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2009-06-15

Die Grenzen auf!

Was ist die geeignete Strategie, dem europäischen Mauerbau zu begegnen? Gibt es legitime Zuwanderungsbeschränkungen? Oder sollen die Grenzen geöffnet werden? Ein Diskussionsbeitrag von Christof PARNREITER

.

Vorbemerkung

Wie berichtet wurde in Villach die Plattform Mi- gration gegründet. Migration: ein Menschen- recht!, heißt es in der → Gründungsdeklaration.
Da diese Frage selten in aller Klarheit diskutiert wird, dokumentieren wir hier einen ausgezeichneten Beitrag aus dem Jahr 1991[!], erschienen in der Zeitschrift Salto Nr.32. Der ÖIE-Kärnten hat ihn dann übernommen im ÖIE-aktuell Nr. 36 „Menschen als Ware – Weltmarkt für Arbeits- kraft“ zur 12. Entwick- lungspolit. Woche an der Uni Klagenfurt 1992.

Walther Schütz

In der Ablehnung des neuen Asyl- und Einwanderungsgesetzes herrscht unter kritischen, liberalen, linken Menschen breite Einhelligkeit. Doch darüber hinaus ist die Debatte noch nicht weit gediehen. Es liegt wohl auch an diesem Strategiemangel, dass der Regierung, die Stein um Stein an der Mauer rund um die Festung Europa mitbaut, bisher kein breiter Widerstand entgegengesetzt werden konnte. Langsam legt sich die konzeptionelle Benommenheit. Argumente rund um die Gretchenfrage der Migrationspolitik – Quotierung ja oder nein? – werden entwickelt und diskutiert. Will die Regierung je nach Wirtschaftslage jährlich 20.000 bis 30.000 sorgfältig Ausgewählte („Die Rosinen aus dem Kuchen“, so der Wirtschaftsjournalist Jens Tschebull) nach Österreich lassen, zeichnen sich folgende Gegenpositionen ab:

Gegenpositionen zur herrschenden Fremdenpolitik

Ein grundsätzliches Bekenntnis zur gehandhabten Quotenregelung, allerdings in einer großzügigeren Auslegung: „Mindestens 50 Prozent der Einwanderungsquote als Solidaritätsquote für humanitäre Fälle“ (Grüne Alternative)

Eine Ausweitung des Asylrechtes auf Katastrophen- und Elendsflüchtlinge. Einwanderungspolitik ist insoferne „legitim“ (der Wissenschafter Rainer Bauböck) anzusehen, als sie den Vorrang der Flüchtlinge gegenüber Arbeitsmigrant/innen sichert und soziale Rechte, die durch staatliche Regulierung geschützt sind, verteidigen hilft.

Ablehnung jeder Zuwanderungskontrolle: Die Forderung nach offenen Grenzen steht nich nur für sich alleine, sondern ist in ein breites „Maßnahmenpaket“ eingebettet. Dieser Standpunkt wird hauptsächlich von Initiativen und Einzelpersonen, die in der Ausländer/innenpolitik engagiert sind, vertreten. Mit Einschränkungen kann auch die PÖ dazugerechnet werden, denn sie spricht sich gegen Quotierungen aus, vermeidet es aber, die Konsequenz – Öffnung der Grenzen – einzufordern.

