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Peter Gstettner

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2006-10-29

Selbst der Teufel würde erröten

Einleitung zur Buchpräsentation in Klagenfurt/Celovec,

František Janouch
Selbst der Teufel würde erröten
Briefe meines Vaters aus der Hölle von Auschwitz und aus dem KZ am Loiblpass
Mit einem Vorwort von Peter Gstettner
Hrsg.: Mauthausen Komitee Österreich
ÖGB Verlag, Wien 2006
ISBN 3-7035-1237-7
(Bestellungen: www.mkoe.at)

Erlauben sie mir zunächst eine soziologische Vorbemerkung zu dem Buch, das heute vorgestellt wird. Das Buch, in dem der Sohn Janouch die Geschichte seines Vaters dokumentiert, ist ein Zeugnis dafür, wie der Vater als Mitglied einer Prager Widerstandsgruppe nach Auschwitz und von dort nach Mauthausen bzw. ins KZ am Loiblpass kam. Das Buch kann als ein weiterer Beleg interpretiert, dass Söhne die Geschichte ihrer Väter aufarbeiten, ihre Biografie gleichsam zu Ende schreiben. So gesehen ist das Buch ein Ausdruck einer Generationenbeziehung, in diesem Fall einer Vater - Sohn - Beziehung.

In der Holocaustliteratur gibt es mehrere solche ”Familiengeschichten”, in denen die Söhne oder Töchter das Leben ihrer Eltern dokumentieren, entweder mit der Intention der ehrenden Erinnerung, wie in diesem Fall, oder wie im Fall von Schoschana Rabinovici, geschildert im Buch ”Dank meiner Mutter”[1], oder mit der Intention der Abrechnung, wie im Fall von Niklas Frank, dem Sohn von Hans Frank, der als Obernazi das sog. Generalgouvernement mit seinen Konzentrations- und Vernichtungslagern Majdanek, Sobibor, Treblinka, Belzec, Lublin, Lodz, Chelmno beherrscht und bis zum Kriegsende ”verwaltet” hat. Hans Frank machte als Jurist im Nazireich eine glänzende Karriere: bayerischer Justizminister, Reichskommissar für Jusitz, Präsident der ”Akademie für Deutsches Recht”; schließlich residierte er ab 1939 als ”Generalgouverneur” auf der Krakauer Burg. Sein Sohn Niklas Frank hat in dem Buch ”Der Vater” das feige und verlogene Leben und das Sterben seines Vaters am Galgen gegeißelt und im Buch einen literarischen Ausdruck für seine tiefe Verachtung für seinen Vater gefunden.[2] Vielleicht ist es für die Söhne der Täter auch unendlich schwieriger als für die Söhne der Opfer, die Geschichte der Väter in eine ”gemeinsame Familiengeschichte” zu integrieren.

In dem Buch ”Selbst der Teufel würde erröten” jedenfalls begegnet uns ein Stück anderer, nicht alltäglicher Familiengeschichte; die Geschichte der Familie Janouch aus Prag, eine Geschichte des Widerstands, der Verhaftung, der Tortur und des Überlebens; Familiengeschichte, aber nicht isoliert zu betrachten von der verflochten Gesellschaftsgeschichte der damaligen Zeit. Kurz dazu:

In Prag wurde ein Dreiviertel Jahr vor der Verhaftung von Dr. František Janouch, am 27. Mai 1942, ein Attentat auf den Mann verübt, dem in der okkupierten Tschechoslowakei Gestapo, Sicherheitsdienst und Polizei unterstanden: Reinhard Heydrich. Heydrich hat sich schon vor Kriegsbeginn der sog. Endlösung der Judenfrage gewidmet; er war dann auch dabei, als es galt, den Startschuss für den Zweiten Weltkrieg zu inszenieren.[3] Nach dem Attentat auf Heydrich und nach seinem Tod (er starb am 4. Juni 1942 an den Folgen des Attentats) wurden als Vergeltung die Repressionen gegen die Bevölkerung drastisch verstärkt. Am 10. Juni wurde auf Befahl Hitlers als Vergeltungsaktion das Dorf Lidice von der SS ausradiert: alle männlichen Bewohner über 16 Jahre wurden erschossen, die Frauen, die den Überfall auf das Dorf überlebten, nach Ravensbrück, die Kinder nach Lodz verschleppt. Das Dorf wurde dem Erdboden gleich gemacht. Dies blieb nicht die einzige Vergeltungsaktion; in Prag wurden unverzüglich 1.300 Tschechen hingerichtet, in der Ortschaft Lezaky wurden über 30 Frauen und Männer erschossen usw.

