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Thomas Fian

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2005-07-25

Innerer Monolog eines Fremden

Die Gesellschaft und ihre globalpolitischen Auswirkungen

Ich sitze vor einem Kebabstand in einer großen Stadt, inmitten einer Menschenansammlung. Ameisengleich haben sie die Gunst der Stunde genutzt und sind aus allen Winkel der Stadt hervorgekrochen ... glückliche, lachende Menschen, junge, alte Menschen, denen der Sonnenschein alle Sorgen aus dem Gesicht gebannt zu haben scheint. Die Welt wirkte idyllisch, wenn nicht ... Vor mir liegt die Kronenzeitung, in großen Lettern wird das Verbot von Kopftüchern gefordert. Diese Abartigkeit, sie wissen nichts über unseren Glauben oder unser Kultur, sie hassen uns trotzdem... Betrübt wende ich meinen Blick ab, lasse ihn streifen über Bäume, Sonnenschirme, beklebte Häuserwände. Gegenüber von mir bemerke ich plötzlich ein Plakat - „Wien darf nicht Istanbul“ werden. Eine Forderung oder besser eine Aussage, rassistischer kann es wohl nicht zugehen. Es trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht. Dieser Typ hasst uns, er glaubt wohl, dass wir den ÖsterreicherInnen die Arbeitsplätze wegnehmen.

Gerade geht eine Frau vorbei, ich lächle ihr zu. Bevor sie sich abwendet, glotzt sie blöd auf meine dreckige, alte, zerlumpte Hose. Ich kann mir eben keine bessere leisten, will ich hinter ihr her rufen, hab kein Geld dafür, ich darf hier nicht arbeiten, ich will, aber ich kann nicht, die Regierung lässt mich nicht ... Etwas hält mich zurück ... Wortlos falte ich meine Zeitung zusammen ...

Ich beiße in meinen Kebab, die Soße spritzt heraus, das Fleisch ist zart, die Tomaten sind fruchtig, langsam schlucke ich und genieße Bissen für Bissen. Wer weiß wie oft ich noch die Gelegenheit oder das Geld dazu haben werde, mir solch einen Genuss zu beschaffen. Wahrscheinlich ist es ohnehin das allerletzte Mal. Ich kann nicht mehr. Alle hier werfen mir böse Blicke zu, in den Zeitungen hetzen sie gegen mich und meine Landsleute. Unsere Kultur wird belächelt, schlecht gemacht, verurteilt. Der Islam ist gleich dem Terrorismus. Der Terrorismus ist gleich dem Islam... Ich kann nicht mehr, diese Gesellschaft hier, alle hassen mich. Hass, Intoleranz und Aggression sind wohl die einzigen Werte dieser Menschen. Wo ist die Nächstenliebe, von der ihre Religion spricht? Jesus, ein Jude ... Ich, ein Ausländer ... Niemand oder nur wenige Leute helfen mir, ich bin alleine. Niemand kümmert sich um mich. Ich will raus, ich will mich frei machen. Von allem. Mein einziges Bestreben ist die Befreiung, koste sie, was sie wolle. Dieser Spott ... die Beleidigungen ... wie ein Hagelsturm prasseln sie hier täglich auf mich ein ... Es kann so nicht mehr weitergehen. Und es wird nicht so weiter gehen ... Das Maß ist voll. Die werden schon sehen, welche Ernte sie da gesäht haben... Ein bitterer Ertrag ...

Ich greife runter zu meiner Tasche, ja, da ist es, Sprengstoff, allererster Güte, damit lösche ich hier den ganzen Platz aus, dann hat das Spiel ein Ende, für mich sowie für euch alle hier. Ihr Menschen die ihr mich hasst, und verspottet, gemeinsam verlassen wir diese Bühne. Ich kann und mag nicht mehr. Aus.

