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Gösta Maier

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2008-08-25

AUDIENZEN


Viktor Rogy, Gösta Maier, Rue de la Glacière, Paris 1959

Zu Beginn der Fünfzigerjahre lebte und arbeitete ich in Lausanne. Dort erregte ich als Existentialist das Mißfallen der guten Bürger. Zu Recht. Denn das große Haus namens Les Daillettes in la Rosiaz, war einst ein Mädchenpensionat. So was Obszönes wie ein Existentialist war da fehl am Platz. Doch noch mehr als Jean Paul Sartre faszinierte mich dort die abstrakte Kunst, die in Österreich nach dem Zusammenbruch, wie man die Befreiung nannte, entartet blieb. Eher zufällig, man kann sagen auf den Wogen des Schicksals, war ich eines Tages aus der schönen Suisse romande in das Eldorado der Eisenbahner, nach Villach ausgewandert. Verblüfft sah ich da in den Auslagen einiger Geschäfte abstrakte Bilder, ähnlich den in den Galerien der Rue de Bourg ausgestellten. Ein Hauch von Klee, Miro, Picasso, außergewöhnlich, phantasiereich, streng geordnet. Bilder von geistiger Präzision und Tiefe. Ich erkundigte mich nach dem Maler und bekam eine Einladung zur Eröffnung der „Tube“. Mußte natürlich an Zahnpaste denken. Aber es sollte ein Künstlerlokal sein oder werden. Am Gründungstag der „Tube“ im Keller des „Hotel Post“, lernte ich in der Toilette H.v.B., später „Stutz“, genannt, kennen. Einige Tage später saß ich dem Künstler im kleinsten Raum seiner Wohnung gegenüber. Er mit dem Rücken zum Fenster, ich mit dem Rücken zur Türe. Zwischen uns ein kleiner Tisch, an der Wand entlang darüber ein Bücherbord mit Taschenbüchern. Für diese Zeit eine traumhafte Bibliothek. Rowohlts-Rotations-Romane brachten den geistigen Horizont in Reichweite. H.v.B. wußte bereits, daß ich verborgener Schriftsteller war. Unglaublich, wie mich eines der drei Wesen verraten konnte! – Oder war ich es selbst? Damals glimmte in mir manchmal Schriftstellerisches auf. Diese erste Audienz war ein Abtasten. Ein Näherkommen. Wir waren ungleich aber stimmig. Jeder konnte zuhören und reden. In meinen Augen war er arriviert, bewußt und sicher. Ich dagegen weltfremd. Er war fast bestrebt, mein Mentor zu werden. Teilweise hat er es geschafft und mich, den nahezu zwei Jahre älteren, aus der Isolation geholt. In dieser ersten Audienz erklärte ich ihm, daß ich zertifizierter Geschäftsdiener bin. „Mit Brief und Siegel?“, fragte H.v.B. lachend. „Ja“, sagte ich, „aber teils verkleidet. Wie etwa unehelich ehelich. Egal wie du es schreibst?“ Ich zuckte mit den Schultern: „Schreiben ist eine andere Welt. Die braucht kein Zertifikat. Noch nichts veröffentlicht?“ Ich unterschlug das Gedicht in einer Zeitschrift und sagte: „Nein.“ H.v.B. lehnte sich zurück. „Dann gib nicht auf, was in dir ist“, sagte er. „Sicher nicht“, dachte ich. Ich erhoffte mir nichts von ihm, war aber froh, daß er mich ermutigt hat. Einige Tage später besuchte ich ihn wieder. Im selben Raum, vor den gleichen Büchern. Ich brachte einige Seiten meines Romans mit. Dafür habe ich mir vom Greißler da draußen, wo ich wohnte mühsam die Schreibmaschine geborgt. H.v.B las nahezu alles. Dann fragte er: „Hast du Kafka gelesen?“ „Nein, warum?“ Er deutete auf die Blätter: „Das ist dein Stil. Ändere ihn nicht. Laß dich nicht abbringen. Vor allem sollst du nicht Kafka lesen. H.v.B. ging hinaus. Nach einiger Zeit brachte er ein Paul Klee nachempfundenes Bild. „Es gehört dir“, sagte er. Nur vage habe ich verstanden wie leicht man beeinflußt wird. Sehr viel später habe ich Kafka gelesen. Da war mein Roman schon verbrannt. Auch Kafka ist eine andere Galaxie geworden. Wir hatten noch einige dieser Audienzen, in denen er mich zum Beten oder Bibellesen aufforderte. Ich las damals fast nur Lexikon. Er hat mir auch Bücher mit seinem Exlibris geschenkt, denen ich die Bezeichnung H.v.B. entnommen habe. Durch Herkunft und Heirat lebte H.v.B. in einer bürgerlichen Welt. Er war ein Mittelpunkt der Gesellschaft. Umgeben von Architekten, Ärzten, Dichtern, Malern Bildhauern und Geschäftsleuten. Wochinz, Leb, Pototschnig, Staudacher, Hildebrand, Jank, Königsbauer ... Es gab den Jour fixe, manchmal Partys, Vernissagen und Diskussionen. Und auch die Frauen seiner Freunde, viele die mit Kunst verbunden waren, einige, denen er ein Idol war. Über Frauen hat er mit mir nie gesprochen. Oder über Erotik und Sexualität. Ich wußte später, daß ihn meine Frau interessiert