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Hans Haider

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2007-11-08

Judenpogrom 1938 in Kärnten

Links zum Thema:
r Sinti in Villach: geächtet, verfolgt und ermordet
r Zeitzeugen erinnern sich (Homepage des Vereins Erinnern)
r Gedenken an das Villacher Judenpogrom 1938

Pogrom: Russisch mit der Bedeutung „Auslöschung“. Im russischen ist es männlich, also der Pogrom. Laut Duden: Ausschreitungen gegen nationale, religiöse oder ethnische Minderheiten. Man kann sowohl der Pogrom als auch das Pogrom sagen. Beides ist laut Duden möglich.

Die Ereignisse, die sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 im Deutschen Reich zutrugen, werden in der Geschichtsschreibung und in der öffentlichen Diskussion häufig unter dem euphemistischen Begriff „Reichskristallnacht“ zusammengefasst. Ein Vokabel, das sich in der Bevölkerung festgesetzt hat. Es wurde von den Nazis nur allzu gern in den Sprachschatz aufgenommen, denn diese Bezeichnung suggeriert, es seien damals nur einige Fensterscheiben zu Bruch gegangen. Damit aber verschleiert dieser Ausdruck den barbarischen Terror, der damals an den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern verübt wurde und sollte deshalb durch den Begriff "Novemberpogrom 1938" oder besser "Judenpogrom November 1938" ersetzt werden. Eine klare Sprache ist hier von großer Wichtigkeit.

Der 17jährige Jude Herschel Grynszpan, dessen Eltern Ende Oktober 1938, zusammen mit 12000 Jüdinnen und Juden, nach Polen deportiert wurden, verübte am 7. November 1938 in Paris ein Schussattentat auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath. In einer Abschiedskarte an seine Eltern schreibt er:

„ Meine lieben Eltern!

Ich konnte nicht anders tun, soll Gott mir verzeihen, das Herz blutet mir wenn ich von eurer Tragödie und 12000 anderen Juden hören muss. Ich muss protestieren, dass die ganze Welt meinen Protest hört, und das werde ich tun, entschuldigt mir“.

Herschel Grynszpan
Herschel Grynszpan

Herschel Grynszpan wird vorerst von der französischen Polizei inhaftiert und kommt später in das KZ Sachsenhausen. Er wird 1960 von der westdeutschen Regierung für tot erklärt. Der Todeszeitpunkt und die näheren Umstände seines Todes sind ungeklärt. Seinen Eltern gelingt die Flucht in die Sowjetunion und sie überleben den Holocaust.

Am Nachmittag des 9. Novembers stirbt Ernst von Rath und noch am selben Abend hält Propaganda Minister Göbbels eine antijüdische Hetzrede in der er die Bevölkerung zu Aktionen gegen Jüdinnen und Juden aufmuntert. Anschließend gaben die SA-Führer von München aus entsprechende telephonische Anweisungen an ihre Mannschaften durch und in der Folge kam es im gesamten Deutschen Reich, organisiert von den Nationalsozialisten, zu einer ungeheuren Welle der Gewalt gegen Jüdinnen und Juden. Die gesamte jüdische Bevölkerung wurde einem beispiellosen Terror ausgesetzt. Beinahe alle Synagogen wurden zerstört und niedergebrannt, die Schaufenster jüdischer Geschäfte wurden eingeschlagen und die Geschäfte wurden geplündert. Jüdinnen und Juden wurden gedemütigt, verspottet, geschlagen, verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Die Ausschreitungen waren der Höhepunkt der Angriffe auf Jüdinnen und Juden in Deutschland und in Österreich nach dem Anschluss im März 1938. Die Aktionen wurden von den Parteistellen angeordnet und von SA-Verbänden und HJ-Gruppen durchgeführt. Etwa 30 000, vor allem einflussreiche und wohlhabende Juden, wurden festgenommen und in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen eingeliefert. Hunderte von ihnen sind in den Konzentrationslagern zu Tode geschunden worden.

