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Walther Schütz

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2006-04-27

Arbeit - Ein vertrackter Begriff

Grundsätzliche Überlegungen zu etwas, das banal scheint und mit dem der Umgang doch so schwierig ist

Diesen Winter waren in Österreich - zählt man die Menschen in Schulungsmaßnahmen des AMS dazu - über 300.000 Personen arbeitslos . Ein neuer Rekord! Das aber ist nur der kleinere Teil der Wahrheit: Seit Jahrzehnten steigt dieZahl derer massiv, die zwar offiziell erwerbsarbeiten, die aber in Wirklichkeit irgendwo zwischen Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit anzusiedeln sind: Menschen mit Teilzeitarbeit, geringfügig Beschäftigte, Scheinselbständige und wie all die neuen Kategorien heißen. Zählt man diese zusammen, so kommt man auf über 1.000.000 (!) Personen im erwerbsfähigen Alter. Überdurchschnittlich betroffen: Frauen. Die Zahlen wären noch höher, wenn nicht Österreich in den letzten Jahrzehnten vielen der Älteren den Übergang in die Pension ermöglicht hätte. Für die Betroffenen wohl die humanste Form der Erwerbslosigkeit. Ein Problem? Ein Problem! ... oder?

Die Produktivität der Wirtschaft steigt im Durchschnitt mit über 2 % pro Jahr und Arbeitsstunde. Hochgerechnet auf 50 Jahre bedeutet das, dass jede/r Erwerbsarbeitende pro Stunde 1,7 mal MEHR produziert als heute. Mehr Muße, mehr Genuss? Ein Problem? KEIN Problem.

Deutschland verlängert die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst. Österreich muss sparen: Die Beamten müssen produktiver arbeiten, in den Krankenhäusern, bei der Post, der Bahn, überall muss Personal abgebaut werden. Und die Integrationsstunden in der Schule können wir uns jetzt auch nicht mehr leisten. Ein Problem? Ein Problem!

Drei Szenen im Widerspruch: Wenn wir so ein großes Arbeitspotenzial haben, wäre ja die gesamte Arbeit im Pflegebereich und wo auch immer leicht zu erledigen. Und wenn die Produktivität steigt, ist das ja eigentlich toll. So könnte man es ja sehen - von Außen betrachtet ...

Das für unsere Gesellschaft so wichtige Thema „Arbeit” füllt ganze Bibliotheken. Dennoch: Einige grundsätzliche Überlegungen sind notwendig für die Frage, wie’s weitergehen soll und welche Perspektive man in den praktischen Auseinandersetzungen einnimmt. Für alle, die an einer Vision vom besseren Leben festhalten, stellen sich immer Fragen wie: Wie arbeiten? Wieviel arbeiten? Welche Funktion hat überhaupt Arbeit? Ja was ist denn Arbeit? Ist Arbeit etwas, das zum besseren Leben beiträgt? Muss Arbeit geschaffen werden?

Offensichtlich ist die Brisanz dieser Fragen für die Frauenbewegung, denn wer kennt nicht den alten Patriarchen-Spruch „Meine Frau arbeitet nicht” ... Die Fragen gelten genauso aber für die globalisierungskritische Bewegung, für die entwicklungspolitische Auseinandersetzung, für soziale Netzwerke, für Umweltinitiativen u.v.a.m.

Standpunkt 1: Arbeit ist „scheiße”

Gerade von einem männlich-alternativen Milieu (man verzeihe die Pauschalisierung) wird oft eine massive Kritik am Arbeitsethos unserer Gesellschaft vorgetragen, sehr oft mit Verweis auf griechische Philosophen. Es ginge doch eigentlich darum, weniger zu arbeiten, Arbeit sei ja vom Ursprung her etwas, das mit Sklaverei verbunden gewesen sei. Worum es ginge, wäre Muße ....

Da ist die Aufregung vorprogrammiert: Zu Recht kritisiert wird an den Arbeitskritiker/innen die Ignoranz gegenüber den realen Verhältnissen und die Tendenz zur Romantisierung: Wer habe denn den Philosophen das Essen gekocht? Wisse man(n) denn nicht, wie wichtig Erwerbsarbeit für die Gleichstellung von Frauen sei? ...

