Olancho, dem größten Departamento von Honduras, relativ gut begonnen. Wir waren nur bei zwei Straßensperren aufgehalten worden. Dabei fielen uns vier verschiedene Uniformen auf: die der Armee, der Nationalen Polizei, der Militärpolizei und der Gemeindepolizei, was mich unwillkürlich an die „Vier im Jeep“ während der Besatzungszeit bis 1955 in Wien erinnerte.

Tatsächlich machte auch Juticapa den Eindruck einer besetzten Stadt: relativ locker schlenderten die mit Gewehren bestückten Soldaten durch die Stände des Marktes, naschten von der einen oder anderen Frucht oder stellten sich dann breitbeinig auf eine Kreuzung, um den Verkehr zu regeln. Auch dieses Bild hatte ich schon vorher gesehen: in den südamerikanischen Diktaturen der 1970er Jahre, wo die Soldaten allerdings etwas finsterere Blicke gehabt hatten.

Im Gefängnis beim inhaftierten Menschenrechtsaktivisten David Murillo

Letztendlich gelangten wir, etwas außerhalb der Stadt, zu unserem vorläufigen Ziel, dem Gefängnis von Juticalpa. Wir fragten nach einem Mann, dessen Nachname 14 Tage zuvor durch die Weltpresse gegangen war: David Murillo, Vater des 19 jährigen Isis Oved Murillo, der am 5. Juli durch einen Kopfschuss tödlich verletzt worden war, ein Schuss, der den übereinstimmenden Zeugenaussagen zu Folge aus einer Richtung abgefeuert worden war, wo die Armee Aufstellung genommen hatten. Das wurde aber von der Armeeführung, die behauptete nur Gummigeschosse abgefeuert zu haben, heftig bestritten, ein Umstand, der nun dem Vater des Opfers zum Verhängnis werden sollte:

„Es war ganz eigenartig: als ich im Büro von CIPRODEH (einer honduranischen Menschenrechtorganisation) saß und dem Beamten der Staatsanwaltschaft die Patronen der Kugeln zeigte, durch die mein Sohn zur Tode kam und viele andere verletzt wurden, verließ dieser plötzlich den Raum und telefonierte fast eine Stunde lange auf seinem Handy“, erinnerte sich Murrillo, „dann nahm er mir meine Erklärung ab. Als ich auf die Strasse ging, stand schon ein halbes Dutzend Polizeiautos da. Ich war so verwirrt, dass ich nicht einmal merkte wie die Handschellen zuschnappten…“

Wir baten den Gefängnisdirektor, ein paar Videoaufnahmen oder zumindest ein Photo von David Murillo machen zu dürfen; doch der verwies uns auf den Leiter der nationalen Gefängnisbehörde, der sich selbstverständlich nie zurückmeldete. Ich musste an die vielen Aussagen von Journalisten denken, die wir in den letzten Tagen gehört hatten: wie sie von „Unbekannten“ per SMS andauernd mit dem Tode bedroht wurden, wie Soldaten in ihre Übertragungsräume eindrangen und ihnen befahlen, über den „verfassungsgemäßen Übergang“ zu berichten.

Je länger ich David zuhörte desto mehr fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: das spezifische und gewissermaßen auch einzigartige dieses Putsches bestand darin, dass die Armee glaubte, dass sie hauptsächlich die Massenkommunikationsmittel – und da vor allem der Radio und Fernsehanstalten - reprimieren mussten, um den HonduranerInnen die „Verfassungsgemäßheit“ dieses Staatsstreiches einzureden.

Auch David Murillo geriet alsbald in die Schlagzeilen der Zeitungen, die – wie alle großen Printmedien in Honduras – in Händen jener Großfamilien liegen, die den Putsch nicht nur unterstützt sondern auch durch die Lügenpropaganda, dass sich Präsident Zelaya im Amt perpetuieren und die Verfassung außer Kraft setzen wolle, dass Hugo Chavez und Daniel Ortega die Macht übernehmen würde, dass in Honduras der Sozialismus ausgerufen werden würde vorangetrieben hatten. In diesen Schlagzeilen wurde Murillo als mutmaßlicher Mörder angeprangert, der sich der Justiz entzogen hätte. „Das hat mir mehr weh getan als hier im Gefängnis zu sitzen“, seufzte der dunkelhäutige Endvierziger und kämpfte gegen die Tränen an.

