2005-02-10
Werksbad Bleiberg VI
Biisher erschienen:
Werksbad Bleiberg I
Werksbad Bleiberg II
Werksbad Bleiberg III
Werksbad Bleiberg IV
Werksbad Bleiberg V
1932 wurde der Betrieb in Bleiberg wieder aufgenommen. Offenbar war das Schicksal hunderter Arbeiterfamilien der Einsatz, mit dem die Betriebsleitung von der Regierung den Erlass von Schutzzöllen und Einfuhrverboten für ausländisches Blei erzwang. Dadurch erzielte die BBU zumindest im Inland höhere Marktpreise. Den wieder eingestellten Arbeitern wurden dagegen Opfer finanzieller Natur abverlangt: drei- bis zehnprozentige Lohnkürzungen und Streichung der Familienzulage.
Viele Familien waren vom Gespenst der Arbeitslosigkeit betroffen. Doch selbst wer einer Beschäftigung nachging blieb von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise nicht verschont. Massive Lohneinbußen sowie ein drastischer Sozialabbau durch die konservative Regierung brachten viele Familien an den Rand des Existenzminimums. Dazu kam die ständige Angst den Arbeitsplatz zu verlieren. Insbesondere die Politik des Austrofaschismus zielte auf die Beseitigung bzw. Aushöhlung des Sozial- und Arbeitsrechts. So trat z. B. “im Rahmen der allgemeinen Werksauslagen bei den sozialen Lasten durch das Inkrafttreten des Sozialversicherungsgesetzes vom 1. April 1935 eine grundlegende Änderung und zwar zu Gunsten des Unternehmens ein.“ (BBU-Chronik 1935). Zu wessen Lasten die neu erlassenen Sozialgesetze des faschistischen Ständestaates gingen, lässt sich an der repressiven Dienstordnung ablesen. Unter den angeführten Entlassungsgründen konnte “ein Aufseher oder Arbeiter durch den Werksvorstand ohne Kündigung sofort entlassen werden, wenn er die Arbeit unbefugt verlassen hat oder die übrigen Arbeiter zum Ungehorsam, zur Auflehnung gegen die Werksinhabung und deren Organe verleiten sucht.“ Hatten entlassene Arbeiter eine Werkswohnung, so mussten sie diese “wenn sie verheiratet sind, 72 Stunden nach der Entlassung, bzw. Abrechnung, und wenn sie ledig sind, unmittelbar nach der Abrechnung räumen.“
Steigende Exportaufträge und Preise hatte das Werk ab März 1935 wiederum einen Krieg zu verdanken: der militärische Überfall des faschistischen Italien auf Abessinien trug wesentlich zur Konjunkturbelebung der bleiverarbeitenden Industrie bei.
Noch stärker war die Rohstoffnachfrage seitens der deutschen Rüstungsindustrie vor und während des Zweiten Weltkrieges. Schon unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich bekamen die heimischen Industriebetriebe, darunter auch die BBU, im Rahmen der Rüstungsvorbereitungen einen deutlichen Aufschwung zu verspüren. Die Preußische Bergwerks- und Hütten AG wurde zum Hauptaktionär der BBU. Die fieberhafte Kriegstreiberei der Nazis hatte auch den sprunghaften Anstieg der Blei- und Zinkproduktion zur Folge: Gruben wurden erweitert, die Aufbereitung modernisiert, 300 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. “Der gute Geschäftsgang“ der BBU wurde höchstens durch die Einberufung unzähliger Knappen und Fachkräfte für den Eroberungsfeldzug der Nazis getrübt (BBU-Chronik 1941). Kriegsbedingt trat auch im Bleiberger Bergbau ein Mangel an Arbeitskräften ein. Für die eingerückten Knappen mussten Frauen nachrücken, außerdem wurden unzählige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter für die Arbeit im Bergbau eingesetzt: “Große Sorge bildete die Ergänzung der notwendigen Arbeitskräfte. Einziehungen zur Wehrmacht schwächten die Stammbelegschaft. Wohl wurde der Stand der Zahl nach durch die Zuweisung von Ostarbeitern ausgeglichen, nicht aber hinsichtlich der Leistung“ (BBU-Chronik 1942).
Nach dem Untergang des verbrecherischen Naziregimes und dem Eisnmarsch der Alliierten Befreiungsarmee wurde die BBU kurzfristig unter britische Militärverwaltung gestellt. Über hundert politisch Belastete wurden einer Untersuchung durch die britische Polizei unterzogen und ein Teil der BBU-Vorstandsmitglieder wanderte ins Entnazifizierungslager Wolfsberg. Nach kurzem Lageraufenthalt waren sie wieder in den Führungspositionen der BBU vertreten.
1946 wurde die BBU verstaatlicht und im Verlauf des wirtschaftlichen Aufschwunges der Fünfziger Jahre entwickelte sich die BBU zu einem prosperierenden Unternehmen. Durch einen intensiven Hoffnungsbau konnten großräumige Vererzungen aufgeschlossen werden. Gleichzeitig kam es zu einer umfangreichen Produktionserweiterung im Bleiberger Bergbau: Mitte der Sechziger Jahre erfolgte der Ausbau der neuen Hauptförderanlage Antoni, ebenso wurden neue Abbau- und Förderverfahren entwickelt. Die Zinkproduktion konnte innerhalb kürzester Zeit verdreifacht werden. Im Zuge umfangreicher Modernisierungen kam es zu einer Personalreduktion von über 1000 Beschäftigten in den Fünfziger Jahren auf knapp 500 Mitarbeiter in den Achtzigern.
Dennoch brachten die letzten Jahrzehnte vor der Schließung der BBU auch den Bergarbeitern eine Zeit des relativen Wohlstandes. Das Ansteigen der Reallöhne, die Verkürzung der Arbeitszeit sowie die Ausweitung des Urlaubsanspruches ermöglichten es dem Arbeiter an den Vorzügen der Konsumwelt teilzuhaben. Öffentliche Investitionen wurden getätigt, die Knappen bauten sich ihre Eigenheime und das Kleingewerbe in Bleiberg blühte auf. Ab den frühen Achtziger Jahren setzte der Niedergang der BBU ein: die Blei- und Zinkpreise fielen, die BBU hatte mit Absatzschwierigkeiten bei gleichzeitigem Verfall der Weltmarktpreise zu kämpfen. Trotz umfangreicher Umstrukturierungsmaßnahmen, politischer Interventionen und staatlicher Förderungen musste der Betrieb am 1. Oktober 1993 stillgelegt werden.