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2005-03-11

Sinti in Villach: geächtet, verfolgt und ermordet

Im Mai 1995 wurde auf dem Villacher Hauptplatz von SchülerInnen des Peraugymnasiums ein "Denkmal der Namen" enthüllt. Die SchülerInnen druckten mit schwarzer Farbe auf Holztafeln die Namen und Todesdaten der Villacher NS-Opfer und Widerstandskämpfer. Damals erfuhren sie auch, dass unter den Opfern sehr viele Sintis waren. Da die SchülerInnen die Namen der Sintis nicht kannten, haben sie, um das der Öffentlichkeit bewusst zu machen, auf eine große Anzahl von Holztafeln folgende Aufschrift hinauf gedruckt: "Sinti deportiert 1941" Mit diesen Holztafeln wurde ein fünfzehneckiger drei Meter hoher Turm rund um die Dreifaltigkeitssäule am Hauptplatz errichtet. Vielen Villacherinnen und Villachern wurde damals erstmals die Deportation und Ermordung der Villacher Sinti bewusst.

Damals wusste die Villacher Bevölkerung beinahe nichts mehr über die Sinti, über ihre Lebensverhältnisse, ihre Geschichte und ihre Ermordung. Viele kannten nur die alten Klischees von der angeblich "anderen" Lebensweise. Unwissenheit und Vorurteile führten dazu, dass diesem Thema mit Angst und Aggression begegnet wurde. Diese "Denkmal-Errichtung", die an die Deportation und Ermordung der Villacher Sinti erinnerte, war die erste öffentliche Veranstaltung in Villach zu diesem Thema. Es gibt bis heute keine Publikation, keine Straße, keine Gedenkstätte, die ihre Erinnerung aufbewahrt. Wie tiefgehend die Verdrängung gewisser Ereignisse unserer Stadtgeschichte ist, erkennt man am deutlichsten daran, dass das Schicksal der Villacher Sinti seit 1945 bis zu dieser Veranstaltung in unserer Stadt mit einem Schweigetabu belegt war. Es macht betroffen bedenkt man, dass erst im Mai 1995, 50 Jahre später, dieses Tabu von SchülerInnen des Peraugymnasiums gebrochen wurde.

Deportiert nach Lackenbach

Im Jahre 1938 lebten, vorwiegend in den äußeren Stadtgebieten von Villach, Seebach, St.Martin sowie Obere und Unterer Fellach, zahlreiche Sinti. Noch heute erinnern sich einige ältere VillacherInnen sehr lebhaft daran. Das beweisen die Zeitzeugeninterviews, die in diesen Stadtteilen von Werner Koroschitz durchgeführt wurden. (Siehe Anhang). Die häufigsten Namen in dieser Volksgruppe waren Seger, Taubmann, Herzenberger, Blach und Held. An die 150 Personen dieser Volksgruppe aus dem Villacher Bezirk wurden ab 1938 verhaftet, in diverse Lager deportiert, und ermordet. Nur wenige überlebten die nationalsozialistische Schreckensherrschaft.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den berührenden kärnöl-Beitrag
rAbschied von Helene Weiss

Im Oktober 1941 wurden 65 Personen, fast durchwegs Sinti aus dem Stadteil Seebach, von der Villacher Kripo verhaftet und am 31. Oktober 1941 in das Lager Lackenbach in Burgenland eingeliefert. Sie erhielten dort die Lagernummern 2453 bis 2517. Am 18. November 1941 sind von der Kripo Klagenfurt 14 "Zigeuner" in das Lager Lackenbach überstellt worden. Sie erhielten die Lagernummern 2857 bis 2870. Darunter war auch das dreizehnjährige Mädchen Helene Weiss, das ihren Adoptiveltern August und Margarete Sommer weggenommen wurde. Aber auch in den Seitentälern Kärntens sind immer wieder "fahrende Zigeuner" aufgegriffen und deportiert worden. Die Deportationen der Kärntner "Zigeuner" wurden mit großer Hartherzigkeit, das bestätigen zahlreiche Augenzeugenaussagen, von der Kriminalpolizei Klagenfurt und Villach durchgefürt. Sie standen unter der Leitung von Kriminalinspektor Karl Malle, der nach 1945 weiter im Amt blieb und 1950 zum Leiter der kriminalpolitischen Abteilung ernannt wurde. Malle wurde nach dem Krieg von der KPÖ-Klagenfurt bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt angezeigt. Die Anzeige wurde jedoch niedergeschlagen, sodass es nicht einmal zu einer Verhandlung kam.

Valentin Seger, – heute wohnhaft in Seeboden bei Spittal –, der damals 8 Jahre alt war und mit seinen Eltern in Seebach wohnte, erinnert sich: "Meine Mutter wendete sich an Inspektor Malle und sagte ihm, dass sie keine Zigeunerin sei und sie nicht einsehe, dass man sie deportiere. Er antwortete, sie könne ja gehen aber ihr Sohn sei ein 'Zigeunermischling' und werde deshalb weggeschafft". Natürlich hat die Mutter ihren Sohn nicht allein gelassen. Alle drei wurden nach Auschwitz deportiert. Mutter und Sohn überlebten, der Vater wurde im KZ-Buchenwald ermordet. Auch Frau Anna Volpe - heute wohnhaft in Villach -, deren Schwester Mathilde mit dem Sinto Karl Taubmann zwei Kinder hatte und mit ihm und ihren beiden Kindern deportiert wurde, erinnert sich: "Meine Mutter ist zur Polizei nach Villach hineingegangen, um ihre beiden Enkelkinder Melitta und Isabella herauszubekommen, aber es war nicht möglich, die Polizei war unnachgiebig." Auch hier hat die Mutter Mathilde Pachernik, die nicht der Volksgruppe der Sinti angehörte, ihre beiden Kinder, Melitta zwei Jahre alt und Isabella 6Monate alt, nicht allein gelassen.