In Berlin, im Reichssicherheitshauptamt, wird ein österreichischer SS-Mann die Nachfolge von Heydrich antreten: Ernst Kaltenbrunner. Er hatte sich schon in seiner Jugendzeit in Linz mit Adolf Eichmann angefreundet. Kaltenbrunner lernte bei seinem Jusstudium in Graz einen Kärntner Kommilitonen kennen, den späteren SS-Gauleiter von Salzburg und Kärnten, Dr. Friedrich Rainer.

Der industriell organisierte Massenmord bekam im 3. Reich zu Ehren Heydrichs den Namen ”Aktion Reinhard”. Die ”Aktion Reinhard” läuft im Jahre 1942 in den Vernichtungslagern des Ostens bereits auf Hochtouren. Neben Eichmann und Kaltenbrunner ist Odilo Globočnik eine weitere Schlüsselfigur der ”Aktion Reinhard”; überdies stand Globočnik dem Kärntner Gauleiter Rainer wohl am nächsten.[4] Der unmittelbare Chef von Globočnik war aber der Reichsführer SS Heinrich Himmler höchstpersönlich. Odilo Globočnik war für die Beraubung und Ermordung von Millionen Juden in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor, Majdanek und Treblinka verantwortlich. Nach getaner Arbeit wurde Globočnik und sein Stab von Vernichtungsexperten von seinem alten Freund, dem Kärntner Gauleiter Rainer, zurück in die Heimat berufen. Hier bekamen die im Osten bewährten SS-Männer ab September 1943 ein neues Betätigungsfeld zugewiesen: Sie sollten im Raum Triest, in der sog. Operationszone Adriatisches Küstenland, die Säuberung und Vernichtung von Partisanen und Juden vorantreiben.

Welches sind aber nun die Beziehungen zwischen der Geschichte des Dr. med. František Janouch und Kärnten? Einiges habe ich schon angedeutet. Janouch war in einer Widerstandsgruppe Prager Ärzte. Nach dem sich der deutsche Besatzungsterror im Anschluss an das Attentat auf Heydrich in Prag verstärkt hatten, folg diese Widerstandsgruppe auf. Dr. František Janouch wurde im Jänner 1943 verhaftet und in das Prager Gestapogefängnis gebracht. Sein Sohn war damals noch nicht ganz 12 Jahre alt. - Unbeugsam, auch nach der Folter, wurde František Janouch nach Auschwitz verbracht und von dort in das einzige KZ, das im deutschen Reich die Lagerstufe III hatte, was hieß ”Rückkehr unerwünscht”, nach Mauthausen. Ich überspringe das Kapitel Mauthausen und komme gleich zu ”Mauthausen in Kärnten”, dem Außenlager bzw. den beiden KZ am Loiblpass, nämlich dem Loibl KZ Süd (heute Slowenien) und dem Loibl KZ Nord (heute Österreich/Kärnten). Beide befanden sich damals unter der Gauverwaltung Kärntens, d. h., sie unterstanden dem SS-Gauleiter Dr. Friedrich Rainer. Die ”Kärntner Gruppe” hatte über den obersten SS-Chef Heinrich Himmler und über Hitlers Stellvertreters Martin Bormann privilegierten Zugang zu Hitlers Reichskanzlei in Berlin. Bormann, dem die Kärntner Sache ebenfalls ein Anliegen war, administrierte den Holocaust, überließ aber die Judenvernichtung den Spezialisten Reinhard Heydrich, Hans Frank, Adolf Eichmann, Ernst Kaltenbrunner und Odilo Globočnik. Über die slawischen Völker hatte Bormann freilich eine eigene Meinung, die er auf die Formel brachte: ”Die Slawen haben für uns zu arbeiten. Soweit wir sie nicht brauchen, können sie sterben. Fruchtbarkeit bei Slawen ist nicht erwünscht.”[5]

Damit ist auch schon die Beziehung zu Kärnten definiert:

Erstens: František Janouch war ab dem 17. April 1944 in einem ”Kärntner KZ”, im Mauthausen-Außenlager Loibl KZ Süd. Damit war er in einer Instituion der Kärntner SS-Seilschaft unter der Führung von Gauleiter Rainer, der das ganze Projekt der Untertunnelung des Loiblpasses ehrgeizig betrieb.

