Für eine zukunftsfähige Nutzung der Wasserreserven
Erklärung des Synodalausschusses der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich zum Tag des Wassers am 22. März 2007
Auch für die Nutzung des Wassers gilt, wie für alle Schätze von Gottes guter Schöpfung, was Martin Luther 1545 zu Mt 5,5 an den Rand einer Bibelseite schrieb: „Die Welt vermeinet die Erden zu besitzen, vnd das ire zu schützen, wenn sie Gewalt vbet. Aber Christus leret, Das man die Erden mit senfftmütigkeit besitze.“ So ist eine zukunftsfähige Nutzung der Wasserreserven ein Gebot der Stunde!
Wasser ist ein unverzichtbares Lebensmittel, das durch kein anderes Naturgut ersetzt und auch nicht vermehrt werden kann. Wasser ist ein Naturgut, das für alle Lebewesen da ist. Daher ist der Zugang zu gutem Trinkwasser auch ein unverzichtbares Menschenrecht.
Rund 97 % des auf der Erde vorhandenen Wassers sind für den menschlichen Genuss, weil Salzwasser, ungenießbar. Die Süßwasservorräte liegen zu 0,009 % in Seen, zu 0,008 % in den
Binnenmeeren, zu 0,0001 % in den Flüssen, zu 0,625 % im Grundwasser, zu 0,31 % im tieferen Grundwasser (bis zu ca. 700 m Teufe) und zu 2,15 % in den Polkappen und Gletschern. Erschwerend kommt noch der Umstand hinzu, dass das Süßwasser regional sehr ungleich verteilt und vor allem durch Landwirtschaft, Industrie und Bergbau stark gefährdet ist.
Im Haushaltsbereich der Industriestaaten der gemäßigten Zonen der Erde werden derzeit pro Tag und Einwohner 80 bis 160 Liter Süßwasser verbraucht. Die Menge des Wassers, das davon von höchster Qualität sein muss, beträgt nur 3 bis 6 Liter und das von hoher Qualität 34 bis 51 Liter. Für den Rest kann das Süßwasser von geringer oder geringster Qualität sein.
Wasser ist in den vergangenen Jahren zu einem nationalen und internationalen Spekulationsobjekt geworden. Die Weltbank und Großunternehmer streben weltweit private Wasseragenturen zum Betrieb von Wasser- und Klärwerken an. So sind Unternehmen aus Frankreich, England und Deutschland (Suez-Lyonnaise, Vivendi, Thames Water, United Utilities, Gelsenwasser AG) weltweit tätig und betreiben heute schon Trink- und Abwasseranlagen (beispielsweise in Moskau, Buenos Aires, Manila, Rostock, Potsdam). In zunehmendem Maße erobern Großunternehmen lokale Märkte und errichten lokale Monopole. So führte die Liberalisierung in England zur Schaffung von 10 Großunternehmen an Stelle der früheren 3500 lokalen Wasserversorger, in Frankreich von 4 Großunternehmen und in den Niederlanden von 15, gegenüber vorher 111, Unternehmen. Erfreulicherweise gibt es in Deutschland noch immer 6700 kommunale Wasserversorger.
Aus gutem Grund liegt die Wasserversorgung in Österreich noch immer in kommunaler Selbstverwaltung, denn die Infrastruktur der Wasserversorgung wurde durch die Kommunen
vorbildlich aufgebaut und wird auch bestens instand gehalten, was den hohen Standard der Wasserqualität im europäischen Vergleich begründet.
Aus den bisherigen Erfahrungen zeigt sich nämlich auch, dass das Wasser in der Hand von Konzernen nicht billiger ist, weshalb es auch schon Kommunen gibt, die bereits privatisierte
Anteile an Wasserwerken zurückkaufen.
Es gibt derzeit bereits die Bestrebung, das Wettbewerbs-, Kommunal- und Wasserrecht zugunsten der Kommerzialisierung, Liberalisierung, Privatisierung zu ändern. Vor allem möchte die EU über ein geändertes Wettbewerbsrecht die Privatisierung begünstigen. Eine Privatisierung des allen gehörenden und bis heute auch in Österreich an sich kostenlosen Wassers, die beschönigend als „Herbeiführung einer Wettbewerbssituation“ bezeichnet wird, kommt in Wirklichkeit einer „Volksenteignung“ gleich.
So wurde aus vielen guten Gründen das Jahr 2003 durch die Vereinten Nationen zum „Jahr des Wassers“ erklärt; dies auch, um auf die drängenden Fragen des globalen Süßwasserverlustes durch den Klimawandel, des zunehmenden Trinkwassermangels, der drohenden Liberalisierung und eines privatisierten Wasserhandels aufmerksam zu machen.
Außerdem sollte auf die drohende Zerstörung der Weltmeere (besonders der Riffe, die nach den Tropenwäldern die reichste Artenvielfalt der Erde besitzen und wichtige Senken für
Treibhausgase darstellen) hingewiesen werden.
In großer Besorgnis um die weitere Entwicklung auf dem Gebiet der Wassergewinnung und -versorgung richtet die Evangelische Kirche A.B. in Österreich an das Parlament, die
Bundesregierung und die Öffentlichkeit den nachstehenden
APPELL
- Wasser ist ein unverzichtbares Lebensmittel, das durch kein anderes Naturgut ersetzt werden kann.
- Die Wassergewinnung , -verteilung und -entsorgung muss in demokratischer kommunaler Selbstverwaltung bleiben.
- Wasser darf unter keinen Umständen kommerziellen Lieferungsbeschränkungen bei der Versorgung der einheimischen Bevölkerung ausgesetzt werden.
- Die Wasserver- und -entsorgung darf sich nicht zu einem Spekulationsobjekt entwickeln, sondern muss verantwortungsvoll verwaltet werden.
- Die Nutzung geringerwertigen Wassers, so genannten „Grauwassers“, muss gefördert und die Errichtung entsprechender Leitungen durch die Bauordnungen, zumindest bei Neubauten, zwingend vorgeschrieben werden.
Kontakt: Bischof Mag. Herwig Sturm: bischof@evang.at