In Österreich begannen die Ausschreitungen einen Tag später am Morgen des 10. November. 4600 Wiener Juden wurden nach Dachau deportiert. Auch in Kärnten, vor allem in Klagenfurt und Villach, kam es am 10. und 11. November 1938 zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Juden und deren Eigentum. Zerstörung von Besitz, Enteignung und tätliche Attacken prägten auch in Villach und Klagenfurt das Bild dieser Tage. Der Zeitzeuge Anton Engelhart aus Villach erinnert sich “Der Hauptplatz war voller Menschen. Ein unglaublicher Tumult. Auf dem Sockel der Pestsäule sind Jugendliche gestanden, die immer wieder geschrien haben: Hoch hänge der Jude am Laternenpfahl! Und Jude verrecke im eigenen Drecke!“

Erstmals wurde der Bevölkerung die Verfolgungspolitik und Brutalität des NS-Regimes direkt vor Augen geführt. Das Ausmaß der Barbarei übertraf alles Bisherige. Die Hoffnung, mit der Zeit würde die Hetze gegen die Juden nachlassen, war nun endgültig gebrochen. Nun war klar, es wird kein Entrinnen geben. Wer Jude oder Jüdin war saß endgültig in der Falle. Das ganze Reich war Feindesland, war Todeszone. Das Judenpogrom November 1938 war der Auftakt zum bürokratisch organisierten und fabriksmäßig durchgeführten Massenmord an Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und behinderten Menschen.

Quelle: Andrea Lauritsch, Wo ist dein Bruder? Novemberpogrom 1938 in Kärnten, alpe adria 4/98. Wolfgang Benz, Hermann Grami, Hermann Weiß, Enzyklopädie des Nationalsozialismus, dtv, 1997. Eberhard Jäckel, Peter Longerich, Julius H. Schöps, Enzyklopädie des Holocaust. Hans Haider, Nationalsozialismus in Villach, Edition kärnöl.

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Mimenda, 2007-11-15, Nr. 3996

Eine klare Sprache ist von großer Wichtigkeit!

Ja, das ist sie. Und deshalb bleibe ich bei "Reichskristallnacht". Warum?

1) Pogrom bedeutet im Russischen offenbar Verwüstung, Unwetter, Zerstörung, Krawall (Auslöschung habe ich nicht gefunden, habe aber auch kein russisches Wörterbuch).

2) Das Wort sagt nichts darüber aus, ob es sich um zielgerichtete Aktionen oder spontane Aktionen handelt, es lässt dies vielmehr offen bzw. weist durch seine russische Grundbedeutung eher in Richtung Spontaneität.

Die Prägung "Reichskristallnacht" wird dem Volksmund zugeschrieben. Ihr wird Euphemismus zur Last gelegt, oft auch Zynismus. Nun trifft aber bekanntlich Volkes Stimme oft etwas, was dem politisch korrekten Sprachreglungsversuch, der auf der Verwendung von "Progrom" besteht, abgeht.

Die "Anweisungen", zunächst wohl in klausulierter Form, kamen von Oben: Goebbels hatte in einer Hetzrede gesagt, Übergriffe würden nicht befohlen, aber auch nicht verhindert. Es gab ein Fernschreiben von Heydrich, das der Staatspolizei vorschrieb, was zu tolerieren und worauf zu achten sei.

Wenn man den Quellen trauen darf, beteiligte sich nur eine Minderheit an den Ausschreitungen:

"Die Reaktion der Bevölkerung auf die Pogromnacht und das bürokratische Nachspiel war unterschiedlich. Nur eine Minderheit in der Bevölkerung beteiligte sich an den Plünderungen und Brandschatzungen. Die Mehrheit verharrte schweigend, zeigte sich eingeschüchtert und angewidert von den pöbelhaften Gewaltaktionen oder blickte einfach weg. Nur einige Mutige zeigten Mitgefühl und Hilfe für die gepeinigten und drangsalierten jüdischen Mitbürger."(Hans-Ulrich Thamers)

Ein Progrom zeichnet sich m.E. dadurch aus, dass es im Vorfeld eine Progromstimmung gibt. Diese gab es offenbar nicht. Es zeichnet sich ferner dadurch aus, dass - nachdem der "spontane oder diktierte Volkszorn" verraucht ist - man zur Tagesordnung übergeht. Die Reichskristallnacht war aber in Wahrheit nur der Auftakt zur Deportation. Das verweist meinem Verständnis nach sehr deutlich auf die Planung der Aktion. Wobei es mich nebenbei auch verwundert, dass Herschel offenbar das KZ überlebt haben soll (dass er ein von den Nazis gedungener Attentäter war, konnte indes nicht nachgewiesen werden). Als ob die Nazis gezögert hätten, sich eines Diplomatenmörders zu entledigen!?