Ein Jahr davor, also im Frühjahr 1943, als in Prag Dr. František Janouch verhaftet wurde, begannen zivile Bauarbeiter und Mineure am Südportal den Tunnelanschlag. Am 3. Juni 1943 traf der erste Häftlingstransport mit 330 Häftlingen aus dem KZ Mauthausen ein, darunter 316 Franzosen. Circa ein Jahr nach dem ersten Transport kam der Häftling František Janouch ins Südlager, um als Gehilfe im Krankenrevier eingesetzt zu werden. Im Nordlager, also auf der Kärntner Seite, gab es keine ”Ambulanz” – was einigen Häftlingen als Vorteil erschienen sein mag, sofern sie vom tödlichen Wirken des SS-Arztes Sigbert Ramsauer im Südlager Kenntnis erhalten hatten. KZ-Häftlinge, die im Nordlager krank oder verletzt wurden, waren jedoch vor Überstellungen ins Südlager nicht sicher. ”Geheilt” wurden sie von Ramsauer dort nicht. Sie erhielten von ihm auch keine Medikamente; ”behandelt” wurden sie nur insofern, als sie ihm zu „Studienzwecken“ dienten. Ramsauer soll selbst, gemäß Zeugenaussagen eines ehemaligen polnischen Häftlings, einmal gesagt haben: ”Ich bin hier, um zu lernen, und nicht um diese Banditen zu kurieren.”[6]

Sowohl im Nord- wie auch im Südlager gab es ein ”Krematorium”, wo die Leichen auf einem Scheiterhaufen unter freiem Himmel verbrannt wurden. In der Regel war Dr. Ramsauer bei den Leichenverbrennungen im Loibl KZ Süd anwesend. Zumindest in einem Fall soll er die Kremierung mit einem Fotoapparat dokumentiert haben, was auf seine ”wissenschaftlichen” Ambitionen schließen lässt.[7]

Am 4. Dezember 1944, genau ein Jahr nach dem Tunneldurchbruch, konnten die ersten Wehrmachtsfahrzeuge den 1.542 Meter langen Loibltunnel befahren. Am Tag davor schreibt der KZ-Häftling ”Franz” Janouch nach Hause, wie vergeblich und ”unvernünftig” seine Hoffnung doch sei, das bevorstehende Weihnachtsfest bereits mit seinen Lieben zu Hause zu feiern – gefordert seien also „Geduld und Vernunft".

Am Loibl selbst kamen mindestens 34 KZ-Häftlinge ums Leben, ein Drittel davon dürfte im Zeitraum getötet worden sein, als Dr. Janouch noch nicht am Loibl war. Ein polnischer Häftling, der nach dem 8. Mai am Loibl gestorben ist, wurde von Dr. Janouch irgendwo in der Nähe des Lagers begraben. Auf der Totenliste, die der Zeitzeuge Janko Tišler zusammengestellt hat, findet sich bei 15 Häftlingen der Eintrag, "auf der Flucht erschossen". Diese Todesursache hatte in der Regel folgenden Hintergrund: Häftlinge wurden wegen zu geringer Arbeitsleistung oder anderer "Verfehlungen" ausgewählt und "zum Tode verurteilt", in dem ihre Häftlingskleidung mit einem roten Punkt markiert wurde. Dies war das Zeichen, dass der betreffende Häftling "abgeschossen" werden sollte. Die Ermordung geschah zumeist auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstelle. In der Regel wurde der Häftling gezwungen, die Linie zwischen den Wachposten zu überschreiten. Dabei erschoss der Wachposten ihn "auf der Flucht". Der Lagerkommandant ordnete darauf hin eine Pro-forma-Untersuchung an und ließ im Protokoll feststellen, dass der Häftling flüchten wollte und - trotz Aufforderung durch den Wachposten - nicht stehen geblieben war. Die SS-Wachen bekamen dann zur Belohnung manchmal 14 Tage Urlaub oder eine Sonderration Zigaretten.