hat. Mit jenen, die nicht zur Haute volée zählten, zog er, ich auch, nachts durch die Lokale. Dabei wurden Urban Jank und Viktor Rogy meine Freunde. Von anderen wieder wußte ich kaum die Namen. Etwa dem Adi. Für ihn war die Zeit bis zur Übersiedlung nach Paris erfolgreich. Wenn es auch traurige Schatten gab. Er war ein geistiger und gesellschaftlicher Mittelpunkt. Vor allem jedoch wurden seine Arbeiten geschätzt und bestaunt. Ich glaube, er hat der Kunst einen neuen Stellenwert gegeben. Das unverständlich wirkende den Gefühlen und Gedanken erschlossen. Eines Tages erzählte er mir von einem besonderen Dichter, Akrobaten, Schuster, Tänzer, etc. Dem Viktor Rogy. In drei Anläufen sollte ich ihn kennen lernen. H.v.B. war völlig begeistert von ihm. Irgendwie brachte er uns doch zusammen und damit begann diese Zeit mit Mallarmé, Rimbaud, Baudelaire, in seinem kahlen Zimmer, mit fünf oder sieben an die Wand geschriebenen Noten und einen Schaukelstuhl, den ich benutzen mußte. Oft kam Urban mit Francois Villon dazu, Wagner, Erika und Freundin. Ich wohnte weit draußen, kam mit dem Fahrrad oder zu Fuß und habe von den Getränken wenig vertragen. Dauerte es lange, geriet ich in einen schweigend schwebenden Zustand. Und konnte nur mühsam heimfahren. Meist schlief ich dann wenige Stunden. Ich mußte ja, verkleidet als zertifizierter Geschäftsdiener, für eine Kleinfamilie sorgen. Allerdings war ich durch meine literarischen Ambitionen gewohnt, wenig zu schlafen. Es gab mehrere Maler in der Stadt. Sie waren teils mit H.v.B. befreundet, teils nicht. Doch er hat, was andere nicht taten, mit seinen Arbeiten den Zeitgeist aufgerüttelt. Er hat gezeigt, daß man mit Malerei mehr kann, als Farben und Formen zeigen. Vielleicht war ihm das zu wenig. Er übersiedelte nach Paris. Möglicherweise hat er sich nach seinen Erfolgen mehr erwartet. Obwohl Paris kein Mekka mehr war. Andererseits war die Erfahrung notwendig. Ich schaute ihn dort, in der Glacière zu und photographierte ihn. Im Gespräch betitelte er dieses Bild mit „La femme Christ“. Ich glaube, es hieß dann anders. Später filmte ich seine jüngste Tochter Julia. Sie lief im Hof herum. Er sagte, ich soll mitten in die Stadt gehen, mich inmitten einer Kreuzung stellen, die Augen zu machen, die Kamera einschalten und mich an diesem Punkt drehen bis der Film voll ist. Das konnte ich leider nicht tun. Denn ein Doppelacht Kodachrome kostete mich einen halben Wochenlohn. Ich mußte damals schon aus finanziellen Gründen meine zertifizierte Beschäftigung aufgegeben und verkleidet als geprüfter Augenoptiker die Familie erhalten. Natürlich sind Prüfungen und Zertifikate staatlich echt. Nur war mir die Verkleidung zum Augenoptiker peinlich. Man mußte als solcher nach der Art der Ärzte einen weißen Mantel tragen. Ich war damals etwas alkoholbedürftig und mußte zeitweise in die gegenüber liegende Braustube gehen. Es machte mich etwas betreten, wie ein Primar inmitten der normalen Trinker mein Glas hinunter zu kippen. Oft nahm ich deshalb gleich zwei zu mir. Als H.v.B. wieder in Österreich war, traf ich ihn selten. Er war krank, hatte ein Augenleiden. Wir begegneten uns oft zufällig aber wie ausgemacht auf der Draubrücke. Ich hatte damals häufig Mittagsdienst in der Optikerei. Einmal kam er in der Hoffnung, ich könne ihm helfen. Die Ärzte konnten es nicht. Ich bemühte mich durch alle nur möglichen Sehproben irgendeine Erleichterung zu finden. Aber was tun , bei einer Art von Makuladegeneration. Doch H.v.B. kam immer wieder. So konnten wir doch, so weit es meine Zeit erlaubt hat über alles mögliche reden, um von dem traurigen Zustand abzulenken. Im Grunde war er wie immer der Freund den ich schätzte und auch bewundert hatte. Es gab zwar Gerede um ihn. Für mich war er in dem Stadium wie er war, obwohl er wahrscheinlich auch mit Imaginationen zu kämpfen hatte. Zuletzt war ich bei seiner Ernennung zum Professor in Wien. Er hätte sich viel Besseres verdient. Wenn ich noch ein Gedächtnis hätte, könnte ich viele Details beschreiben. Leider ist dieser Teil meines Denkvermögens nahezu völlig versickert.


aus:
Smoliner Jank Kravanja
STUTZ – Hans Bischoffshausen und Freunde kehren beim Obiditsch ein
Katalog zur gleichnamigen Ausstellung
im Rahmen des Projektes GEMMAKUN?TSCHAUN. 2008
2008 Edition kärnöl
kitab-Verlag Wien, Klagenfurt/Celovec
1. Auflage 100 St.
ISBN 978-390258528-8

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