Über das weitere Schicksal der Kärntner Sinti ist wenig bekannt. Es gibt keine Forschungsarbeit zu diesem Thema. Kein Ereignis in der Kärntner Landesgeschichte ist mit einem derartigen Schweigetabu belegt worden wie die Deportation und Ermordung der Kärntner Sinti. Am 4. November 1941 und am 7. November 1941 sind vom Lager Lackenbach aus jeweils 1000 Personen (insg. 2000) in das Ghetto nach Logd / Litzmannstadt deportiert worden. Leider gibt es von diesen Transporten keine Namenslisten. Nachforschungen in den Lackenbacher Tagebüchern haben ergeben, dass die Namen der Villacher Sinti (Taubmann, Seger, usw.) dort nicht auftauchen. Es besteht also die berechtigte Vermutung, dass die Villacher und auch die Klagenfurter Sinti nach Lodg deportiert wurden. Das Ghetto von Lodg in Polen hat niemand überlebt.

Quellen: Archiv Werner Koroschitz, VIA – Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach. Mehrmalige Gespräche mit Anna Volpe und Valentin Seger, Häftling in Auschwitz. Tagebuch des Zigeunerlagers Lackenbach, DÖW Nr. 11340. Gespräche mit Rosa Taubmann geb. Schneeweiss, Häftling in Lackenbach. Nationalsozialismus und die Zigeuner in Österreich, Erika Thurner, Bibliothek für Zeitgeschichte der UNI Wien, D-2175. Einwohnerverzeichnis der Stadt Villach.

Zusammenfassung eines Gesprächs mit Frau Anna Volpe, geborene Pachernik und Schwester von Mathilde Pachernik. Sie erinnert sich an die Deportation der Seebacher Zigeuner im Oktober 1941. Das Gespräch wurde von Hans Haider im Jänner 2000 geführt.

Anna Volpe:

Meine Schwester, die Mathilde, war mit dem Karl Taubmann, einem Zigeuner verlobt und hatte mit ihm zwei Kinder, die Melitta (1Jahr und 7 Monate) und die Isabella (7 Wochen). Sie hatten sich sehr gern. Sie hat aber damals mit den beiden Kindern noch bei uns in der Kaserne gewohnt. Daneben, also neben der Kaserne gab es zwei Häuser, in denen die Zigeuner wohnten. Die Häuser wurden nach dem Krieg abgerissen.

Die Polizei ist ganz früh mit Lastautos gekommen und hat die beiden Häuser umstellt. Alle Zigeuner,- Männer, Frauen und Kinder-, mussten einsteigen. Sie wurden nach Villach auf die Polizeistation gebracht und dort eingesperrt. Die Polizei sagte zu ihnen: "Ihr werdet alle nach Polen gebracht. Dort bekommt ihr Land und Arbeit."

Als wir in der Früh aufwachten waren die Zigeuner schon weg und die beiden Häuser waren leer. Wir haben nichts gehört weil wir auf der abgewandten Seite der Kaserne wohnten. Die Leute waren natürlich sehr aufgeregt und erzählten uns genau was passiert ist. Meine Schwester ist mit den beiden Kindern sofort zur Polizei nach Villach hineingegangen um zu schauen was mit dem Karli los ist. Man hat sie und die beiden Kinder gleich drinnen behalten. Meine Mutter ist dann auch zur Polizei nach Villach hinein. Sie wollte vor allem die beiden Enkelkinder heraus bekommen. Aber es war zwecklos, die Polizei war unnachgiebig. Ein paar Wochen später bekam meine Mutter ein Telegramm aus "Schmückau" oder so ähnlich mit der Nachricht, dass die kleine Melitta tot ist.

Aufzeichnung eines Gesprächs über die "Zigeuner in Villach" von Werner Koroschitz, durchgeführt im Jahre 1995 mit Herrn und Frau G. aus Seebach.

Frau G.:Wir haben geplärrt, wie sie die Zigeuner geholt haben. Freilich haben wir das mitgekriegt, es war ja um Sieben, viertel Acht Uhr früh, wir haben zur Schule müssen. Es war schrecklich.
Herr G.:Genau! Über den könnens schreiben, über den Kriminalinspektor Brandl, das Schwein, der ist mit den Schuhen auf den Zigeuner seine Finger gestiegen, der hat sich wo eingehalten. Das gehört wirklich einmal erwähnt.
Frau G.:Ich sag`s ihnen, wenn die eine Leich g'habt haben, da haben sie zuerst geplärrt als wie, aber dann haben sie Musik gespielt, na, das war wirklich lustig.
Herr G.:Die Pachernik die hat mit dem Taubmann 2 Kinder gehabt, die hätte gar nicht mitgehen müssen. Nach 14 Tagen, 3 Wochen ist eine Nachricht gekommen: "An Diphterie gestorben."
Frau G.:Von die Zigeuner haben wir immer ein Stückerl Brot bekommen, die waren nicht zuwider.
Herr G.:Wir sind ja zusammen Schule gegangen, die haben uns auch schwimmen gelernt.
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