Mindestens 8 Häftlinge starben in der Ambulanz oder wurden dort durch den SS-Arzt Dr. Sigbert Ramsauer mit einer tödlichen Benzinspritze ins Herz ermordet. In anderen Fällen starben die Häftlinge an Erschöpfung, an Auszehrung, an Krankheiten oder in der Folge der Quälereien und Schläge durch die Aufseher. In den Jahren 1943 bis 1945 gingen mindestens 13 Transporte mit insgesamt 240 abgearbeiteten und/oder kranken Häftlingen zurück nach Mauthausen. Die Selektionen für diese Rücktransporte oblagen Dr. Ramsauer. Fast fünfzig Jahre später wird er in einem Interview sagen, er habe nicht gewusst, was dann mit den Häftlingen in Mauthausen geschähe - und überhaupt: Es sei "niemand ohne Grund liquidiert worden ..." Sicher ist, dass Ramsauer schon vor seinem Einsatz am Loibl in anderen Konzentrationslagern Erfahrungen gesammelt hat, in Oranienburg, Dachau, Neuengamme und Mauthausen.[8] Und natürlich, nicht zu vergessen, Hartheim - kein KZ sondern eine reine Tötungsanstalt, ein Experimentierlaboratorium des Massenmordes, eine ”Schule” für die meisten SS-Ärzte, die später in der ”Aktion Reinhard” oder als KZ-Kommandanten tätig wurden.

Der SS-Arzt Sigbert Ramsauer erhielt von dem britischen Militärgericht in Klagenfurt wegen seiner Euthanasiemorde an Loibl-KZ-Häftlingen „lebenslänglich“. Der ehemalige Häftling Dr. František Janouch war einer der wichtigsten Belastungszeugen im Prozess gegen Ramsauer, da Janouch durch seine Tätigkeit in der KZ-Sanitätsbaracke sowohl als Häftling als auch als „Kollege“ ein doppelt Betroffener von der erzwungenen Nähe zu Ramsauer war. In den Kärntner Medien, die über den Prozess ausführlich berichteten, werden relativ offen die medizinischen Kenntnisse von Dr. Ramsauer angezweifelt. In allen 3 damals erscheinenden Kärntner Tageszeitungen wurde dies durch die Wiedergabe der Zeugenaussage von Dr. Janouch, dem einzigen nicht-französischen Zeugen beim Prozess, deutlich herausgestrichen: „Über seine Ansicht bezüglich der ärztlichen Fähigkeiten und über das Verantwortungsbewusstsein Dr. Ramsauers befragt, sagte der Zeuge, daß die ärztlichen Kenntnisse sehr gering seien, von einem Verantwortungsbewusstsein könne bei einem SS-Arzt überhaupt keine Rede sein.“[9]

Wie Ramsauer viel später in einem Interview sagte, befürchtete er selbst die Todesstrafe zu bekommen. Er befürchtete dies nicht ohne Grund: Ein Jahr zuvor (am 24.10.1946) wurde der Hauptangeklagte im Klagenfurter Euthanasie-Prozess, der Primararzt Dr. Franz Niedermoser, in Klagenfurt hingerichtet. Das Urteil wurde vom Volksgericht Graz, Außensenat Klagenfurt, ausgesprochen. Die Zahlenangaben, der an Niedermosers Abteilung der ”Landesirren- und Siechenanstalt” Klagenfurt getöteten Patienten schwankt zwischen 300 und 900. Die mit verantwortlichen Oberschwestern Antonia Pachner und Ottilie Schellander erhielten ebenfalls die Todesstrafe. Diese beiden Urteile wurden jedoch nicht vollstreckt sondern in ”20 Jahre schweren Kerker” bzw. ”lebenslänglich” umgewandelt.

Dass Ramsauer in Kärnten 1947 mit „lebenslänglich“ davon kam und dass ihm schon zu Zeiten des Prozesses in Klagenfurt keineswegs die Verachtung der Bevölkerung entgegen brandete, hat Dr. Janouch so irritiert und empört, dass er dies auch zu Hause nicht verbergen konnte. Er bekam offenbar beim Ramsauer-Prozess in Klagenfurt bereits einen Vorgeschmack auf die später überall in Österreich vollzogene Art der „Vergangenheitsbewältigung“. Ramsauer war durch seine baldige Entlassung noch vor dem Abschluss des österreichischen Staatsvertrags ein freier Mann, nämlich 1954. Seine Taten fielen dem Vergessen anheim. Er bekam sofort eine Anstellung am LKH in Klagenfurt und bald darauf auch eine Praxis im Stadtzentrum. Zweiter typischer Kärntenbezug: František Janouch hatte nicht nur Kontakt zu den Partisanen, die bei der Befreiung des Loibl KZ eine wesentliche Rolle spielten,[10] er war noch nach der Befreiung des Südlagers fast einen Monat als Arzt im slowenischen Partisanenspital Golnik tätig. Vielleicht war dies eine Geste der Dankbarkeit, denn den mutigen Häftlingskameraden und den Männern der slowenischen Widerstandsbewegung war es zu danken, dass die Briefe des Haftlings Janouch in der Originalsprache Tschechisch als sog. Kassiber aus dem Lager heraus geschmuggelt, im Tunnel hinterlegt und von den Verbindungsleuten in Trzic/Neumarktl aufgegeben werden konnten.