Trotzdem hat dieser Ansatz auch viel für sich: Komisch ist die Lobpreisung der Arbeit ja schon. Davon abgesehen ziehen die „Arbeitsverweigerer” auch ganz praktische Schlussfolgerungen: Weg mit Repressalien gegenüber Arbeitslosen, her mit einem Grundeinkommen ...

Standpunkt 2: Die Arbeit hoch ...

Praktisch eine gegenteilige Position wurde sehr früh schon von der Arbeiter-Bewegung eingenommen: Um die Bedeutung der eigenen Klasse hervorzustreichen wird sehr früh die Arbeit zu dem, „Was den Menschen vom Tier unterscheidet, was ihn edelt”. Gedacht wurde bei Verwendung des Begriffes Arbeit allerdings meist nicht an jegliche menschliche Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der Gattung, sondern an die männliche Erwerbsarbeit in den Fabriken etc.

Das war auch der Punkt, wo die Frauenbewegung sehr früh ansetzte: In kritischer Hinterfragung des Spruches „Meine Frau arbeitet nicht” wird ein umfassender Arbeitsbegriff verwendet. Neben der Lohnarbeit umfasst er alle Tätigkeiten, die mit der „Reproduktion” (Haushalt, ...) zu tun haben.

All dies hat mit ganz praktischen politischen Forderungen und Perspektiven zu tun, die aber zum Teil einander widersprechen:

Zunächst einmal geht es um die Forderung, dass jede und jeder Arbeit (im Sinne von Erwerbsarbeit) haben soll. Motto: Es ist schlimm, ausgebeutet zu werden, aber es ist noch schlimmer nicht ausgebeutet zu werden. Alle Forderungen nach Ausbau von Infrastruktur bei Konjunkturabschwüngen, von Anhebung der Beschäftigtenquote bei Frauen ... gehören hierher genauso wie Ausbildungsprogramme für Frauen, Bildung für die Jugend, damit diese eine Chance am Arbeitsmarkt hätte ...

Ihre volle Wirkung entfaltete dieser positive Zugang zur Erwerbsarbeit in der Entwicklungspolitik: Fast immer ist das zentrale Ziel eine nachholende Entwicklung, die den Entwicklungsländern das Mitmachen am Weltmarkt erlauben soll. Lediglich über die Mittel ist man uneins: Von Anfang an volle Marktintegration oder doch eine zeitweilige sektorale Abschottung zugunsten der noch schwachen Industrien.

So gerecht natürlich die Perspektive der gleichberechtigten Teilhabe ist, so fatal könnte es sein, wenn sich die gesamte Entwicklung als Irrweg erweisen sollte: Wenn etwa das Ersetzen der patriarchalen Herrschaft durch die Lohnabhängigkeit nicht die wahre Befreiung bringt oder gar eine Sackgasse sein sollte.

... oder die Subsistenzarbeit hoch

Es gibt auch noch eine zweite feministische Richtung, die positiv auf die Arbeit Bezug nimmt. Dieser Ansatz betont, was die klassische Wirtschaftswissenschaft nicht sieht: Den von ihr ungemessenen Beitrag v.a. von Frauen in der Reproduktion (Familie) und der Eigenversorgungswirtschaft (Subsistenz) etwa in der 3. Welt . Die Forderungen, die sich aus diesem Ansatz ergeben, sind äußerst unterschiedlich. Sie reichen von Bezahlung der Hausarbeit (oft großer Nähe zur Grundeinkommensdiskussion, siehe StP. 1) bis hin zu kapitalismuskritischen Forderungen nach Erhalt des Saatgutes, des Bodens, des Wassers in der Verfügungsgewalt der Bauern und vor allem der Bäuerinnen.

Das Problem bei vielen Vertreter/innen: Bei all der berechtigten Kritik an der formellen kapitalistischen Ökonomie werden die vorkapitalistischen Strukturen zumindest unterschwellig romantisiert und es besteht die Gefahr der Vereinnahmung durch Blut- und Bodenideologien.