In einer Diskussion dieser Positionen erweist sich, dass die der Grünen die schwächsten Argumente auf ihrer Seite hat. Im Bemühen, weder Ausländer-raus noch Ausländer-rein-Partei (Peter Pilz) und europareife Ausländergesetzgebung (Bundesgeschäftsführer Floss) zu sein, werfen sie willkürlich mit Zahlen um sich. War im Sozialprogramm aus dem Jahr 1990 noch von jährlich 70.000 Einwanderer/innen die Rede, so sank die Ziffer im Wiener Wahlkampf auf 50.000. Mangels eigener Überlegungen und im Bemühen, den liberalen Medien und den aufgeschlossenen Bürger/innen zu gefallen, wurde die von Löschnak genannte Ziffer kurzerhand verdoppelt. Was wird geschehen, wenn der Innenminister in Absprache mit Wirtschaft und Demografen bei der Nullquote anlangt? Die Essenz grüner Vorstellungen ist eine, noch dazu kleine, humanitäre Geste, die das Grundmuster von Arbeitsmigration – die armen Länder bluten durch den Verlust der leistungsfähigsten Arbeitskräfte völlig aus, während die reichen ihren ökonomischen Lebenssaft auffrischen – unangetastet lässt. Sympathisch ist, dass sie mit ihrer umgekehrten Selektion – Flüchtlinge genießen Priorität vor Arbeitsmigrant/innen – den Verwertungsinteressen an Ausländer/innen nicht nachkommen. Auch die Rechtfertigung für Einwanderungsbeschränkungen als Schutz vor Aushöhlung sozialer wie politischer Rechte scheint stichhaltig.

Gegenargumente gegen eine differenziertere Quotenpolitik

Dennoch lassen sich mehrere Gegenargumente anführen:

1. Migration, ob von Arbeitskräften oder Flüchtlingen, hat Ursachen in den Sender- und Empfängerländern. Um die Wanderung zu regulieren, sind Maßnahmen in den Sender- und Empfängerländern notwendig. Armutsbekämpfung und internationale Umverteilung zum Beispiel ebenso wie die strikte Regulierung von Arbeitsmärkten und die Elimination von Wirtschaftsstrukturen, die für Arbeitsmigrant/innen geschaffen sind, weil Einheimische (welchen Landes auch immer) sich diesen Jobs verweigern. Versagt die Reguli8erung in Ursprungs- und Zielländern, so muss der Versuch, die stets aufs neue stimulierten Bewegungen dazwischen, nämlich an den Grenzen, zu bekämpfen, erfolglos bleiben oder in eine soziale Katastrophe führen.

2. Internationale Erfahrungen zeigen, dass die Quotierung – und jede Beschränkung läuft letztlich auf eine Quotierung hinaus – als Mittel der Einwanderungsbegrenzung gescheitert ist. Tatsächlich aktiviert die „Abschottung mit Lücken“ das Schlepper(un)wesen und die Ausbreitung des Schwarzarbeitsmarktes, weil zwei Klassen von Einwanderern geschaffen werden: die legalen und die illegalen.

3. Nicht die Einwanderer höhlen rechtliche und soziale Standards aus, sie werden dazu benützt. Aufweichung von regulären Arbeitsverhältnissen in den Industrieländern ist ebenso wie Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer eine Unternehmensstrategie, um Gewinne zu optimieren. Solange die Gewerkschaften sich auf die lohnarbeitenden Inländer konzentrieren, solange sie nicht auch zur Vertretung der in- und ausländischen Reservearmee werden, solange werden Kapitaleigener die Arbeitsmärkte mit Leichtigkeit aufweichen und nach ethnischen (und geschlechtlichen) Kriterien spalten. Nicht durch Aussperren von Migrant/innen, sondern nur durch deren Integration in gewerkschaftliche Aktionen kann dem entgegengewirkt werden.

4. Wer argumentiert, die sozialen und politischen Rechte in den Industriestaaten müssen – notfalls auch GEGEN Menschen aus Süd und Ost – verteidigt werden, handelt nicht nur unmoralisch, sondern reproduziert die weltweite Ungerechtigkeit. Wohlstand und Demokratie sind nicht zufällig ungleich verteilt. Dass beide in den Staaten der Zentren der Mehrheit zugänglich sind, ist nicht nur Ergebnis der Kämpfe der Arbeiterbewegung, sondern auch eines Weltsystems, das sich den sozialen Frieden hier mit Überausbeutung dort bezahlen lässt. Denjenigen, die diesen Zuständen entfliehen, den Zutritt zu den Privilegien zu verwehren und dies mit ihrer Aufrechterhaltung zu rechtfertigen, mag im Interesse breiter Bevölkerungsschichten hier liegen. Fortschrittlich ist ein solcher Anspruch nicht.