Volkes Stimme (wahrscheinlich in diesem Fall die berüchtigte Berliner Schnauze) hat in seiner Prägung etwas erkannt, was die Aktionen sehr genau trifft:

1) Durch die Vorsilbe "Reichs-" verweist sie auf die Nazis als Initiatoren, auf die Wirkung der Aktion auf das gesamte Deutsche Reich, aber auch auf die Manie, überall ein "Reichs-" davorzuschreiben.

2) Kristall hat einerseits sicher einen verharmlosenden Zungenschlag oder kann so gedeutet werden, aber man stelle sich andererseits mal das blanke Entsetzen eines Menschen vor, wenn er des Nachts oder im frühen Morgengrauen durch splitternde Fensterscheiben und Brände, die sich in den noch nicht zu Bruch gegangenen Scheiben spiegeln, geweckt wird. Da ist sofortige Furcht um das eigene Leben gewiss. Zudem will es mir scheinen, als spiele der Volksmund mit dem berstendem "Kristall" auch auf den Lärm an, den man macht, wenn man "Geister" vertreiben will, etwa zu Neujahr.

3) NACHT! Normalerweise begeht man einen TAG, die Nazis ihren "Reichsparteitag", die Kommunisten den Reichsjugendtag, die Sozis den Reichsfrauentag. Aber hier begeht man keinen TAG, hier begeht man eine NACHT - sagt der Volksmund. Eine Nacht, in der man sich geschützt weiß vor dem Licht, das die Schandtaten an den Tag bringen würde. Aber wie bei den Tagen, die man so begeht, ist es offenbar auch bei dieser begangenen Nacht: sie ruft wenig allgemeines Mittun hervor, wird aber von den Medien dennoch öffentlich herausgestellt.

Es sollen bis zu 400 Menschen in dieser Nacht "reichsweit" ihr Leben verloren haben. Davon spricht Pogrom ebensowenig wie Reichskristallnacht.

Wichtiger als die Bezeichnung dieser Nacht ist natürlich, dass wir nicht vergessen, was in ihr vorgefallen ist. Aber es ist auch wichtig, sich gegen diese unselige political correctness zu wehren, die sich darüber freut, wenn sie Wörter tabuisieren kann statt gefährliche Meinungen und Werthaltungen. Denn eben die existieren unter dem Schleier einer unanstößigen Sprache munter fort.

Klare Sprache, vergessen wir das nicht, kann die Sprache des Unterdrückers sein. Wenn klare Sprache nämlich bedeutet, dass zu einem Zweck vereinfacht wird, dann ist der Sprecher willentliches Instrument einer anderen Macht. Die Begrifflichkeit selbst lebt nur durch die Dialektik, die ihr den Raum lässt, das Gemeinte zu umkreisen. "Klarheit" steht selbst schon im Ruch administrativer Vernichtung dessen, was wirkt. (Oder: Wahr sind nur die Gedanken, die sich selbst nicht verstehen)

Mir jedenfalls läuft ein Schauer über den Rücken, wenn ich diese gespenstisch genaue Wortprägung des Volksmundes höre, ja es ist mir geradezu, als ob ich es splittern, brennen und schreien hörte.

erika, 2007-11-15, Nr. 3997

die gedenkveranstaltung zum november1938 in der evangelischen kirche, getragen von der musik von uli scherer, sowie durch den vortrag eines gedichtes durch pfarrer jürgen ölinger, hat mich tief bewegt.
die reichskristallnacht stieg durch die wenigen worte und den ersten satz des streichquartetts augenblicklich als bilder in mir auf.

mir sagt das wort: REICHSKRISTALLNACHT ebenfalls mehr zu als judenpogrom, denn da muss ich, ehe ich es ausspreche, zuerst immer denken:
"heißt es jetzt, progom - pogrom - oder gar progrom?"

p.s.: wird der ausdruck :"Pogrom" nicht grundsätzlich für VÖLKERMORD verwendet?

erika, 2007-11-15, Nr. 3998

"als die nazis die kommunisten abholten,
habe ich geschwiegen,
ich war kein kommunist.
als sie die sozialdemokraten abholten,
habe ich geschwiegen,
ich war kein sozialdemokrat.
als sie die katholiken holten,
habe ich geschwiegen,
ich war kein katholik.
als sie die juden abholten,
habe ich geschwiegen, denn ich war kein jude.

als sie mich dann holten, gab es keinen mehr,
der protestieren konnte

(vermutlich von: martin niemöller )

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