Standpunkt 3: Arbeit – die gefährliche Drohung

Jenseits des Gegensatzpaares „Ablehnung von Arbeit und Arbeitsideologie” und der Position „Emanzipation durch Arbeit” gibt es noch eine dritte Position. Diese untersucht genauer den „Begriff der Arbeit”:

Es sei ja kein Zufall, dass andere Kulturen den abstrakten Begriff „Arbeit” nicht kennen. Er ist auch bei uns erst entstanden, als die kapitalistische Geldwirtschaft mit ihrem Tausch von Arbeitseinheiten zentral wurde. Für jemanden, der etwas für den Markt produziert, wird der Inhalt sekundär. Es ist egal, was ich produziere, wichtig ist nur die Menge an „Arbeit”, die ich aufwenden muss. Hauptsache, ich kann ES verkaufen, damit ich überleben kann. Egal, ob das Zeug schädlich ist, egal, ob es sinnvoll ist, egal, ob es mir gut tut, wenn ich es herstelle. Ich muss arbeiten, und zwar nicht, weil irgendein Sklaventreiber hinter mir steht, sondern weil ich weiß, dass ich sonst kein Geld habe: „Ohne Geld ka Musi!”

Damit man im kapitalistischen Sinne „Arbeit” verrichten kann, muss sie sich in Konkurrenz durchsetzen, muss sie Profit abwerfen, muss ihr einer entsprechenden Menge Geld gegenüberstehen. Fragen nach dem Sinn dürfen nicht gestellt werden ...

Es gilt nicht: Ich muss halt tätig sein, damit ich leben kann, sondern: Ich brauche Arbeit, damit ich leben kann. Das bewirkt, dass Produktivitätssteigerungen, die in jeder anderen Gesellschaft begrüßt werden würden, bei uns zur Bedrohung werden.

Ein anderer Punkt ist, dass „Arbeit” gegeneinander verrichtet wird: Wenn ich billiger oder besser produziere, wenn ich mich im Beruf weiterbilde, dann ist es nicht etwa gut für alle, sondern vor allem einmal schadet es meinem Konkurrenten / meiner Konkurrentin. Und das ist für mich wichtig!

Und noch ein Punkt: Weil ich Arbeit haben muss, soll der, dem ich was mache, möglichst lange auf meine Arbeit angewiesen sein. Mein Gegenüber sollte wenn irgendmöglich abhängig bleiben. Ich habe kein Interesse an einer wirklichen Befriedigung der Bedürfnisse: Der Kunde soll belieferungsbedürftiges Mängelwesen werden / bleiben!

Es sind diese spezifischen Charakteristika, die das Tätigsein im Kapitalismus zu etwas ganz Besonderem, eben zu abstrakter „Arbeit” werden lassen.

Daher ist es nicht sinnvoll, Arbeit als Tätigsein an sich zu definieren. Der Tätigkeit in der Familie etwa fehlen alle Merkmale der Erwerbsarbeit: Sie wird (in der Regel) nicht in Konkurrenz verrichtet, es wäre kontraproduktiv, wenn bewusst Abhängigkeiten von der „Dienstleistung” geschaffen werden würden (dass dies trotzdem passiert ist dazu kein Widerspruch), diese Tätigkeiten geschehen ohne Bezahlung, sie passieren nicht, damit ein Dritter Profit erwirtschaftet, es fehlt der Wachstumszwang ... Diese Tätigkeiten haben also eine komplett andere Dynamik, auch wenn sie durch die kapitalistische Ökonomie massiv beeinflusst werden.

Zusammenfassung:

Tätigkeitsprofile mit so unterschiedlichen Dynamiken etwa unter einem alle Unterschiede verdeckenden Wischi-Waschi-Begriff der „Arbeit” zusammenzufassen erscheint aus einer Sicht, die genau die bedenkliche Dynamik einer kapitalistische Werte schaffenden Arbeit herausarbeitet, natürlich nicht sinnvoll. Arbeit bleibt für diesen kapitalismuskritischen Ansatz eine gefährliche Drohung. Ziel dieses Ansatzes ist eine Emanzipation jenseits des Systems.

Damit können diejenigen wahrscheinlich wenig anfangen, denen als Perspektive eine Gleichberechtigung im System reicht. Fragen dürften sich allerdings neu stellen, wenn sich herausstellt, dass Erwerbsarbeit einfach weniger wird oder keine ausreichende Lebensgrundlage mehr bieten kann.

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