Was war wirklich passiert? Die Geschichte geht auf das Jahr 2004 zurück, als Don David, einer der Gründer des Movimiento Ambientalista de Olancho (MAO – Umweltbewegung von Olancho), in einen Streit mit seiner Nachbarin verwickelt war. Diese hatte ihn nach einer heftigen Auseinandersetzung mit ihr vor Gericht angeklagt hatte, ihr nach dem Leben zu drohen. Obwohl diese Geschichte nie ernsthaft untersucht wurde und er sich auch frei bewegen konnte – unter der Auflage, dass er periodisch vor den Justizbehörden erscheinen musste – war es den Waldeigentümern der Region wichtig, den Umweltschützer an der Leine zu halten. Irgendwann durchschaute Murillo das Spiel und hörte vor vier Jahren auf, zu den Behörden zu gehen. Als Prediger einer evangelikalen Religionsgemeinschaft reiste er öfters nach Guatemala und Mexiko, ohne dass die Migrationsbehörden etwas dagegen eingewendet hätten. Die Anklägerin von damals war inzwischen mit der Familie gut befreundet (ein Umstand, von dem wir uns in einem Telefonat selbst überzeugen konnten) und David Murillo hatte die ganze Geschichte bereit vergessen – solange, bis nach der Beerdigung seines tatsächlich ermordeten Sohnes am 8. Juli die Handschellen klickten.

Weitere Menschenrechtsverletzungen

Wir gingen der Sache ebenso nach wie andere Mitglieder der internationalen Menschenrechtskommission, die teilweise weitaus dramatischere Fälle recherchierten: z.B. den Fall des Bauernführers Fabio Ochoa, dem es zum Verhängnis wurde, dass er einige Wochen vor dem Putsch in einer Fernsehsendung vor der heraufziehenden Gefahr gewarnt hatte. Er wurde kurz darauf auf dem Heimweg von 18 Kugeln buchstäblich durchsiebt, überlebte aber bis heute, obwohl nach wie vor zwei Kugeln in seinem Kopf stecken, wie durch ein Wunder; vor allem aber dank der spontanen Entscheidung von Präsident Manuel Zelaya, der ihn sofort in eines der besten Spitäler der Hauptstadt überstellen ließ. Wie Ochoa Angehörigen unserer Menschenrechtskommission erzählte, sollte er sofort nach dem Putsch aus dem Spital entführt werden, um letztendlich das zu vollstrecken, was 18 Kugeln nicht geschafft hatten.

Bei unseren Recherchen staunten wir immer wieder darüber, mit welchen juristischen Spitzfindigkeiten in Honduras heute jene Kräfte operieren, die es in der dunklen Vergangenheit der 1980er Jahre, in der viele von ihnen bereits in Erscheinung getreten waren, kaum der Mühe wert gefunden haben, die Opfer der von ihnen verübten Massaker zu verscharren.

„Im Falle von David Murillo ist einfach der Tatbestand der „Rebellion gegen eine staatliche Behörde“ gegeben“, sagt Luis Lobo, einer der drei Richter, die am Tage unseres Besuchs in Juticapa, den Antrag der Verteidigung auf seine Freilassung ablehnten; und seine Augen leuchteten förmlich, als er uns die Paragraphen 208 und 209 der Strafprozessordnung vorhielt, in denen tatsächlich Säumnis gegenüber Behörden als „Rebellion“ typisiert und mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden – ein Umstand, der sogar dem US-Botschafter in Tegucigalpa, Hugo Llorens, dem wir alle diese Fälle vortrugen, zu der Bemerkung veranlasste: „Ja, ja, mit den Freunden macht man hier jetzt Geschäfte und auf die Feinde bringt man das Gesetz zur Anwendung.“

Der Beitrag wurde vom Autor für die TAZ verfasst, dort veröffentlicht unter Die Opfer der Putsch-Justiz, TAZ, 27.7.09

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[1] Federación Internacional de Derechos Humanos (FIDH), el Centro por la Justicia y el Derecho Internacional (CEJIL), Iniciativa de Copenhaguen para Centroamérica y México (CIFCA), FIAN Internacional, la Plataforma Interamericana de Derechos Humanos, Democracia y Desarrollo (PIDHDD), la Consultoría para los Derechos Humanos y el Desplazamiento (CODHES-Colombia), Suedwind-Austria, Instituto de Derechos Humanos de la Universidad Centroamericana José Simeon Cañas (IDHUCA-El Salvador), Asociación Pro Derechos Humanos de Perú (APRODEH), el Instituto de Estudios Políticos sobre América Latina y Africa (IEPALA-España), Coordinadora Nacional de Derechos Humanos de Perú, Servicio Paz y Justicia (SERPAJ-Uruguay), Solidaridad Mundial (Bélgica), IBIS (Dinamarca) ... zurück zum Text

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