2007-02-23
Das Lexikon der Lust
Vor 131 Jahren, 1876 wurde Konrad Duden Direktor des Königlichen Gymnasiums zu Hersfeld. Hier veröffentlichte er am 7. Juli 1880 sein wichtigstes Werk. Sein beim Verlag Bibliographisches Institut erschienenes „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ mit 27.000 Stichwörtern, wurde noch im gleichen Jahr vom Königreich Preußen augrund eines Tauschhandels zur verbindlichen Grundlage der amtlichen Orthographie erklärt. Das „Deutsche Wörterbuch“ der Gebrüder Grimm, ein klassisches Belegwörterbuch mit, bis zum Erscheinen des 1. Bandes 1854 bereits über 600.000 gesammelten Belegen, hatte das Nachsehen. Das immanente kapitalistische Grundgesetz „Interagiere nicht ohne Tauschhandel“ hatte nicht zum letzten Mal über die sozialemanzipatorische Dimension der Sprache gesiegt.
Ob dem „Lexikon der Lust“ das grimmsche Schicksal widerfährt ist ungewiss. Noch laufen die Approbierungsverhandlungen für dieses literarische Lexikon der „grauenfruppe“ mit der österreichischen Schulbuchskommission.
Wie mir aus unzuverlässiger Quelle des Bundesministeriums zugetragen wurde, habe sich der Bundeskanzler selbst in seiner Funktion als Nachhilfelehrer in die Approbierungskommission deklariert. In der Tradition der benthamschen Pädagogik fordere er vehement die Streichung des Wortes „LUST“ aus dem Grundwortschatz der österreichischen Bildung und der österreichischen Lexika. Wem, außer ihm bereite es schon Lust, nach einem Tauschhandel ohne Lustgewinn, als Lustdepp vor lustbettelnden Arbeiter(innen), lustchronischen Student(inn)en und lustigen Pensionist(inn)en über die positiven Auswirkungen der Lusttäuschung auf den Lustgewinn des neoliberalen Wirtschaftssystem lustvoll zu referieren.
Das Autorinnen und Performerinnenkollektiv „grauenfruppe“ - Daniela Beuer, Elke Papp, Karin Seidner und Martina Sinowatz – verfolgen die Verhandlungen mit avantgardistischer Gelassenheit und kommentieren den Verlauf des Approbierungsverfahrens mit zufälligen und assoziativen Wortmotagen:
„Das „lexikon der lust“ ist kein sittenbuch, sondern ein literarisches, sozialemanzipatorisches, allen zwecken gerechtes unternehmen. selbst in der bibel gebricht es nicht an wörtern, die bei der feinen gesellschaft verpönt sind. wer an nackten fenialbusen ein ärgernis nimmt oder an den nichts auslassenden fleischspraeparaten der werbung, gehe auch in diesem platzl den misfälligen wörtern vorüber“ (frei nach Jacob Grimm: Vorwort 1. Band, S. XXXIV, Leipzig 1854) oder setze sich auf seine vier Buchstaben und nehme jede gewünschte Stellung zum Genuss dieser Lesung ein, lasse sich durch Querverweise (z.B. mit „Geh, Bettina…“) verführen oder verweigere sich ihnen und bahne sich lustvoll einen eigenen Weg durch den heutigen kärnöl – Abend mit Martina Sinowatz und „Das Lexikon der Lust“