Offene Grenzen als einzig konsequente Position

Bleibt die Forderung nach offenen Grenzen. Diese Politik bedeutet nicht bloß, „Lasst alle rein“, sondern muss Teil eines Gesamtkonzeptes von Veränderungen sein. Internationale Umverteilung gehört ebenso dazu wie eine grundlegende Abkehr von der gegenwärtigen Form des Wirtschaftens und des Konsumierens. Denn die Industriegesellschaft samt ihrer kapitalistischen Verwertungslogik sowie einem ökologisch und ressourcenmäßig nicht verallgemeinerbaren Lebensstandard bedürfen sowohl der Ausbeutung von Kolonien als auch billiger Arbeitskraft von Migrant/innen.

Die Politik der offenen Grenzen ist eine offensive Antwort, weil sie nicht darauf zielt, ein internationales Problem auf nationalstaatlicher Ebene zu lösen. Öffnet nur e i n Land die Grenzen, ist das Scheitern der Bemühungen gewiss. Indem sie sich diesem Dilemma stellen, geben die Befürworter einer Politik der offenen Grenzen nicht vor – wie alle Spielarten der Quotierung, dass eine Bewältigung der Flüchtlingskrise innerhalb des bestehenden Systems möglich ist. Sollen die Probleme an ihren Wurzeln und nicht nur an der Oberfläche angegangen werden, führt kein emanzipatorischer Weg an der Öffnung der Grenzen vorbei. Nur so wird die Mitverantwortung der Industriestaaten für die weltweiten Migrationen sichtbar. Die Frage, ob soziale Kämpfe – weltweit gesehen – schärfer werden, stellt sich nicht. Sie tun es sowieso. Wenn die Trennung – hie die Licht-, dort die Schattenseiten des Kapitalismus – nicht mehr funktioniert, wenn die Dritte Welt zur Realität der Ersten geworden ist, werden die Bereitschaft und der Druck zu einem grundsätzlichen Wandel in Wirtschaft und Politik zunehmen. Verantwortung anzuerkennen heißt auch, Folgekosten zu übernehmen. Für alle Menschen, die Zuflucht vor Krieg, Verfolgung, Unterdrückung und Elend suchen (auch für die – im Weltmaßstab – wenigen, die „nur“ etwas mehr Wohlstand anstreben), muss es erreichbare Orte geben. Erreichbarkeit impliziert offene Grenzen, und nur bedingungslos offene Grenzen sind offene Grenzen. Da ohnehin nur eine Avantgarde von Flüchtlingen die Industriestaaten erreicht (worin eine Schwäche dieser Argumentation liegt), ist die Angst vor unbegrenzter Einwanderung unbegründet. Erstens hemmt diese Gesamtstrategie die Migration. Zweitens ist die annahme, dass die Armen sich zu einem Marsch auf die Industrienationen formieren, eine geschickt lancierte Wahnvorstellung. Hätten sie diese Fähigkeiten, wären sie auch in der Lage, die Bedingungen in ihren Ländern so zu verändern, dass die Emigration sich erübrigen würde. Trotzdem werden geöffnete Grenzen zu einer Zuspitzung der Situation auch in den Industrieländern führen. Damit mehr Einwanderung nicht auf Kosten der unteren Schichten in den Industriestaaten geht, sind radikaler Umbau der Industriegesellschaft, Umverteilung auch im nationalen Rahmen und wirtschaftliche Regulierung erforderlich. Mag sein, dass diese Forderungen utopisch klingen.

Die Alternative allerdings lautet, dass jenes Fünftel der Menschheit, das nach den Schätzungen des Club of Rome künftig im Reichtum leben wird, mit polizeistaatlichen und militärischen Mitteln zu verhindern trachtet, dass der verreckende Rest sie bei ihrem Feste stört.

Christof Parnreiter

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