Hastig stecke ich den letzten Bissen vom Kebab in meinen Mund, beiße nicht mal mehr richtig sondern schlucke ihn geschmacklos hinunter. Ich nehme die Zeitung und mache mich auf den Weg, von hinten höre ich noch leise den Kebabverkäufer etwas auf Türkisch sagen, ich höre seine Worte, doch ich will sie nicht mehr verstehen. Ich bin fixiert, fixiert auf die große Tat, der letzte Akt ... Der Vorhang wird fallen. Aus und vorbei. Sie werden mich noch in Erinnerung behalten ... Langsam ziehe ich die Mundwinkel zu einem Lächeln hoch während ich mich der Platzmitte nähere. Ich gehe schnell, schneller, immer schneller, beginne fast zu laufen. Schweißperlen stehen mir auf der Stirn, der Schweiß tropft langsam herunter, es ist heiß. Die Sonne scheint, als wolle sie meinen letzten Auftritt ins rechte Licht rücken. Ich genieße die warmen Sonnenstrahlen, schließe die Augen ... versuche, zu verweilen ... in mich zu gehen ... meine Kräfte zu sammeln ... doch ich sehe nur die Tasche, fühle das Gewicht ... es ist noch alles drinnen. Mein Herz rast, überschlägt sich. Eine ungekannte Nervosität ergreift Besitz von mir ...

Meine linke Hand umfasst noch immer die Zeitung, das Papier ist bereits feucht ... mit Blicken durchbohre ich den Titel, so als könne mir eine Eingebung erscheinen. Doch die Letter stehen unverändert, formen sich hämisch zu Worten zusammen ... und bestätigen mein Vorhaben nur noch mehr. Gleich ist es aus. Der Leidensweg wird gleich zu Ende sein, da seht ihr dann wohin euch euer Chauvinismus und eure unermessliche Intoleranz geführt haben. Streut nur weiter Salz auf meine Wunden, entsendet eine Woge des Hasses ... Es reicht. Das Fass ist schon lange übergelaufen. Dieser Hass, dieser Rassenwahn. Meine innerliche Explosion macht sich auf den Lippen breit ... Weiter, immer weiter ... Ich bin angekommen, angekommen auf der Mitte des Platzes, vor mir befindet sich ein Springbrunnen, ich sehe nur mehr das plätschern und sprudeln des Wassers und nichts anderes mehr. Ich fühle die Nähe der Menschen, es sind sehr viele ... Ich schaue durch sie hindurch, fühle mich wie in Trance, bin durchgeschwitzt, alles ist nass... Ist es das Wasser des Brunnens? Hat man mich hinein gestoßen? Nein, ich spüre den Asphalt unter den Kreppsohlen meiner Schuhe ... So, gleich ist es soweit. Noch einen Moment... Wartet nur ab ihr Leute. Ich habe etwas für euch mitgebracht ... Langsam öffne ich meine Tasche und stehe Auge in Auge mit der tödlichen Waffe. Ein kleines schwarzes Kästchen, nichts sagend doch mit zyklopischer Wirkung. Morgen wird vielleicht ein Mann wie ich am Kebabstand sitzen, Zeitung lesend. Der Titel wird sich mit mir beschäftigen ... Ich verschwende keinen einzigen Gedanken daran, dass mein Vorhaben falsch sein könnte. Der Weg ist gegeben ... nichts führt an den Ausgangspunkt zurück. Noch immer stehe ich da mit der geöffneten Tasche und mit meinen Fingern auf dem Kästchen, meine Fingerkuppen streicheln sanft über die kostbare, schwarze Perle, streifen eine Erhebung, einen Knopf, den Knopf zur Erlösung. Langsam bewegen meine Finger diesen Knopf nach unten, mit jedem Millimeter leert sich mein Kopf, bis sämtliche Wahrnehmung schwindet ... Ich bin fixiert auf diesen Knopf und auf die bevorstehende Tat. Die Vollendung. Ich…

Plötzlich durchfährt mich ein Schauer, ich erwache ... von meinem Körper rinnt der kalte Schweiß in Sturzbächen herab, mein Herz rast, ich setze mich auf. In meinem Bett ... Welchen Ursprungs war dieser Traum? Ich kann keinem Menschen so was antun. Die Angst ergreift mich, schnürt mir die Kehle zu. Dieser Traum war zu greifbar, zu realistisch. Diese Intoleranz und die Ausweglosigkeit für uns Fremde hier in diesem chauvinistischen Land Österreich. Doch eines steht fest: so eine Selbstmordanschlag kann und darf nicht die Lösung sein, es muss andere Wege und Auswege geben. Langsam merke ich wie mich der Schlaf erneut zu übermannen versucht und mein Körper sich ihm wehrlos ergibt ...

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christopher, 2005-12-22, Nr. 2211

Super Monolog gibt einen zum nachdeken MFG Christopher

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