Einer der wichtigsten Verbindungsleute, Vermittler von Informationen, Überbringer von Medikamenten, Briefen und Paketen war der Vermessungsgehilfe auf der Baustelle und der spätere Partisan Janko Tišler. Ihm und seiner treuen Freundschaft verdanken wir die meisten unserer Informationen über das Loibl-KZ, Informationen, die nun durch das Buch von und über František Janouch um eine wichtige ”Innensicht” ergänzt und bereichert werden. Es sind Informationen über Zustände, die (so der Titel) selbst den Teufel erröten lassen würden, sollte der Teufel jemals etwas davon erfahren haben; oder hat der Teufel eh davon gewusst? Anzunehmen ist es, weil er in vielerlei Gestalt anwesend war.

Die zweite, dritte und vierte Generation wird - durch den wachsenden zeitlichen Abstand zum Geschehen - immer weniger erröten über das, was am Loibl geschah. Nicht, weil ihr Sensibilität oder Scham fehlten, sondern weil sie etwas Anderes heute zum Erröten bringt - und zwar der Zustand, in dem sich das Areal des Loibl KZ Nord heute befindet. Die Art und Weise, wie Kärnten und die Republik Österreich mit dieser seiner ”dunklen Geschichte” umgeht, ist eine Schande. Angesichts der verwachsenen und verwüsteten Stätte unzähliger Leiden und schrecklicher Schicksale von Häftlingen vieler Nationen ist das Loibl KZ Nord an der Grenze zum EU-Land Slowenien heute ein Schandfleck sondergleichen. Der Teufel wird sich ins Fäustchen lachen ob dieser "biologischen Vergangenheitsüberwucherung"

[1]Schoschana Rabinovici setzt in diesem Buch (Dank meiner Mutter, Frankfurt/M. 1997) ihrer Mutter ein Denkmal, mit deren Hilfe sie das Wilnaer Ghetto und mehrere Konzentrationslager überlebt hat.
[2]Niklas Frank: Der Vater. Eine Abrechnung. Mit einem Vorwort von Ralph Giordano. München 2001.
[3]Reinhard Heydrich hat den Anlassfall für den von Hitlerdeutschland entfachten Zweiten Weltkrieg logistisch-geheimdienstlich vorbereitet und inszeniert: den angeblichen ”polnischen Überfall” auf den Sender Gleiwitz.
[4]Odilo Globočnik gehörte zum inneren Kreis der Kärntner SS-Clique um Rainer, Klausner und Kaltenbrunner, also zu jenen ”alten Kämpfern”, die schon vor dem ”Anschluss” 1938 eifrig in der illegalen SS an der Auslöschung Österreichs gearbeitet haben.
[5]Zit. nach dem Lexikon von Robert Wistrich ”Wer war wer im Dritten Reich?”, Frankfurt/M. 1988, Seite 35.
[6]Zit. nach dem Manuskript der deutschen Übersetzung (1998 von Lilly Jaroschka) des Buches von Janko Tišler und Joze Rovšek: Mauthausen na Ljubelju, Klagenfurt/Celovec 1995, Seite 245.
[7]Darüber berichtet der ehemaligen Loibl KZ-Häftling André Lacaze in seinem Buch ”Der Tunnel” (München 1987) auf Seite 135.
[8]Vgl. Rettl 2002 (Fußnote 6) und Tišler/Rovšek 1995, Übersetzung S. 65; bei Tišler/Rovšek wird auch die Zeugenaussage des ehem. Häftlings Louis Balsan zitiert, Ramsauer habe im KZ Mauthausen 700 kranke Häftlinge durch Benzineinspritzungen getötet.
[9]Volkswille, 13. September 1947, S. 2, zit. nach Rettl 2002, Forschungsbericht S. 27
[10]Peter Gstettner: Die Legende von der Selbstbefreiung Kärntens. Alte Töne und neue Varianten am Rande des ”Gedankenjahres 2005”. In: DÖW-Jahrbuch 2006 ”Erinnerungskultur”, Wien 2006, S. 80-105.
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