2003-01-14
Der schwarze Panther
Wieder einmal sitze ich vor dem Telefon, den Hörer noch in der Hand. Wieder einmal hast du angerufen und mich aufs Abstellgleis geschoben. Wieder einmal soll ich verstehen und zurückstehen. Aber heute will ich nicht, ich will nicht das schnurrende Kätzchen sein, welches man ohne weiteres streicheln, oder aber auch in den Katzenkorb zurücksetzen kann. Ganz wie es einem beliebt. Oh nein, viel mehr als alles andere will ich heute der
Schwarze Panther
sein. Ich liege ruhig und entspannt auf einem mächtigen Baum im Dschungel, meiner Heimat.
Ich habe Zeit, denn ich weiß, du wirst kommen. Ich nehme alle Geräusche um mich auf. Das Gekreische der Affen, welche sich in den Baumkronen tummeln. Den leichten Flug der Paradiesvögel über mir.
Plötzlich verändert sich etwas um mich. Ich wittere dich, lange bevor ich dich sehe. Endlich gehst du unter meinem Baum vorbei. Bemerkst mich nicht. Noch ahnst du nichts von einer Bedrohung.
Leise verfolge ich dich durch den Urwald. Sehe all deine Bewegungen, scheine auch deine Gedanken zu lesen. Du wirst unruhig. Bleibst öfter stehen und siehst dich um. Ich beginne, mit dir zu spielen. Laufe als Panther voraus, umkreise und verfolge dich. Du wirst immer unruhiger, beginnst schneller zu werden. Auch ich werde schneller. Mein Jagdinstinkt ist geweckt.
Während dich deine Kräfte verlassen, genieße ich unser Spiel. Noch halte ich mich versteckt, lasse dich die Bedrohung nur ahnen.
Weiter und weiter läufst du, immer tiefer in den Dschungel hinein. Rund um uns herrscht Stille. Alles hält den Atem an. Denn der schwarze Panther geht auf Jagd.
Schließlich bleibst du stehen und drehst dich um. Entschlossen, dich mir in den Weg zu stellen. Langsam trete ich aus dem Dickicht, laufe auf dich zu. Entsetzen packt dich; deine Angst erregt mich. Knapp vor dir bleibe ich stehen. Sehe in deine Augen, welche mir als Mensch so vertraut sind. Und plötzlich erkennst auch du mich. Gerade noch empfand ich menschlich, doch dann beginnst du zu sprechen. Damit zerstörst du alles. Das Raubtier in mir gewinnt die Oberhand. Ich fauche laut auf und springe auf dich zu. Du fällst zu Boden, rufst laut meinen Namen. Doch schon bin ich über dir. Fletsche mein Gebiß und schlage meine Fangzähne in deinen Hals.
Ich erwache, fühle mich entspannt und zufrieden. Ich könnte schnurren vor Behagen. Ich strecke mich und denke an den schwarzen Panther. Denke auch du an ihn, er ist dir näher als du denkst. Denn in jedem von uns steckt ein Raubtier. Ich werde den schwarzen Panther wieder auf Jagd schicken wenn man mich verletzt.